von Jens-Magnus Krause (Mittwoch, 02.02.2022 - 16:00 Uhr)
Dying Light 2 erinnert bei jeder Mission an Open-World-Spiele à la Ubisoft, an die Zombie-Epidemie aus Dead Island oder an emotionale Charaktere aus The Last of Us 2. Diese Inspirationsmischung hat Vor- und Nachteile.
Der Schauplatz von Dying Light 2 steht nicht ohne Grund am Anfang dieses Tests. Zwar mag die fiktive Stadt Villedor von Zombies befallen sein und elendig brach liegen, aber sie verursacht keine Instant-Depressionen.
Im Gegenteil: Die in zwölf Bezirke unterteilte Welt ist ein lebendiger, rebellierender Open-World-Spielplatz. Hier sind die prunkvollen und gleichzeitig desolaten Häuserfassaden und -dächer zum Klettern da.
Und nur hier taucht ihr in eine Art modernes Mittelalter ein: ihr tragt ein Kettenhemd, platziert am Wolkenkratzer eine C4-Ladung und ganz da hinten sammelt ihr eine starke Waffe auf – nämlich ein modifiziertes Abflussrohr. Schusswaffen? Nahezu Fehlanzeige.
Dafür lungern überall Untote rum. Am Tag leicht zu umkurven, in der Nacht aggressiv, furchteinflößend, tödlich. Daneben gibt es zwei großen Fraktionen im Spiel: die Peacekeeper (Ex-Soldaten) und die Survivors (alle anderen). Sie verhalten sich wie zwei verfeindete Mafia-Familien: alles und jeder ist suspekt, ist ein Verräter oder hat Schuld an irgendwas.
In diesem apokalyptischen Ökosystem steuert ihr Hauptcharakter Aiden Caldwell im Jahr 2036. Zeitlich gesehen findet alles 22 Jahre nach der Isolation der fiktiven türkischen Stadt Harran im Vorgänger statt und 15 Jahre nachdem das Virus die ganze Welt befallen hat.
Als Pilger habt ihr 2.000 Kilometer Fußmarsch hinter euch, um lebend in Villedor anzukommen. Die nun erzählte Geschichte verfolgt simple Motive, ist aber immer wieder passend in die Haupthandlung eingebunden.
In Rückblenden, wovon einige spielbar sind, erlebt ihr Aiden und seine Schwester Mia in einem Krankenhaus. Kein gewöhnliches, denn Oberbösewicht Waltz Herder führt dort an lebenden Kindern Virus-Versuche durch.
In den Wirren eines Großbrandes trennen sich Mias und Aidens Wege. Diese traumatischen Ereignisse laden euch als Spieler stets zum Mitfühlen ein. Ihr spürt Trauer und Verzweiflung, aber auch Wut und Rachegelüste steigen in euch auf. Jahre später hat Aiden deshalb nur noch zwei Ziele: Mia retten und Waltz vernichten.
Es ist ermüdend, die ersten Stunden in Dying Light 2 zu überleben. Und das nicht wegen des einstellbaren, aber immer fordernden Schwierigkeitsgrades. Oder der sich träge anfühlenden Kämpfe mit wenig Überblick.
Das liegt daran, dass ihr selbst nach acht Stunden Spielzeit immer noch in Ubisoft-Manier neue Elemente mit drei Screenshots und Textkästen erklärt bekommt. So wie die aus Far Cry bekannten und einnehmbaren Banditencamps. Oder das Auffinden von Safe Houses à la The Division 2.
Kurzum: In diesem Spiel steckt zu viel Ubisoft-Formel, was das Spiel zwar länger, aber keinesfalls attraktiver macht. (Anmerkung: Natürlicht stammt das Spiel nicht von Ubisoft, sondern von Techland. Das macht die Ähnlichkeit aber umso auffälliger.)
Richtig Laune macht dagegen die Fortbewegung im Parkour-Stil. Ihr rennt los, springt von Dach zu Dach und klettert Regenrinnen unter Schultertasten-Einsatz hoch.
Mit freispielbaren Fähigkeiten wie Wall-Runs oder vertikales Hochrennen an Häuserfassaden, kommt ihr in einen Flow, der so viel Spaß macht, wie das Umherschwingen in Spider-Man: Miles Morales.
Kämpfen ist in Dying Light 2 mit Nahkämpfen gleichzusetzen. Die freispielbare Armbrust oder die herstellbare Schrotflinte sind die Ausnahmen der Regel.
