von Martin Seng (Montag, 14.10.2019 - 17:51 Uhr)
Krieg ist in Videospielen schon seit langer Zeit der spielerische Alltag. Ob es nun die Weltkriege sind oder der Vietnamkrieg - der bewaffnete Konflikt ist spielbar und erfreut sich immenser Beliebtheit. Doch dass man das Thema auch auf eine intelligente und kritische Art angehen kann zeigte 2012 ein Spiel, das bis heute einzigartig geblieben ist.
Selbst über sieben Jahre nach Veröffentlichung ist mir jedes Detail von Spec Ops: The Line in Erinnerung geblieben. Kaum ein anderer Shooter hat mich über einen solch langen Zeitraum begleitet, außer vielleicht noch Bioshock. Doch auch die Abenteuer in der berühmten Unterwasserstadt Rapture konnten nicht an die Erfahrung mit Spec Ops: The Line anknüpfen.
Alle Infos zu Spec Ops: The Line
Genre: “Third Person“-Shooter
Plattformen: PC, PS3, Xbox 360
Vor kurzem waren wir zu Besuch bei Yager Development, dem deutschen Entwickler des Spiels. Bei dem Besuch ging es vordergründig um ein Service-Game. Wir wollten wissen: Was macht Yager damit anders als ein EA oder Ubisoft? Was besser als ein Anthem oder Ghost Recon: Breakpoint? Die Antwort: Open Development. Was das bedeutet, erfahrt ihr hier.: Lootboxen und pay to win | Wie ein deutsches Studio es anders als EA und Co. machen will (Special)
Die Story wirkt anfangs noch eindimensional und passt fast auf einen Bierdeckel. Ihr seid Captain Martin Walker von der US Army und werdet mit eurer Truppe in Dubai abgesetzt, das mittlerweile von verheerenden Sandstürmen heimgesucht wird. Euer Ziel ist es, den Colonel John Konrad inmitten der Sandmassen zu finden, der desertiert ist, nachdem man ihm den Befehl erteilt hat, Menschen im Sandsturm zurückzulassen.
Eine 08/15-Shooter-Story, nichts weiter, mögt ihr euch nun denken. Doch auch wenn Spec Ops: The Line anfangs wie ein typisch US-patriotisches Spiel à la Call of Duty wirkt, ändert sich gerade das sehr schnell. Ihr werdet mit Situationen konfrontiert, die euch dazu zwingen moralisch heikle Entscheidungen zu treffen. So könnt ihr beispielsweise eine Exekution von Unschuldigen verhindern, müsst dafür jedoch zahlreiche andere Menschen töten und geratet mit euren Kameraden aneinander. Besonders in diesen Situationen wird deutlich, dass jeder der Charaktere einen eigenen Moralkompass besitzt und nicht nur bloßes Beiwerk ist.
Was mich an dem Spiel bis heute beeindruckt, ist, wie politisch es ist und wie hart die Kritik gegenüber den USA ausfällt. Selten war ein Spiel so gnadenlos mit der Darstellung eines Landes, das in einem Krieg versagt hat. Und davor scheuen auch nicht die Protagonisten zurück, die ihr eigenes Land hinterfragen, ihre Befehle verweigern und sich wundern, welchen Sinn die Kämpfe überhaupt haben. Auch wenn das deutsche Entwicklerstudio Yager Development das Spiel bereits Mitte 2012 veröffentlichte, steht es auch heute immer noch im aktuellen Zeitgeist.
Eine Szene, die wahrscheinlich jedem in Erinnerung geblieben ist, der Spec Ops: The Line gespielt hat, ist der weiße Phosphor. Nach mehreren Stunden kommt ihr an einen Punkt, an dem ihr eine gegnerische Einheit mit Phosphorgranaten ausschalten müsst. Ihr geratet mit eurem Team in eine heftige Diskussion, ob ihr ein so abartiges Mittel überhaupt einsetzen könnt, macht es dann aber letztendlich doch. Nachdem ihr die vermeintlichen Gegner vernichtet habt, stapft ihr durch ihre entstellten Leichen. Doch es waren keine bewaffneten Feinde - es waren Frauen, Kinder und Unschuldige.
Spec Ops: The Line legt den Finger in die Wunde und zwingt euch die Gewalt nicht nur stumpf hinzunehmen, sondern sie zu hinterfragen. Im Gegensatz zu anderen Spielen wie zum Beispiel Call of Duty: Modern Warfare 2 werden die brutalen und abstoßenden Szenen nicht wegen ihrem Sensationscharakter gezeigt, sondern um die Sinnlosigkeit und die grausame Dimension des Krieges darzustellen.
Nicht ist perfekt, so natürlich auch nicht Spec Ops: The Line. So war der Multiplayer-Modus ein Desaster und wurde offensichtlich nur in das Spiel integriert, um auf der Online-Shooter-Welle mitzuschwimmen. Auch die Spielmechanik des Third-Person-Shooters war nicht perfekt und manche Steuerungsmacken schmälern den Spielspaß. Doch das Gameplay nimmt eine klar untergeordnete Rolle ein und stattdessen wollen euch die Entwickler mit ihrer düsteren und anspruchsvollen Handlung packen.
Für mich ist Spec Ops: The Line eines der emotional härtesten Spiele überhaupt. Das liegt nicht nur an der kompromisslosen Härte, sondern auch an der kritischen Darstellung der USA und ihren militärischen Einsätzen. Ihr fühlt euch beim Spielen mehrfach an den Vietnamkriegsfilm "Apocalypse Now" erinnert und werdet immer weiter in die dichte Atmosphäre des sandigen Dubai hineingezogen. Auch sieben Jahre nach Release ist Spec Ops: The Line beispiellos und eine einzigartige, wenn auch nicht gerade angenehme Erfahrung.
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