von Sergej Jurtaev (Montag, 20.07.2020 - 17:42 Uhr)
Seit dem 17. Juli 2020 ist Paper Mario: The Origami King für Nintendo Switch erhältlich. Ein Spiel, dem Fans mit Vorfreude und Sorge gleichermaßen entgegenfieberten. Langjährige Anhänger der beliebten Serie wünschen sich eine Rückkehr zu den RPG-Wurzeln, während Nintendo darauf bedacht ist, mal wieder etwas Neues zu versuchen. Der Ersteindruck ließ vermuten, dass „The Origami King“ ein erfolgreicher Kompromiss werden könnte. Ob dem so ist, klärt unser Test.
Überblick zu Paper Mario: The Origami King
Spielzeit: ca. 25 bis 30 Stunden für die Haupt-Story
Multiplayer: nein
Switch-Online-Funktionen: nein
Speicherdaten-Cloud: kompatibel
amiibo-Support: nein
Versionen: Standard, Standard (digital)
Die Geschichte ist schnell zusammengefasst: Olly, der Origami-König, taucht aus dem Nichts auf und entführt Prinzessin Peach. Anders als Bowser geht der gefaltete Schurke sogar einen Schritt weiter und reißt das ganze Pilz-Schloss aus dem Boden. Seine neue Festung platziert er auf einen weit entfernten Berg und versiegelt sie zusätzlich mit fünf magischen Luftschlangen. Gemeinsam mit Ollys Schwester Olivia muss Mario die Enden der Luftschlangen finden und diese zerstören, um zum Schloss zurückkehren zu können.
Die Hauptstory bleibt so minimalistisch, wie es nur geht. Das ist aber halb so wild, denn die Ausgangslage ist ausreichend, um viele kleinere interessante Geschichten zu erleben. Auf der Suche nach den Luftschlangen entfalten sich nämlich separate Handlungsstränge, bei denen ihr auch auf neue Kameraden trefft. Mit dem Bob-omb Bobby infiltriert ihr z. B. einen Freizeitpark und mit Professor Toad lüftet ihr die Geheimnisse einer antiken Zivilisation.
Das große Highlight sind dabei die urkomischen Dialoge. Mit viel Charme, Witz sowie lustigen Anspielungen und Easter Eggs amüsieren die Dialoge über die komplette Spielzeit von circa 30 Stunden. Es wird aber nicht immer nur gelacht. Paper Mario: The Origami King schafft es auch, ernstere Töne anzuschlagen, sodass es hier und da sogar sehr emotional wird.
Ein Wermutstropfen ist, dass es fast keine einprägsamen Charaktere bzw. neue Charakterdesigns gibt. Wie im Vorgänger Paper Mario: Color Splash wird die Spielwelt von Toads dominiert, die – abgesehen von der Farbe – fast alle identisch aussehen. Diese monotone Lösung trübt das sonst so kreative Erlebnis ein wenig. Eine Erklärung dafür liefern die Entwickler selbst. Demnach sei es ihnen seit Paper Mario: Sticker Star nicht mehr erlaubt, Charaktere aus dem Super Mario-Universum zu modifizieren oder neue hinzuzufügen. Das ist allerdings keine Begründung, die Spieler verstehen müssen oder die die berechtige Kritik torpediert.
Das dürfte auch langjährige Fans der Serie freuen: Euch erwartet wieder eine größtenteils zusammenhängende und große Spielwelt! In Sticker Star und Color Splash wurde das noch über eine Levelauswahl gelöst – das kam nicht so gut an. „Größtenteils zusammenhängend“ deswegen, weil es nicht eine große Weltkarte gibt, sondern die einzelnen Luftschlangen-Gebiete doch voneinander abgegrenzt werden. Das ist aber auch sinnvoll, um den Überblick zu behalten. Über ein Röhrensystem habt ihr die Möglichkeit, zwischen Welten hin- und herzureisen. Allerdings ist Mario einen Tick zu langsam auf den Beinen, sodass Backtracking manchmal nervt.
Die Papierwelt ist wie gewohnt mit viel Liebe zum Detail gestaltet. Hier ist nichts flach und zweidimensional! Jeder Bildausschnitt sprüht vor Kreativität und Charme. Abgerundet wird die lebendige Atmosphäre von einen tollen Soundtrack.
Der Spielablauf ist allerdings relativ linear – umfangreiche Nebenquests gibt es keine. Dafür könnt ihr in der Spielwelt viele geheime Ecken und Abzweigungen finden, in denen sich meist Sammelobjekte (Toads, Schatz-Minis, Löcher oder ?-Blöcke) verstecken. Die Linearität wird durch das abwechslungsreiche Gameplay aber sehr gut ausgeglichen. In jedem Gebiet ändert sich das Thema und ihr erlebt etwas komplett Neues. In der Wüste düst ihr z.B. in einem Stiefel-Auto über die Dünen, während ihr auf dem großen Ozean in „Zelda - The Wind Waker“-Manier viele kleine Inseln erkundet. Es gibt zahlreiche Dungeons mit kniffligen Rätseln sowie solide „Jump 'n' Run“-Passagen. Außerdem lockern unterhaltsame Minispiele das Spielgeschehen zusätzlich auf.
