von Jens-Magnus Krause (Mittwoch, 06.10.2021 - 13:00 Uhr)
Ubisofts neuer Open-World-Shooter ist wie ein Großstadt-Imbiss: Pizza, Döner und Schnitzel schmecken am selben Ort O.K. Aber neben dem Highlight-Gericht namens Gunplay bleibt ein fader Beigeschmack: Far Cry 6 möchte zu viel auf einmal sein. Reicht das für eine paradiesische Wertung?
Überblick zu Far Cry 6
Spielzeit: 15 - 25 Stunden
Waffen: 8 Waffentypen und über 60 Schießeisen
2 Schwierigkeitsgrade: Story (nahezu unsterblich) und Action (normal)
Fiktive Spielwelt: Tropische Insel Yara in der Karibik
Tageszeiten: Dynamischer Tag-Nacht-Wechsel
Der Anfang von Far Cry 6 hat mich an den Beginn von Metal Gear Solid 5 - The Phantom Pain erinnert: ein linearer, abwechslungsreicher und serienuntypischer Einstieg samt Zwischensequenzen.
Dabei sammelt ihr in der fiktiven Karibik-Region Yara eure erste Pistole am Strand auf und spürt bei den folgenden Schüssen und Kills das brachiale und zielgenaue Gunplay. Gerade auf der PS5 mit den adaptiven Triggern ist das Zielen und Feuern eine Genugtuung.
Dadurch steigen Sturmgewehr, MG und Improwaffen (wie eine Nagelkanone) zum eigentlichen Protagonisten von Far Cry 6 auf. In Anlehnung an Just Cause 4 gibt es auch wahnwitzige Waffen wie einen Raketenwerfer im Rucksack-Design, der gegen Panzer und Hubschrauber allerhand Chaos anrichtet. Auch optisch sehen die Waffen edel aus, ihr möchtet sie am liebsten anfassen.
In euren Lagern könnt ihr an Werkbänken eure Waffen durch Aufsätze wie Zielfernrohre und unterschiedliche Munitionstypen aufwerten. Einziges Manko: der Effekt der Aufsätze fällt gering aus.
Wie in den Vorgängern gibt es einen polarisierenden Oberbösewicht. Dieses Mal hört er auf den Namen Antón Castillo. Und der brillierende US-Schauspieler Giancarlo Esposito geht in dieser Rolle voll auf. Skrupellos geht er vor, selbst gegenüber seinem 13-jährigen Sohn Diego.
Wie es sich für einen klischeehaften Diktator mit Hang zum Nationalismus gehört, beutet er die Einwohner Yaras eiskalt aus: Für die Herstellung seines Krebsmedikaments Viviro muss jeder in Ungnade gefallene Bürger herhalten. Die Ironie an der Geschichte: Beteiligte an der Produktion erkranken selbst an Krebs.
Wortwörtlich schmeißt euch der Entwickler in diese feindliche Umgebung: Ihr strandet auf der Insel Yara, wahlweise als weiblicher oder männlicher Protagonist Dani. Ihr wolltet eigentlich nur zurück nach Miami, jetzt seid ihr als Widerstandskämpfer ein tragischer Held und Teil der Rebellengruppe Libertad.
Ein dauerhaftes Problem in der Story: Castillo bekommt zu wenig Sendezeit, was ihn zu selten bedrohlich wirken lässt. Ab und zu fühlt ihr mit dessen bemitleidenswerten Sohn mit, aber alle anderen Charaktere auf der bösen Seite bleiben blass und austauschbar.
Letzteres gilt auch für das Lager der Guerillakämpfer, deren Verhalten leider nicht zum Ernst der Lage mit den vielen unschuldigen Opfern passt: Hier ein abgehaltener und in bester Tekken-Manier inszenierter Hahnenkampf, dort ein bunter Vogel in Gestalt des Ex-KGB-Spions Juan Cortez, inklusive Hawaii-Hemd, überhöhtem Alkoholkonsum und zu sehr gewollten, aber unlustigen Einzeilern in jeder Gesprächssituation.
