von Ove Frank (Freitag, 07.06.2019 - 15:47 Uhr)
Gewalt ist etwas, das wir als Menschen zu vermeiden suchen. In Unterhaltungsprodukten, wie in Filmen und Serien, ja selbst in der Musik und auch in Form von Spielzeugen und nicht zuletzt auch im Gaming heißen wir sie jedoch häufig willkommen und erfreuen uns sogar an ihr. Was ist jedoch, wenn sich die gezeigte Gewalt gegen Kinder richtet?
Vor kurzem wurde bekannt, dass im kommenden Call of Duty – Modern Warfare auch tote und leidende Kinder zu sehen sein werden, und das sehr ausführlich. Dies nehme ich als Anlass, mal generell über dieses Thema zu schreiben.
Das übergeordnete Thema der Gewalt in Videospielen ist schon in sich ein riesiges Streitthema, welches wohl nie gänzlich ausdiskutiert sein wird. Vielleicht ist das auch ganz gut so. Von vielen Seiten wird diese Diskussion geführt und hat unlängst ihren Weg in die Mitte der Gesellschaft gefunden.
Die einen lehnen die gezeigte Gewalt kategorisch ab, manchmal auch ohne dieselbe Diskussion genauso auch auf andere Medien zu übertragen. Andere wiederum verteidigen diese vehement und verweisen auf die Kunstfreiheit und Selbstbestimmung.
Eine besondere Brisanz mag dieses Thema erhalten, sobald nicht nur virtuelle Männer leiden und sterben, sondern wenn dies auch Frauen und vor allem Kinder betrifft. Hier sagt einem eine innere Stimme schnell, dass dies falsch sei.
Durch die Unterhaltungsbranche sind wir es schon seit jeher gewohnt zu sehen, wie Männer kämpfen, leiden, stöhnen, schreien und schließlich sterben. Das ist oft, wenn richtig eingesetzt, ganz großes Kino und es übt eine gewisse Faszination auf uns aus.
Betrifft dies Frauen, so ist häufig der Kontext entscheidend, wie wir es bewerten. Oft jedoch ist das Gefühl dies mit anzusehen ein weniger gutes. Dies mag an unserer Kultur und Erziehung liegen, die uns sagt, dass Gewalt vor allem Frauen gegenüber etwas Verabscheuungswürdiges sei.
In uns ist immer noch die Ansicht verankert, Frauen seien das schwächere Geschlecht, und das was dort passiert widerspricht unserem inneren Ethos noch viel mehr als es der Fall wäre, sollte es sich um einen Mann handeln.
Eine Aversion gegenüber Gewalt ist sicherlich etwas Wünschenswertes, doch die Gewohnheit lässt uns schnell abstumpfen. Männer auf dem Bildschirm leiden zu sehen, das sind wir weitestgehend gewohnt. Dies gilt zwar weniger, wenn wir dabei Frauen sehen, doch auch das kennt man zunehmend und „gewöhnt“ sich daran.
Ein ganz neuer Punkt sind hier Kinder. Kinder gelten für uns als Sinnbild der Unschuld und der Hilflosigkeit. Sehen wir, wie ein Kind Schmerzen hat oder ihm Leid zugefügt wird, so spricht dies gleich umso mehr unseren Beschützerinstinkt an, und ob unserer Unfähigkeit zu handeln, fühlen wir uns sehr unwohl. Wir wollen das nicht sehen und halten es für falsch.
Ich nun sage aber, dass dies - um einen gewissen Eindruck zu hinterlassen - auch etwas Positives haben kann, wenn es gezeigt wird. Denn gerade da es uns im tiefsten Inneren so berührt, kann dies ein besonders effektives Stilmittel sein, um die Emotionen der Zuschauer und/oder Spieler zu wecken.
Kommt es doch einmal vor, dass wir im Detail sehen, wie in einem Film, im Fernsehen oder in einem Videospiel ein Kind tatsächlich stirbt und das vielleicht besonders grausam, dann lässt uns das nicht kalt. Wir sind schockiert und die Bilder brennen sich in unserem Gedächtnis förmlich ein.
Im Anschluss, nachdem der Schock verwunden ist, sagen wir häufiger, dass dies ein beeindruckender Moment gewesen sei, der dem Gesehenen einen ganz neuen Anstrich verliehen hat – sofern es der Handlung und der Motivation der agierenden Figuren dienlich war.
