von Sergej Jurtaev (Mittwoch, 26.01.2022 - 15:00 Uhr)
Der erhoffte große Sprung von 3DS zu Switch hat sich inhaltlich bei den Pokémon-Spielen bislang nicht gezeigt. Alles blieb beim Alten: Die bekannte Formel, Remakes, wenig Risiko, technisch antiquiert. Bis jetzt. Denn Pokémon-Legenden: Arceus verspricht viel neu zu machen. Ob dieser neue Ansatz auch Spaß macht, klären wir in unserem Test.
Überblick zu Pokémon-Legenden: Arceus
Multiplayer: nein
Switch-Online-Funktionen: ja
Speicherdaten-Cloud: nicht kompatibel
amiibo-Support: nein
Pokémon-Legenden: Arceus spielt in der Vergangenheit der Sinnoh-Region, als diese noch als Hisui-Region bekannt war. Der Pokéball wurde gerade erst erfunden, Pokémon-Trainer gibt es kaum welche, geschweige denn Arenen oder eine Pokémon-Liga. Als neues Mitglied der Galaktik-Expedition werdet ihr mit der Aufgabe betraut, die Region zu erforschen und alle Pokémon zu fangen, um den ersten Pokédex zu erstellen – diesmal natürlich in Buchform. Wenn ihr zuvor das Remake zu Diamant und Perle gespielt habt, werdet ihr Freude daran haben, bekannte Orte in der Vergangenheit zu entdecken. Außerdem machen die Pokémon der vierten Generation den größten Teil des Pokédex' aus.
Nebenbei entwickelt sich auch die eigentliche Handlung des Spiels, bei der ihr Phänomene untersucht, die die sogenannten Könige und Königinnen (besondere Monster der Region) in Raserei versetzen. Was dahinter steckt, gilt es herauszufinden. Ihr müsst dabei immer wieder mit dem Diamant-Clan und dem Perl-Clan zusammenarbeiten, die sich jedoch gegenseitig nicht wohlgesonnen sind. Überraschenderweise gibt es recht viele wichtige Figuren, mit denen ihr im Laufe der Geschichte interagiert und zahlreiche Dialoge führt. Die Story bleibt zwar weiterhin nicht DAS Verkaufsargument für ein Pokémon-Spiel, aber sie ist interessanter als die formelhafte Pokémon-Reise der Hauptreihe.
Das, was Breath of the Wild für die Zelda-Reihe war, könnte Arceus für die Pokémon-Reihe werden: Nämlich ein Bruch mit den Konventionen, der der Serie neues Leben einhaucht. Abgesehen von der angestrebten, aber nicht ganz erreichten Ästhetik ist Breath of the Wild nicht der passende Vergleich. Anders als es lange Zeit den Anschein machte, handelt es sich bei diesem Pokémon-Abenteuer nämlich nicht um ein „Open World“-Spiel.
Pokémon-Legenden: Arceus erinnert vom Aufbau her stattdessen sehr stark an Monster Hunter. Jubeldorf dient euch als Hub-Welt, wo ihr Händler aufsucht, die Werkbank benutzt, Früchte anbaut oder die zahlreichen Nebenmissionen der Bewohner annehmt. Habt ihr alle Vorbereitungen getroffen, brecht ihr in eine der fünf großen Regionen auf, um der Story zu folgen, die Aufträge zu erledigen oder einfach die Gegenden zu erkunden und Pokémon zu fangen.
In den relativ großen Gebieten sucht ihr nicht nur nach Pokémon, die übrigens innerhalb einer Art unterschiedlich groß sein können, sondern auch nach Ressourcen. Ihr baut Erz ab, sammelt Pflanzen oder findet seltene Entwicklungssteine. Mit den Ressourcen könnt ihr euch dann Pokébälle, Tränke oder praktische Utensilien wie Rauchbomben oder Köder für die Pokémon-Jagd craften.
Wenn ihr euch vorsichtig an die Monster heranpirscht, könnt ihr Pokémon ganz ohne Kampf fangen. Ihr holt einfach einen Pokéball aus und werft ihn aus der Ferne auf euer Ziel. Um einen Pokédex-Eintag zu komplettieren, müsst ihr verschiedene Aufgaben erfüllen, wie zum Beispiel das Fangen mehrerer oder bestimmter Exemplare eines Pokémon. Die Fangrate ist sehr großzügig, da das Gameplay darauf ausgelegt ist, dass ihr schnell viele Monster schnappen könnt. Diese neue Pokémon-Jagd macht großen Spaß und ist sehr motivierend, da das Vervollständigen des Pokédex' für jeden Spieler ein erreichbares Ziel ist.
Bemerkt euch ein Pokémon und zeigt sich aggressiv, wird es den Pokéball abwehren. Dann könnt ihr mit einem Tastendruck zu eurem Team wechseln. Mit den Schultertasten sucht ihr euer Start-Monster aus und werft – ähnlich wie zuvor – den Pokéball auf das wilde Pokémon, wodurch es zum Kampf kommt. Ihr könnt hier wie gewohnt das Pokémon besiegen, flüchten oder es fangen. Ziemlich cool ist, dass ihr während der Kämpfe eure Figur sowie die Kamera frei bewegen dürft. Es ist sogar möglich, in die Attacken der Monster zu laufen. Das sorgt für neue immersive Pokémon-Kämpfe und trägt auch zum Spielfluss bei. Während eurer Monster beispielsweise zum finalen Schlag ausholt, könnt ihr schon das Geschehen verlassen und weiterziehen.