Es fühlt sich alles zu aufgesetzt, zu bemüht und zu überdreht an. Die Hauptkonsequenz daraus: Ihr könnt euch mit den Freiheitskämpfern nur schwer identifizieren, geschweige denn mitfühlen. Die eingestreuten Schockmomente à la Call of Duty: Modern Warfare helfen da auch nicht.
Spielerisch bleibt Far Cry 6 dem Konzept der Vorgänger treu: In nahezu jeder Mission müsst ihr eine Basis von Gegnern befreien, Alarme deaktivieren oder etwas zerstören. Vorab einen Militär-Truck besorgen stellt da schon die große Ausnahme dar.
Dazu kommt, dass es auf Dauer eine Herausforderung ist, sich auf eine taktische Vorgehensweise einzulassen. Denn die Erfahrung zeigt: früher oder später entdeckt euch jemand.
Dann spielt es keine Rolle mehr, wie toll ihr mit eurer Handykamera die Gegner, Alarme und Kameras markiert habt. Aufgescheuchte Widersacher interessiert es auch nicht, dass ihr doch bereits fünf von neun Feinden mit lautlosen Macheten-Kills erledigt oder welche Munition ihr für euren Einsatz hergestellt habt. Hier würde dem Spiel eine Quick-Load-Funktion guttun.
Wenn ihr per Fallschirm in derselben Basis landet, der antreibende Soundtrack einsetzt und ihr in Rambo-Manier losballert, geht es schneller und es macht nicht weniger Spaß. Das wiederum kastriert den Schleich-Ansatz des Spiels. Das gipfelt über kurz oder lang in einer „ist mir doch egal“-Einstellung. Minutiöses Auskundschaften und kluges Vorgehen verkümmern zu aufeinanderfolgenden Gegnerwellen, die ihr niedermäht.
Kennt ihr vielleicht aus dem Vorgänger: Ihr schleicht euch in einer Mission an einen Gegner heran und plötzlich fällt euch ein wildes Tier an. Mann, war das nervig. Das passiert euch in der bunten Karibik-Open-World nun nicht mehr.
Lästige Wege zu Fuß fallen jetzt auch nicht mehr an, da es ein Überangebot an Fortbewegungsmitteln gibt: Auf Knopfdruck könnt ihr euer individualisierbares Auto herbeirufen oder ihr schnappt euch ein herrenloses Pferd und reitet in der Ego-Perspektive der Sonne entgegen.
Gerade Letzteres geht auf Next-Gen-Konsolen in der optisch ansprechenden Tier- und Pflanzenwelt exzellent. Palmen und Sträucher wehen im tropischen Klima im Wind, die dunkelrote Sonne versinkt im Meer und nachts erhellen eure Scheinwerfer die Feldwege.
Wenn ihr erstmal die ganzen Tutorial-Einblendungen überstanden habt, nerven euch keine aufpoppenden Events mehr, ihr könnt in Ruhe euer nächstes Ziel samt Belohnung planen.
Das größte Problem bei Far Cry 6 ist, dass es so vieles sein möchte, ohne sich dabei festzulegen. Ihr könnt Chaos-Ballereien anzetteln in denen ihr einen der freispielbaren Amigos, zum Beispiel ein Krokodil, auf Gegner hetzt.
Ihr könnt schleichen, reiten, jagen, angeln oder mit dem Panzer alles umfahren. Dazu sammelt ihr Schießpulver für Waffenverbesserungen, findet neue Klamotten mit eigener Levelstufe, tretet in Hahnenkämpfen an, rekrutiert Gefangene und nehmt Luftabwehr-Stützpunkte ein.
