von R3nDom (Mittwoch, 09.10.2019 - 17:52 Uhr)
Millionen Menschen konsumieren Pornos, in denen bekannte Videospielfiguren im Mittelpunkt stehen — meist hochwertig animiert und ästhetisch inszeniert. Wir haben mit einem der bekanntesten Pornoregisseure über seine Arbeit gesprochen, die alles andere als nur ein Traumjob ist.
Stöhnend räkelt sich Tiny Tina auf dem nackten Oberkörper des Mannes unter ihr. Langsam, fast vorsichtig nähert sich die Kamera dem verschwitzten Gesicht der jungen Frau, auf dem jede einzelne Pore gut zu erkennen ist. Langsam verzieht sich ihr Mund zu einem breiten Grinsen, als sie nach dem erigierten Penis greift und “Lass es regnen!” flüstert.
Diese Szene ist der Auftakt eines animierten Videos, das schon wenige Tage nach Veröffentlichung auf einer großen Pornoplattform millionenfach angesehen wurde. Hunderttausende schreiben in den Kommentaren von ihrer Begeisterung, eine ihrer liebsten Videospielheldinnen “endlich mal nackt sehen zu können”. Denn Tiny Tina ist keine Unbekannte: Spieler kennen sie aus dem Borderlands-Universum, in dem sie als aufgekratzte Sprengmeisterin Quests verteilt und einen wesentlichen Teil der Geschichte von Borderlands 2 und Borderlands 3 vorantreibt. Hin und wieder flirtet sie dabei vor allem mit weiblichen Charakteren dieser bunten Spielwelt — Sex hat sie aber keinen.
In der Welt der Pornographie ist das anders: Tiny Tina gehört zu den zahllosen Videospielhelden und -heldinnen, die in hunderttausenden Videos als animierter Sexualpartner auftreten und nahezu jeden Fetisch bedienen. Verantwortlich für diese Produktionen sind talentierte Programmierer, die dutzende Stunden investieren, um ihre Videos ästhetisch und qualitativ auf einen Level mit dem Originalspiel zu bringen.
Wir haben mit einem der erfolgreichsten und bekanntesten Pornoregisseure gesprochen, der seit Jahren seinen Lebensunterhalt mit erotischen Filmen, Gifs und Mini-Spielen verdient, die sich allesamt um Videospielfiguren drehen. Er erzählte uns von seiner Motivation, seinem Arbeitsalltag und den Problemen, denen er sich wegen seines Berufs immer wieder stellen muss.
Gleich zu Beginn unseres Gesprächs bittet uns der Programmier, wegen eines drohenden Gerichtsverfahrens gegen ihn anonym bleiben zu dürfen. Wir sprechen den 36-Jährigen ab sofort als “Michael” an, der uns in einige Details der Anklage einweiht, die ihn seit Monaten beschäftigt.
Michael arbeitet seit über zehn Jahren beruflich als Pornofilm-Animator und war vor allem für seine Videos im Universum von World of Warcraft bekannt — aber dann erreichte ihn Anfang 2019 unangenehme Post:
"Die Markeninhaber haben eine Unterlassungsklage gegen mich bewirkt, in der sie mich dazu aufforderten, jedes WoW-Video zu löschen und die Marke in Zukunft nicht mehr in meine Arbeit miteinzubeziehen. Sonst drohen sie mit einem Gerichtsverfahren." Ein Bußgeld, das in solchen Fällen üblich ist, wurde zu Michaels Glück nicht verhängt.
Einen Tag lang beriet sich Michael mit einem Juristen und entschloss sich schließlich, den Forderungen nachzukommen:
“Auch, wenn ich das Gerichtsverfahren wahrscheinlich gewonnen hätte, hätte mich der stressige, wahrscheinlich langwierige Prozess meine Liebe zu World of Warcraft endgültig gekostet.”