Bis hierhin ist Paper Mario: The Origami King ein ausgezeichnetes Action-Adventure mit leichten Schwächen. Je nach Vorlieben kann sich das aber mit dem Kampfsystem ändern. Die Entwickler haben sich diesmal für innovative Puzzle-Kämpfe entschieden. Mario steht dabei in der Mitte einer Ringarena. Vor einem Angriff müsst ihr die Ringe drehen bzw. Plattformen schieben, um die Gegner in einer Reihe oder einer Gruppe anzuordnen.
Eure Züge sind limitiert und auch die Bedenkzeit ist begrenzt. Wenn ihr rechtzeitig auf die Lösung kommt, wird eure Angriffskraft erhöht und ihr könnt alle Gegner entweder mit einem Sprung (Reihe) oder Hammer (Gruppe) treffen. Die Gegner werden nicht willkürlich auf dem Schlachtfeld platziert. Eine optimale Lösung ist immer möglich, sodass ihr jeden Kampf theoretisch in nur einer Runde beenden könnt.
Das Kampfsystem ist wirklich clever und macht zu Beginn viel Spaß. Der Schwierigkeitsgrad der Puzzles variiert dabei von leicht bis sehr knifflig und erfordert eure Konzentration. Nichtsdestotrotz wird es nach einiger Zeit etwas eintönig, da trotz rundenbasierter Kämpfe taktische Tiefe nicht vorhanden ist. Das wäre zu verschmerzen, wenn die Standardkämpfe nicht so lange dauern würden. Selbst das wäre in Ordnung, wenn man einen Gegenwert für die investierte Zeit bekäme.
Da es keine Erfahrungspunkte oder ein anderes Levelsystem gibt, motivieren die Standardkämpfe nicht. Im schlimmsten Fall erwischt ihr euch dabei, wie ihr Kämpfen irgendwann bewusst ausweicht und euch über unerwünschte Encounter ärgert. Ihr erhaltet aus Kämpfen zwar Münzen, aber viele nützliche Gegenstände könnt ihr damit nicht kaufen. Das wird auch von der Tatsache bestätigt, dass ihr die meisten Münzen für überteuerte Sammelobjekte benötigt.
Wenn ihr einem Boss gegenübersteht, ändert sich das Kampfsystem noch mal komplett. Das mag auf den ersten Blick etwas verwirren, aber abgesehen davon, dass einige Bosse uninspirierte Büroartikel sind, überzeugen die Kämpfe auf ganzer Linie. Die Arena ist dann viel mehr ein Spielbrett, auf dem ihr einen Weg zum Boss kreieren müsst und dabei im besten Fall nützliche Boni einsammelt. Die Schwächen der Bosse unterscheiden sich selbstverständlich, sodass ihr immer erst die richtige Strategie herausfinden müsst. Die Bosskämpfe wirken deshalb immer frisch und es motiviert euch ungemein, wenn ihr auf die richtige Lösung kommt.
Abschließend möchten wir euch kurz und knapp eine Einschätzung geben, ob sich Paper Mario: The Origami King für euch lohnt, oder eben nicht. Ihr werdet mit dem Action-Adventure euren Spaß haben, wenn ...
Nicht sonderlich geeignet ist Paper Mario: The Origami King für euch, wenn ...
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Paper Mario: The Origami King ist für mich fast das perfekte „Paper Mario“-Abenteuer geworden. Neben der einnötigen Charaktervielfalt ist es aber ausgerechnet das Kampfsystem, das eine noch höhere Wertung vereitelt hat. Das Konzept ist ja eigentlich toll, aber nicht ganz zu Ende gedacht. Warum sollte ihr die zeitaufwendigen Kämpfe bestreiten, wenn ich eigentlich nur Nachteile davon habe? Ich investiere viel Zeit, meine Ausrüstung geht kaputt und ihr erhalte womöglich Schaden. Und das alles für Münzen, mit denen ich nicht viel anfangen kann.
Die „Paper Mario“-Reihe soll eindeutig kein Rollenspiel mehr sein – es wird ja auch als Action-Adventure beworben. Für die Zukunft wäre es meiner Meinung nur konsequent, auf halbherzige Rollenspiel-Elemente, wie z. B. rundenbasierte Kämpfe, zu verzichten, um unnötige Längen zu vermeiden. Bei Sticker Star und Color Splash war das der größte Kritikpunkt und auch die Kämpfe in The Origami King werden nicht jedem gefallen.
Das Gute ist, dass es nicht übermäßig viele Encounter gibt und selbst wenn man die meisten Kämpfe ignoriert, bleibt ein herausragendes Spiel übrig. Paper Mario: The Origami King braucht keine klassichen RPG-Elemente. Es überzeugt durch seine wunderschöne Optik, die urkomischen Dialoge, den unwiderstehlich Charme, die fordernden Bosskämpfe und das abwechslungsreiche Gameplay. Hier ist für jeden etwas dabei!
spieletipps meint: Charmant, abwechslungsreich und witzig. Hier stecken Ideen für mehrere Spiele drin! Das Kampfsystem zeigt jedoch Schwächen.
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