von Michael Sonntag (aktualisiert am Dienstag, 22.06.2021 - 12:28 Uhr)
Battle Royale galt als out, da hat CoD: Warzone das Feuer neu entfacht - und hunderttausende Spieler stellten sich erneut die Frage, wie man der Beste in diesem Spiel wird. Um sie zu beantworten, haben wir uns in die Lehre bei einem deutschen Top-Spieler begeben.
Im März 2020 veröffentlichte Entwickler Infinity Ward mit CoD: Warzone einen "Battle Royale"-Modus für CoD: Modern Warfare und legte damit einen Traumstart hin. Im Gegensatz zum Vorgänger CoD: Blackout war er deutlich arcadiger gestaltet und konnte mit seinem "Free 2 Play"-Modell gleich alle Spieler abholen, die aufgrund der Corona-Krise ohnehin ans Zimmer gefesselt waren. In CoD: Warzone spielte das keine Rolle, hier gab es kein Social Distancing, nur den unerbittlichen Kampf zwischen 150 Spielern, welcher auch auf einer metaphorischen Ebene die aktuelle Realität widerspiegelte.
Das mag der Hintergrund sein, wie ich als langjähriger Ego-Shooter-Verweigerer trotzdem zu Call of Duty und Battle Royale gefunden habe - und mir wie viele Spieler die gleiche Frage stellte: Wie werde ich gut, wenn nicht sogar der Beste in diesem Spiel? Und gibt es Meister, die einem das beibringen können? Während man diese laut der Popkultur für gewöhnlich in Klostern in den höchsten Gebirgsregionen von Tibet findet, traf ich meinen über einen Discord-Call von zuhause aus - in Gestalt eines führenden CoD-Top-Spielers.
Das Erste, was man tun muss, um gut in Call of Duty zu werden, ist einfach: „Viel spielen“, sagt Neeey, einer der besten CoD-Profis in Deutschland. Mit richtigem Name heißt er Thomas, ist 19 Jahre alt und spielt für das deutsche Team Vertex. Aber jede Karriere beginnt mit Übung, das weiß auch er, der mit zwölf Jahren angefangen hat.
„Das Erste, was man lernt, ist das Movement und der allgemeine Gunskill. Wenn man das draufhat, hat man schon die halbe Miete. Denn es bringt einem so gut wie nichts zu wissen, was man tun soll, aber man kann es nicht umsetzen“, erklärt er. Sämtliche Tricks, Handlungen und Manöver - das alles muss ins Blut übergegangen sein und automatisch ablaufen. Der Schlüssel ist Zeit und Eingewöhnung. „Gametime ist wirklich das A und O. Es sollten mehrere Stunden am Tag sein, am besten jeden Tag“, empfiehlt Neeey, der selbst durschnittlich acht Stunden am Tag spielt, in der Saison manchmal auch 14 Stunden.
„Klar, kann man seine drei Tage spielen und einen Tag Pause machen, allerdings verkürzt man dadurch den Lernprozess.“ Der Spieler muss das motorische und gametechnische Wissen ansammeln, es im Schlaf verarbeiten und am nächsten Tag sofort daran anknüpfen. Eben wie bei den kleinen Kindern, die Fahrrad fahren lernen, meint Neeey. Das Spielen wird somit reflexiver und verbraucht weniger Gehirnschmalz, so dass sich der Spieler komplett auf die Situation und seine Gegner konzentrieren kann.
Auf lange Sicht führe viel Spielen aber nur dazu, dass man „individuell ein wenig besser wird“. Will man aber zu den Besten gehören, sollte man also auch von den Besten lernen. „Man lernt einfach viel mehr beim Zusehen als beim Selberspielen. Wenn man selber spielt, verbessert man nur das, was man schon kann“, spricht der Profi-Spieler aus eigener Erfahrung. Streamer wie Scump, Formal, Crimsix oder WarsZ, das seien gute Adressen, um ein paar zusätzliche Tricks und Strategien in CoD zu lernen.
Der dritte und wichtigste Punkt ist es, immer auf einem ansteigenden Spielniveau zu spielen. Gerade hierbei sieht Neeey den größten Fehler, den viele CoD-Spieler machen, wenn sie immer auf derselben Stufe bleiben: Spielt man nur gegen schwächere Gegner, fühlt man sich zwar riesig, aber die höheren Tiere werden einen weiter auseinandernehmen. Sein Erfolgsrezept lautet deshalb: „Besser werden tut man nur, indem man gegen Bessere spielt. Man muss andere Teams herausfordern und besiegen, damit die mit dir spielen und du von ihnen lernen kannst.“
Jeder Spieler durchlaufe drei Entwicklungsstadien, in denen er sich sich von Gegner zu Gegner bis zum Meister-Niveau hochkämpfen muss: Jeder startet laut Neeey als "Casual"-Spieler, der nur zum Spaß spielt. Das sei wichtig, um das Spiel überhaupt kennen zu lernen. Diese Phase dauere ein bis zwei Jahre, eine Stufe, die viele langjährige CoD-Spieler bereits unwissentlich und automatisch mitgenommen haben werden. Der nächste Schritt auf "Ranked Play" sei allerdings sehr groß. Im Gegensatz zu Multiplayern wie League of Legends habe CoD keine richtige Basis für fortgeschrittene Spieler - ein Versäumnis, das laut Neeey damit zusammenhängt, dass Publisher Activision seit Jahren zu viele Spielergruppen gleichzeitig mit CoD ansprechen will und so die Profi-Ebene vernachlässigt.