Und ohne diese Liebe und Leidenschaft hätte der Programmierer wohl ohnehin damit aufgehört, pornografische Videos rund um die Orks, Menschen und Nachtelfen der Fantasy-Welt zu produzieren, wie er weiter erklärt: “Auch meine Familie wollte ich damit nicht belasten. Es war der schlimmste Schlag, den ich als Künstler jemals wegstecken musste.”
Von diesem Rückschlag konnte sich Michael mittlerweile gut erholen: Auch heute produziert der Mann, der sich im Interview selbst als “einfach nur ein Perverser mittleren Alters aus Amerika” vorstellte, weiterhin pornografische, animierte Videos. Und er ist erfolgreich: Über Patreon verdient er durch die Spenden seiner Fans genug, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Dazu kommen Auftragsarbeiten für Studios, die im großen Maßstab pornografische Videos und Spielfilme animieren.
Seine Anfänge waren ungleich bescheidener: Am College war er Teil einer kleinen Clique, die in ihrer Freizeit mit einsteigerfreundlicher 3D-Software einfache Pornovideos animierte. Nachdem Michael so einige erste Erfahrungen gesammelt hatte, setzte er sich mit den unterschiedlichen Spiele-Engines auseinander und lernte, in ihnen zu operieren. Es dauerte Jahre, bis er eine so große Community um sich scharren konnte, dass er mit den Videos seinen Lebensunterhalt bezahlen konnte.
Was auf dem Papier sehr geradlinig und schnörkellos klingt, kostete Michael in Wirklichkeit etliche Nerven und durchgearbeitete Nächte. Es ist nicht leicht, in seiner Branche erfolgreich zu sein, wie er uns erklärt:
“Qualität, aber auch Quantität ist wichtig. Entweder man veröffentlicht wenig, aber nur atemberaubendes Zeug — oder sehr, sehr viel.”
Die meisten 3D-Künstler würden sich gegenseitig unterstützen und Neulingen bei den ersten Schritten helfen.
“Heute ist es deswegen sicherlich einfacher, sich einen Namen zu machen. Aber am Ende kommt doch wieder alles auf die beiden Qs zurück - Qualität und Quantität. Wenn du Erfolg haben willst, musst du hart arbeiten.”
Den Stil seiner Filme beschreibt Michael trotz seines Erfolgs als unpopulär, eigen, altmodisch:
“Ich sehe mich selbst als Puristen. Ich zeige die Charaktere so, wie sie auch in ihrer eigenen Spielwelt aussehen würden. Die meisten anderen Animatoren streben nach Hyperrealismus, fast Fotorealismus.”
Michael hingegen bemüht sich darum, seine Videos wie Zwischensequenzen im jeweiligen Originalspiel aussehen zu lassen — im Fachjargon Machinima-Videos genannt, also “Maschine” (“machine”) plus “Kino” (“cinema”): “Das war immer mein Alleinstellungsmerkmal. Das ist zwar nicht sonderlich populär, aber es befriedigt in erster Linie meine eigenen Bedürfnisse.”
Und genau dieser Gedanke ist auch die treibende Kraft von Michael, seine Arbeit fortzusetzen:
“Mir macht es Spaß, Videos zu animieren, Videospiele zu spielen, Sex zu haben. Und es macht mir Spaß, all diese Dinge miteinander zu verbinden. Mehr ist da nicht dran.”
Als Borderlands 3 am 13. September 2019 erschien, schossen die Suchanfragen zu pornografischen Inhalten auf der Videoplattform Pornhub exponentiell in die Höhen. Millionen Menschen — 84% von ihnen Männer — suchten nach Videos und Filmen, die die alte und neue Heldenriege des Shooters bei sexuellen Handlungen zeigen. Kein ungewöhnliches Phänomen: Seit Jahrzehnten konsumieren und produzieren Menschen pornografische Inhalte, die sich um prominente Figuren aus der Welt der Videospiele drehen, von erotischen Zeichnungen bis zu expliziten Videos in Spielfilmlänge.
