von Jens-Magnus Krause (Freitag, 25.10.2019 - 10:07 Uhr)
Don’t call it a comeback! CoD-Erfinder Infinity Ward hat sich zwar drei Jahre lang eingeschlossen, meldet sich nun aber umso eindrucksvoller zurück – genauso wie die Kampagne und der Survival-Modus von Call of Duty. Auch der Mehrspieler-Modus brilliert im Ego-Shooter.
Nur mit einer Pistole bewaffnet, sprintet ihr eurer Zielperson durch enge Gassen von St. Peterburg hinterher. Kurz darauf stolpert ihr in einen Keller, eliminiert in diesem jeden Gegner und huscht wieder in Richtung Tageslicht. Schlussendlich verfrachtet ihr mit Hilfe eures Teams den Bösewicht in euren Transporter.
Szenenwechsel. Euer Captain fragt euch vor der Tür des improvisierten Verhörraums: „Bist du dabei oder nicht?“ Und ihr könnt mit vorgefertigten Antworten erstmals in der Kampagne der "Call of Duty"-Serie wirklich darauf antworten und eure Entscheidung selbstständig treffen.
Wählt ihr aus, beim Verhör dabei zu sein, folgt einer der gezielt eingesetzten Schock-Momente von Call of Duty: Modern Warfare. So viel vorweg: er wird euch wahrscheinlich berühren, aber gleichzeitig auch ein mulmiges Gefühl erzeugen. Jede dieser Szenen in der Kampagne ist diskutabel, denn es drängt sich die Frage auf, ob so etwas wirklich sein muss. Das sollte ein erwachsener Spieler für sich selbst beantworten können. Das eigentlich Schlimme daran ist jedoch, dass es durchaus real vorstellbare Szenarien sind, was das Ganze so wirkungsvoll macht.
Wo im Vorgänger Call of Duty: Black Ops 4 die Kampagne komplett weggefallen ist, feiert sie nun ihre Wiedergeburt. Und das ist eine Bereicherung. Nicht nur, weil sie den Umfang des Spiels vergrößert, sondern auch weil sie den schmalen Grat zwischen gewohnten Abläufen und Inhalten auf der einen und Neuerungen auf der anderen Seite meistert.
Die Grundzutaten sind erst einmal alte Bekannte: in ungefähr sechs Stunden schießt ihr euch durch brachiale Kriegsszenarien im Jahr 2019, bekommt geskriptete Explosionen um die Ohren gehauen und kämpft gegen zahlenmäßig überlegene Gegnerwellen an. Leider genauso Mitbringsel aus der Vergangenheit sind die stellenweise unerklärlichen Bildschirmtode – besonders auf einem der höheren der fünf Schwierigkeitsgrade – und kurzzeitig nervige Trial-and-Error-Momente.
Kommen wir zur ersten Neuerung: Wir möchten euch nicht spoilern, verraten aber zur Geschichte so viel: In London geht ihr gegen akuten Terror der Organisation „Al-Qatala“ vor und im fiktiven Land Urzikstan kämpft ihr gemeinsam mit der dort ansässigen und im Untergrund aktiven „Liberation Force“ für die Freiheit des Landes. Urzikstan verkörpert dabei den Nahen Osten. Wirklich neu ist der Ansatz nicht, aber die Geschichte beleuchtet auch die Vergangenheit der Charaktere und das ist spannend, überraschend und verstörend zugleich.
Während der Kampagne schlüpft ihr hauptsächlich in die Haut von Alex, einem amerikanischen CIA-Agenten, der sich auf Kriegs- und Terrorszenarien spezialisiert hat. Was bei allen Charakteren und den vorgerenderten Zwischensequenzen auffällt: sie sind kinoreif präsentiert. Das liegt daran, dass Hersteller Activision für jeden Charakter einen echten Schauspieler angeheuert hat. Für die Stimme, Mimik und Bewegungen gibt es reale Vorbilder, was die Personen im Spiel glaubwürdig wie in einem Film erscheinen lässt.
Ihr fühlt dadurch mit ihnen mit, so wie im Kino eben. Die nicht spürbaren Ladezeiten unterstreichen diesen filmischen Ansatz zusätzlich. Genauso wie der Sound. Die Waffen hören sich beim Feuern und Nachladen laut, mächtig und voluminös an. An euch vorbei rauschende Kugeln oder aufschlagende Luftangriffe können Gänsehaut bei euch erzeugen.
Spielerisch gibt es auf den ersten Blick gewohnte Kost: Ihr verteidigt eine Stellung gegen angreifende Feinde, erobert strategisch wichtig gelegene Gebäude oder rettet Geiseln. Und trotz des Alters dieser Missionsabläufe machen diese immer noch viel Spaß.
Richtig gut funktionieren darin die spielerischen Neuerungen von Modern Warfare: Da wären die deutlich offeneren Gebiete, als gelungene Abwechslung zu den schlauchartigen Levels. Habt ihr ein riesiges Feld gespickt mit Gegnern vor euch, sagt euch niemand wo und wie ihr anfangen sollt. Hier seid ihr gefragt und auch gefordert - besonders wegen der treffsicheren und aus der Deckung heraus agierenden Gegner. Durch das Level-Design und die anspruchsvollen Feinde erfordert Modern Warfare hier, aber auch im ganzen Spiel, eine vorsichtigere und damit realistischere Vorgehensweise.
Genauso wie in den Entscheidungssituationen: Richtige oder falsche Antworten beeinflussen zwar nur die Auflösung einzelner Situationen und nicht etwa den Ausgang der Kampagne, aber dennoch kommt ihr dabei ganz schön ins Schwitzen. Positiv daran: ihr habt die Wahl und freut oder ärgert euch hinterher über euch selbst.