Wer dennoch stärkere Gegner herausfordern möchte, findet sie auf externen Seiten wie Gamebattles, die Partien mit Profis und kleineren Preis-Pools anbieten. Nachdem die Spieler sich hier ebenfalls zwei bis drei Jahre behauptet haben, ist es Zeit für die offiziellen Turniere und Profi-Ligen. So wurde Neeey auf einem Turnier in Brüssel entdeckt und gelangte damit in ein Esport-Team.
Egal, ob Spieler sich nun in Warzone oder den Multiplayer von Modern Warfare stürzen - CoD ist ein Teamspiel, abgesehen von ein paar Solo-Modi. Die eigene Leistung kann noch so gut sein, der Spieler muss trotzdem im Team arbeiten können und seine Rolle sowie die der anderen kennen. „Team-Chemistry ist eine der wichtigsten Sachen, die es gibt. Wenn du fünf Leute hast, die krass sind, die sich aber überhaupt nicht verstehen, dann wird das einfach nicht funktionieren“, weiß auch Neeey, der als Teamleader die Matches koordinieren und jedes Teammitglied individuell trainieren muss.
Alles baut auf guter Kommunikation auf, was auf den ersten Blick trivial klingen mag, aber richtig umgesetzt werden müsse. Wenn er beispielsweise Fehler beim Spielen bemerkt, holt er die Leute nach der Runde sofort zusammen und spielt die Situation nach, damit die Spieler ein besseres Bild bekommen. „Wenn ich einen Fehler bemerke, versuche ich das schnell zu fixen, weil es einfach unnötig ist, wenn man weiß, was man für Fehler macht, aber man sie die ganze Zeit wiederholt, weil man nicht drüber redet“, so Neeey. Mit der Veranschaulichung könne er dann auch gewährleisten, dass alle es verstehen und nicht nur zwei und der Rest nur so halb.
Die größte Schwäche im Team stellt aber - wenn das Team über so eine Person verfügt - das schwarze Schaf dar, wie Neeey meint, „derjenige, der andere Leute mitdemotiviert, indem er Kommentare abgibt, falls die anderen schlecht spielen, die einen komplett runterziehen und das komplette Team zerstören.“ Einen solchen Fall hatte er bei der Weltmeisterschaft. Entweder man ziehe an einem Strang oder man muss sich trennen.
In CoD: Warzone wird dann das gesamte CoD-Können auf die Probe gestellt. Während im Multiplayer noch bestimmte Abläufe erkennbar sind, kommt im "Battle Royale"-Modus eine große Portion Chaos dazu. Vom Landen bis zum letzten Ring können sich tausende Situationen mit tausenden Entscheidungsmöglichkeiten ergeben. Neeey führt eine Hass-Liebe zu CoD: Warzone. Entwickler Infinity Ward habe da zwar „etwas Nices hingezaubert“, aber komme mit dem Balancing der Waffen nicht hinterher. Was nicht schlimm sei, Neeey spiele es ohnehin nur zum Spaß und überlässt das Gewinnen den anderen.
„Natürlich bin ich einer der besten Spieler in Deutschland. Aber in CoD: Warzone gibt es bessere Spieler. Das ist nochmal ein eigenes Ding.“ Eine richtige Esport-Szene hätte CoD: Warzone auch noch nicht, bisher gäbe es nur Duelle auf CheckMateGaming und exklusive Twitch-Turniere auf Einladungsbasis. Wenn er Spieler auf Battle Royale trainieren müsste, würde er vor allem mit ihnen die Landespots und Routen durchgehen, ihnen eine spezielle Bewegungsart namens "Slide Cancel" beibringen, um die Hitbox zu verkleinern, ihnen empfehlen, dem Gegner im Gulag immer den Vortritt zu lassen, um einen Vorteil zu haben und Camper nur mit Aggressivität oder C4 aus ihren Löchern zu holen. Aber trotz perfektem Movement und Waffenkenntnis gäbe es am Ende kein absolutes Erfolgsrezept, da CoD: vor allem ein Glücksspiel sei.
„Man kann alles perfektionieren, aber sehr viele Sachen kannst du nicht steuern. Wenn's klappt, dann klappt's. Wenn nicht, dann nicht. Du kannst einen Spielverlauf nicht (kontrollieren) oder (vorhersagen)“, erklärt er. „Aber du kannst ihn beeinflussen.“ Tricks anwenden, den Standort wechseln, alle Möglichkeiten ausschöpfen, den Gegner richtig einschätzen - Manchmal reicht ein kleiner Faktor in CoD: Warzone aus, um die Situation anders ausgehen zu lassen. In dem einen Fall stellte er mit seinem Team einen Weltrekord auf, bei dem jedes Mitglied mehr als 30 Kills gemacht hat. In dem anderen Fall verlor er haushoch dutzende Male hintereinander. Egal, wie es kommt, das sei für ihn Entspannung von den Wettkämpfen, in denen er sonst 200 Prozent geben muss.
Wir konnten von einem der besten CoD-Spieler einige Tricks lernen. Wir bedanken uns recht herzlich bei Neeey und wünschen ihm noch viel Erfolg bei seiner Karriere. Über eine weitere Lehrstunde würden wir uns allerdings sehr freuen.
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