Michael, der dieses Bedürfnis seit über einer Dekade befriedigt, beobachtet dieses Faszination mit großem Interesse und hat seine eigenen Theorien, die den Aufstieg der Machinima-Pornoindustrie erklären:
“Wer viel Zeit mit Videospielfiguren verbringt, kann ein Verlangen entwickeln, diese Beziehung noch zu intensivieren. Dieses Verlangen muss dann irgendwann mit NSFW-Inhalten (not safe for work, also 'nicht für den Arbeitsplatz geeignet') befriedigt werden.”
Ungeachtet der Frage, ob diese Theorie zutrifft, macht Michael einige handfeste Trends innerhalb der Szene aus, die immer zuzutreffen scheinen:
“Je mehr Fantasy-Elemente in einem Spiel, desto beliebter ist der Titel in unserer Szene. Außerdem werden viel häufiger Figuren angefragt, die eine ausgeprägte Persönlichkeit haben. Fortnite beispielsweise ist extrem populär, aber weil es in diesem Universum nur wenige echte Persönlichkeiten gibt, ist das Interesse an NSFW-Content messbar geringer.”
Die Nachfrage nach Michaels Videos ist also groß, auch Sonderwünsche erhält der Programmierer. Trotzdem hält er von einigen Themen Abstand, die er unter keinen Umständen in seinen Werken darstellen will:
“Ich versuche, Fantasien zu verwirklichen, die möglichst viele Menschen hegen, ob leichtherzig oder düster — aber ich ziehe eine Grenze bei Szenen, die eine eindeutig negative Emotion provozieren könnte, ob nun beim Zuschauer oder bei den beteiligten Figuren. Im Grunde zeige ich einfach nur zwei Menschen, die sehr gerne miteinander Sex haben, was nie irgendeine Grenze überschreitet.”
Diese Videos sind Michael viele Arbeitsstunden wert: Je nach Komplexität der Szenen und beteiligten Charaktere können ihn wenige Sekunden Film mehr als eine Woche kosten. Seit kurzem fügt er seinen Aufnahmen außerdem Musik und Soundeffekte hinzu, die die Videos zwar wertiger, aber auch ungleich aufwändiger machen. “Dazu kommen noch Details wie die korrekte Ausleuchtung der Szene, das Rendern des Videos, kleinere Fehlerkorrekturen und so weiter.”
Trotz der hohen Qualität und Erfahrung, die hinter jeder seiner Videos stecken, ist Michael selbst sein größter Kritiker: “Ich bin quasi nie mit meinen Videos zufrieden. Alles, was ich mache, hasse ich aus irgendeinen Grund. Aber das ist okay, das bedeutet, ich kann immer noch besser werden.” Die Videos seiner Kollegen hingegen kann Michael weiterhin genießen — “zum Glück”, wie er hinzufügt:
“Das war für mich nie ein Problem. Wir neigen ja alle dazu, in Bezug auf unsere eigene Arbeit viel kritischer zu sein. Ich kann die vermeintlichen Fehler in den Videos anderer gut ignorieren und einfach nur Spaß haben.”
Dass Michael einer der erfolgreichsten und bekanntesten virtuellen Pornoregisseure der Szene ist, weiß im Freundeskreis des 36-Jährigen niemand. Nur seine Frau ist eingeweiht und hat mit der Arbeit ihres Mannes kein Problem, der seit Jahrzehnten die virtuelle Pornoindustrie prägt und mit seinen Videos zum täglichen Begleiter von Millionen Menschen geworden ist. Aber hier soll noch lange nicht Schluss sein, wie Michael uns offenbart:
“Ich hoffe, eines Tages meine eigene Fantasywelt erschaffen zu können, die von Charakteren belebt werden, die ich mir selbst ausgedacht habe — und die vielleicht eines Tages sogar Star in ihrem eigenen Videospiel sind.”
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