Natürlich ist das Herzstück jedes "Call of Duty"-Spiels der Mehrspielermodus, da vor allem dieser für langfristige Motivation sorgen soll. Besonders der Gunfight-Modus überzeugt hier. Er punktet aufgrund der intensiven zwei-gegen-zwei-Gefechte auf sehr kleinen Karten. Für Chancengleichheit sorgt der Fakt, dass das Spiel euch alle zwei Runden neue Waffen und Ausrüstungsgegenstände vorgibt. Sinnvolle Neuerung beim Schießen: stützt ihr eure Waffe an Türrahmen oder auf Vorsprüngen ab, erhöht sich eure Treffgenauigkeit.
Ebenfalls neu: Ground War. 64 Spieler, aufgeteilt in zwei Teams, kämpfen um insgesamt fünf Punkte auf sehr großen Karten. Fahrzeuge wie Geländewagen, Panzer oder auch Hubschrauber sind hier ebenfalls steuerbar. Dadurch entstehen riesige, unterhaltsame Schlachten. Das hat jedoch auch eine Kehrseite: Besteht euer Team aus Einzelgängern, sind zahlreiche Tode vorprogrammiert.
Abgesehen davon gibt es jede Menge neue Karten, die durch ihren klugen Aufbau in spielerischer Hinsicht überzeugen, und auch optisch beeindrucken. Wenn ihr in den Waschräumen eines Arbeitslagers der Sowjetunion gegeneinander kämpft, ist die Atmosphäre bedrückend und in Feuergefechten splittern Fliesen von Säulen ab. Auf den anderen Karten, egal ob Wüsten-, Wald- oder Dorfregion zeigt sich dasselbe Bild.
Und hier die besten Neuigkeiten: Es gibt keinen Season-Pass und keine Loot-Boxen mehr - zumindest zum Stand des Testdurchlaufs, der im Rahmen eines mehrtägigen Review-Events stattfand. Alle neuen Karten erscheinen erst einmal kostenlos auf jedem System, ein Aufspalten der Community solle dadurch vermieden werden. Nichtsdestotrotz gibt es nach der Veröffentlichung einen Battle-Pass und einen Ingame-Store. Über beide erspielt beziehungsweise kauft ihr jedoch nur kosmetische Aufwertungen. Alles andere ist im Spiel erst einmal kostenlos und ohne Grinding-Passagen erspielbar.
Zusätzlich unterstützt das Spiel Cross-Play. Das „Cross“ gilt hierbei auch für euren Fortschritt. Egal ob Kampagne, Multiplayer- oder Koop-Modus: ihr sammelt immer für ein- und denselben Charakter Erfahrungspunkte und steigt im Level auf.
Ein Jahr lang exklusiv steht nur PS4-Besitzern der Special-Ops-Survival-Modus im Rahmen des Koop-Modus zur Auswahl. In diesem versucht ihr mit bis zu drei Mitspielern möglichst viele Gegnerwellen auf drei unterschiedlichen Maps zu überleben.
Die Special-Ops-Missionen stehen dagegen für jedes System zur Verfügung. Das sind dieselben, nur zusätzlich mit Missionszielen versehen. Beide Varianten sind extrem schwer und man benötigt pro Mission ungefähr zwei Stunden und gefühlte 100 Tode bis zum Erfolg, aber genau dadurch erzeugen sie Langzeitmotivation.
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Ich möchte an dieser Stelle mal eine vielleicht untypische Bewertungskategorie im Bereich Ego-Shooter betonen: den Umfang. Ich bin wirklich beeindruckt, was Entwickler Infinity Ward in drei Jahren erschaffen hat. Egal ob Kampagne, Mehrspieler- oder Koop-Modus – die Spieltiefe ist zusammengenommen gigantisch. Jeder Spieler kann hier hunderte Stunden mit viel Spaß und Abwechslung verbringen.
Dazu erfreuen mich die klugen Entscheidungen von Activision: kein Season-Pass, keine Loot-Boxen, neue Karten für Jedermann, die Cross-Play-Unterstützung und Fortschritte, die ich für meinen Charakter spielmodusübergreifend erspielen kann. Alles richtig gemacht!
Viel Negatives gibt es nicht. Klar, die Kampagne ist kurz. Dafür ist sie dank der filmischen Ansätze und den intensiven, spielbaren Charakterrückblicken inhaltlich stärker als jemals zuvor. Dazu gesellt sich eine brachiale Grafik- und Soundqualität, ein butterweiches Waffenaiming, zahlreiche Mehrspielerkarten zum Start und eine Vielzahl an unterhaltsamen Modi, so dass ich gar nicht weiß, wo ich anfangen möchte.
Die Neuerungen in der Kampagne fügen sich ebenfalls nahtlos ein und sind eine Bereicherung, wenn auch eher eine kleine. Die Schock-Momente haben mich persönlich aufgewühlt, hinterlassen aber auch einen faden Beigeschmack, weil man die Hilflosigkeit in manchen Situationen spüren kann. Das ist dann gleichzeitig aber auch das, was das Spiel überragend darstellt: glaubhafte Gefahrensituationen, die einem Angst machen können. Leider sind diese sehr real in unserer wirklichen Welt.
spieletipps meint: Spielerisch, optisch und akustisch hochwertig: Mit vielen sinnvollen Neuerungen in jedem Bereich und riesigem Umfang überzeugen Single- und auch Multiplayer.
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