Ihr könnt in Online- und Koop-Missionen antreten, daneben gibt es klassische Nebenmissionen, die die Geschichten rund um Yara vertiefen, wobei es zu häufig letzten Endes aber nur ums Ballern geht. Ihr könnt auf Schatzsuche gehen, ähnlich wie die Prepper-Verstecke in Far Cry 5 nur mit mehr Suchaufwand und besseren Belohnungen.
Zusätzlich könnt ihr Guerilla-Lager durch das Sammeln von Gegenständen ausbauen, ähnlich wie in The Division 2.
Letzten Endes ist das Spiel von der Ubisoft-Formel mit all seinen Freiheiten und repitiviten Nachteilen durchzogen bis ins Mark. Das ist stellenweise überfordernd viel, bietet auf der anderen Seite aber auch die genannten Freiheiten, die jedoch nicht ausreichend erklärt sind.
Hier möchten wir euch kurz und knapp eine Einschätzung geben, ob sich Far Cry 6 für euch lohnt, oder eben nicht.
Ihr werdet mit Far Cry 6 euren Spaßen haben, wenn ...
Nicht sonderlich geeignet ist Far Cry 6 für euch, wenn ...
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Mir tut es in der Seele weh, dass Far Cry 6 zu folgender Redewendung passt: Was sich dieser Ego-Shooter an einer Stelle aufbaut, schmeißt er mit dem Hintern an einer anderen direkt wieder um.
Wenn ich mich bewusst auf das Schleichen einlasse, funktioniert es richtig gut und lautlose Macheten-Kills befriedigen. Aber in neun von zehn Fällen entdeckt mich irgendein Gegner oder eine Kamera und alles endet wieder in wilden, aber vor allen Dingen ungewollten Ballereien. Das frustriert. Zumal es zahlreiche KI-Aussetzer auf beiden Seiten gibt, die der Qualität des Spiels nicht gerade helfen.
Auch die Story ist gut und schlecht zugleich. Der exzellent geschauspielerte Diktator ist ein schönes Hassobjekt, jedoch taucht er viel zu selten auf, um einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen. Generell ist die Geschichte von Freiheitskämpfern nicht neu und der Aufbau in Wildlands-Manier bedeutet das Ausschalten von einem Zwischenboss nach dem nächsten.
Ich habe zu jeder Zeit gespürt, dass die Entwickler eine Prise Chaos aus Just Cause 4, eine Scheibe Gunsmith aus Call of Duty: Modern Warfare und eine Story-Mischung aus Ausbeutung und Revolution in einen Topf geworfen haben. Alles gute Zutaten, aber nichts Neues.
Der heimliche Star von Far Cry 6 ist für mich dagegen das Waffenhandling. Jedes Schießeisen fühlt sich schwer, mächtig und bedrohlich an. Und klingt auch so. Die Vielfalt an Waffen ist groß und das Verbessern motiviert, auch wenn es nur geringe Effekte erzielt.
Die offene Spielwelt ist hübsch anzuschauen, abwechslungsreich und ihr könnt zahlreichen Aktivitäten nachgehen. Mir persönlich ist dieses Konzept inzwischen aber zu altbacken. Und gleichzeitig auch zu überladen. Was ich nicht alles machen kann und soll.
Mir wäre ein im Umfang reduziertes Spiel lieber gewesen, was dann aber eine weniger klischeebehaftete Story und ein deutlich abwechslungsreicheres Missionsdesign geboten hätte. Denn die repetitiven Aufgaben sind auf Dauer schlichtweg langweilig. Gerade, wenn man den Vorgänger gespielt hat.
Irgendwie bin ich das Gefühl nie losgeworden, einen an den richtigen Stellen optimierten, aber leider auch nur minimal variierten Nachfolger zu spielen.
spieletipps meint: Far Cry 6 bietet starkes Gunplay, aber inkonsequente Story- und Gameplay-Erfahrungen. Alles ist etwas drüber, alles etwas überladen.
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