Wir betrachten das, was wir miterlebt haben noch einmal mit anderen Augen, hinterfragen es noch mehr als zuvor. Es hat uns berührt und im weiteren Sinne ist es genau das was wir von einem Unterhaltungsprodukt wollen: Es soll unsere Emotionen wecken.
Entertainment ist mehr als nur „Spaß“. Es spricht uns auf vielen Ebenen an. Es nimmt uns gefangen, schüttelt uns kräftig durch und lässt uns dann mit den persönlichen Folgen zurück. So fühlen wir uns „lebendig“.
Dies gilt nicht zuletzt auch für Videospiele: Gaming hat sich inzwischen zu einem eigenen Medium entwickelt. Dass Filme nicht nur Spaß machen sollen, ist schon seit Langem bekannt und wird auch akzeptiert. Fürs Gaming muss diese Akzeptanz in der Gesellschaft erst noch ankommen.
So gesehen kann es einen besonderen Effekt haben, wenn wir sehen, dass der Krieg und alles was damit einhergeht, eben auch vor Frauen und selbst vor Kindern nicht Halt macht. Dies ist nun mal leider die Realität und wir sollten unsere Augen davor nicht verschließen.
Es kann zum Nachdenken anregen und dafür sorgen, dass wir das Gesehene umso mehr hinterfragen, dass es uns nicht kalt lässt und wir nicht vergessen, was wir da eigentlich dargestellt sehen: Krieg, Angst, Verzweiflung, Leid. Dinge, gegen die es in der Realität vorzugehen gilt.
„Kriegsspielen“ wie die Reihen Call of Duty oder Battlefield wird, speziell von Außenstehenden, häufig vorgeworfen, sie würden den Krieg verherrlichen. Das Gezeigte würde nicht der Realität entsprechen und zu unkritisch mit dem Thema umgehen.
Obwohl es dafür durchaus Punkte gibt, die solche Aussagen stützen können, gibt es aber auch Spiele, die eben für genau das Gegenteil stehen und zu vermitteln versuchen, dass der Krieg, dass das Leiden der Menschen real und grausam ist.
Spiele wie Spec Ops – The Line stellen sich genau dieser Grausamkeit und dem, was diese mit den Menschen macht. Genau für diesen Ansatz werden sie gelobt, nämlich eben nicht nur reines Schießvergnügen zu sein, sondern eine mitreißende Geschichte zu erzählen, mit komplexen und moralisch ambivalenten Figuren, die die Spieler mit einem unangenehmen Gefühl zurücklassen.
Es geht Spielern nicht immer nur darum blind auf etwas zu schießen und ohne nachzudenken dabei Spaß zu haben. Viele wollen emotional gepackt werden und stellen sich genau dafür, mal mehr, mal weniger bewusst, auch erschreckenden Themen.
Eben für einen solchen Effekt, der die Spieler zum Nachdenken anregt und sie berührt, kann das gezeigte Leid der Unschuldigen und eben auch das Leid von Kindern dienlich sein. Allerdings ist es hier wichtig, dass sich dies nicht selbst kannibalisiert und dass dies nicht zu oft dargestellt wird.
Passiert dies hingegen regelmäßig ist eben die Gefahr groß, dass wir zunehmend abstumpfen und unsere Sensibilität dahingehend verlieren, wie es im weiteren Sinne schon mit dem Leid der Männer passiert ist – natürlich gibt es auch da Ausnahmen.
Von daher sage ich: Das Leid und den Tod von Kindern zu zeigen – Ja, aber mit Fingerspitzengefühl! Es sollte darum gehen, die richtigen Emotionen in den richtigen Momenten zu wecken. Aus reiner Freude am Schock heraus sollte dies nicht geschehen, da sollten wir unsere Hemmschwellen bewahren!
Das aktive Töten von Kindern in Spielen sollte jedoch gesondert betrachtet werden. An sich, kann dies wohl als moralisch höchst verwerflich eingestuft werden, doch das ist Töten in den meisten Fällen, egal gegen welches Geschlecht und welche Demographie es sich richtet. Von daher ist dies ein Thema für eine eigene Diskussion.
Was sagt ihr dazu? Seht auch ihr die Macht, die in der Darstellung von Tod und Leid von Kindern liegt und welche Verantwortung sie hat? Seid ihr der Meinung, dass dies gezeigt werden sollte, oder meint ihr, dass dies nicht getan werden sollte? Diskutiert darüber gerne in den Kommentaren, aber bitte bleibt sachlich und fair.
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