Überraschenderweise ist Pokémon-Legenden: Arceus nicht ganz so leicht. Erfahrene Spieler werden natürlich keine Probleme haben, aber selbst trotz großer Levelunterschiede teilen die Gegner kräftig aus. Vor allem in den wenigen Trainer-Kämpfen werden eure Pokémon k.o. gehen.
Ein Grund dafür ist das neue taktische Element der Tempo- und Kraft-Technik. Meistern Pokémon eine Attacke könnt ihr neben der normalen Ausführung zwischen dem Tempo- und Kraft-Stil wählen. Tempo ist schwächer aber schneller, während Kraft stärker aber langsamer ist. Das machen sich natürlich auch die Gegner zunutze und sind dadurch unberechenbarer. Ebenfalls toll ist die neue sichtbare Zugreihenfolge, die ihr aus japanischen Rollenspielen kennt. Ihr seht dadurch, wer wann dran ist und welche Attacken die Reihenfolge beeinflussen. Eine Attacke im Tempo-Stil kann die Reihenfolge zum Beispiel so ändern, dass ihr zweimal nacheinander angreifen könnt.
Für den Casual-Spieler bietet Pokémon-Legenden: Arceus spannendere Kämpfe mit mehr Taktik. Dem Hardcore-Fan wird aber schnell auffallen, dass auch viel fehlt. Der Großteil der etablierten Attacken wurde nämlich gestrichen. Movesets der Monster werden sich im späteren Verlauf deshalb bemerkbar wiederholen.
Fans werden vielleicht noch ein paar andere bekannte Features, wie die Zucht vermissen. Im Großen und Ganzen kann sich Pokémon-Legenden: Arceus inhaltlich aber nicht viel vorwerfen lassen. Die Gebiete hätten im Design mehr Abwechslung vertragen können, aber sonst ist es ein richtig gelungenes Spin-off!
Das große „Aber“ sind leider wie befürchtet die Grafik und Technik des Spiels. Der Grafikstil ist natürlich Geschmacksache und sieht stellenweise auch ganz schick aus. Ihr müsst euch aber mit sehr vielen matschigen Texturen und gewöhnungsbedürftigen Spiegelungen begnügen, die Felsen einen violetten oder giftgrünen Anstrich verpassen.
Darüber kann man vielleicht noch hinwegsehen, aber eine Entschuldigung für grauenhafte Performance gibt es keine. Die Bildrate ist nicht stabil, Kantenflimmern und etliche Grafikbugs im Bezug auf Schatteneffekte fallen auf. Wenn auf dem Bildschirm etwas mehr los ist, sieht man an der Qualität der Modelle, dass die Auflösung gedrosselt wird. Am schlimmsten ist jedoch die Weitsicht: Die Welt baut sich quasi vor euren Augen auf und ihr bermerkt stets, wie das Gras aus dem Nichts wächst oder sich die Detailebenen der Gebirgsstrukturen ändern. Wenn ihr auf eurem Reittier in Höchstgeschwindigkeit durch die Landschaften düst, werden euch die Probleme bestens vorgeführt.
Abschließend möchten wir euch kurz und knapp eine Einschätzung geben, ob sich Pokémon-Legenden: Arceus für euch lohnt, oder eben nicht. Ihr werdet mit dem Rollenspiel euren Spaß haben, wenn ...
Nicht sonderlich geeignet ist Pokémon-Legenden: Arceus für euch, wenn ...
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Wow! Pokémon-Legenden: Arceus hat mich ziemlich überrascht. Der neue Ansatz gefällt mir richtig gut und ich schätze vor allem den zügigen Spielfluss. Das Fangen, Kämpfen, Craften, Reisen – alles geht ruckzuck und es gibt keine Wartereien. Selbst kleinere Konventionen hat Game Freak über Bord geworfen, um für mehr Komfort zu sorgen. So könnt ihr jederzeit im Menü die Movesets eurer Monster anpassen und müsst keinen Attacken-Erinnerer aufsuchen. Wenn ihr nach Jubeldorf zurückkehrt, werden eure Pokémon automatisch geheilt. Und wenn ein Pokémon seine Entwicklungsbedingung erfüllt, entwickelt es sich nicht ungefragt. Falls ihr es entwickeln möchtet, könnt ihr das über das Statusmenü den Zeitpunkt selbst bestimmen. Das sind nur drei Beispiele von vielen kleinen Anpassungen.
Pokémon-Legenden: Arceus ist für mich das beste Pokémon-Spiel auf Nintendo Switch und selbst konsolenübergreifend weiß ich gar nicht, wann ich das letzte Mal so viel Spaß mit Pokémon hatte. Nichtsdestotrotz muss ich aufgrund der technischen Defizite eine Abwertung vornehmen, die einen spieletipps-Award verhindert. Ich war anfangs stark irritiert, wie schlecht die Weitsicht ist. Das lenkt ab und macht die Immersion einer lebendigen Spielwelt kaputt. Ich habe mich irgendwann dran gewöhnt, aber das sollte nicht Sinn der Sache sein. Liebe The Pokémon Company, gebt euren Entwicklern bitte etwas mehr Zeit!
spieletipps meint: Pokémon-Fangen hat noch nie so viel Spaß gemacht! Eine gelungene Neuausrichtung, die aber wegen technischer Defizite nicht mit einem Award belohnt werden kann.
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