Viel häufiger fuchtelt Aiden mit einer modifizierten Machete herum, die den Gegnern Stromschläge verpasst. In den Duellen könnt ihr gegnerische Angriffe blocken oder kontern, was aufgrund der Trägheit nicht immer funktioniert. Ausweichen ist besser.
Die Ego-Perspektive ist dabei euer Freund und Feind zugleich. Dank ihr schaut ihr euren Gegnern beim Kämpfen ins Gesicht, was alles herrlich intensiv erscheinen lässt. Gleichzeitig ist das zu enge und nicht einstellbare Field-of-View kontraproduktiv gegen mehrere Gegner, weil euch der Überblick fehlt.
Manche Gegner sind flink und blocken viel, mächtigere Gegner wie den muskelbepackten Demolisher-Zombie könnt ihr wiederum nicht blocken und müsst um sie herumtänzeln. Dennoch fehlt es an Abwechslung, denn Draufkloppen funktioniert immer. Die häufigen Bosskämpfe sind herausfordernd, taktisch aber anspruchslos.
Schade ist, dass es euch auf Dauer völlig egal ist, welche Nahkampfwaffe ihr benutzt. Hauptsache sie macht viel Schaden. Da waren selbst die Unterschiede von Dolchen und Kurzschwertern bei Assassin’s Creed: Odyssey bedeutsamer.
Und da ihr euch hier in einem Survival-Kosmos bewegt, hat jede Waffe nur eine begrenzte Lebensdauer. Spielspaßfördernd ist das erstmal nicht.
Ein alter Bekannter aus dem sieben Jahre alten Vorgänger ist die Ausdauerleiste. Sowohl im Kampf, als auch beim Klettern, ist diese zu Spielbeginn schnell leer.
Aber Ausdauer und Gesundheit lassen sich dank sammelbarer „Hemmstoffe“ verbessern. Mit jedem Upgrade erhöht sich auch eure Immunität. Anfangs könnt ihr drei Minuten in der Dunkelheit bis zum Bildschirmtod unterwegs sein, mit jeder Verbesserung 30 Sekunden länger.
Wer neue Parkour- oder Kampf-Fähigkeiten freispielen möchte, muss nichts anderes tun, außer zu kämpfen oder über Dächer zu hüpfen. Eine elegante Lösung ohne umständliche Anforderungen. Jede Verbesserung steigert den Spielspaß enorm!
Immer wieder nimmt euch ein Charakter im Spiel unter seine Fittiche. Anfangs ist es Hakon, ein menschlicher Nightrunner, später Sophie und ihre Gang oder auch ein höherrangiger Offizier der Peacekeeper.
Alle Figuren kommen in den Dialogen glaubwürdig daher, aber niemals erreicht Entwickler Techland die Charaktertiefe eines GTA 5 oder The Last of Us 2. Trotzdem wachsen sie euch ans Herz.
Bei den Missionen bekommt ihr es klassisch mit Haupt- und Nebenquests zu tun. Mal müsst ihr Bomben an einer feindlichen Windmühle anbringen, ein anderes Mal sechs Holzkisten nach Kristallen durchsuchen, während euch die Zombies ans Leder wollen. Einfallsreich ist anders, aber gerade ein Stealth-Spielstil weiß mit seinen Takedowns und dem Agieren aus hohem Gras heraus Gras zu überzeugen.
Daneben markiert ihr via Fernglas Windmühlen, die nach dem Erklimmen als Safe Zones dienen. Dann könnt ihr dort Equipment verstauen oder ein Nickerchen einlegen. Letztere erfüllen eine wichtige Funktion.
Beim Schlafen schreitet die Zeit voran. Das ist wichtig, weil nachts eure Umwelt eine gänzlich andere ist. Dann sind die fiesen Zombies aggressiv und – sagen wir mal – anhänglich.
Hat euch eine große Anzahl bemerkt, geht der adrenalingeladene Sprint zum nächsten Unterschlupf los. Die Eingänge sind mit UV-Lichtstrahlern gesichert, deren Lichtwellen die Zombies überhaupt nicht vertragen. Merke: Viele Missionen sind tagsüber leichter, andere müssen laut Handlung nachts stattfinden.
In den gesicherten Gebäuden, so auch die Zentrale der Survivor namens Basar, kümmert ihr euch um die anderen RPG-Elemente des Spiels. Hier könnt ihr in Ruhe aus gesammelten Zutaten wie Honig und Kamille ein Medikit craften, beim Händler neue Waffen kaufen oder euren erhaltenen Loot im Inventar ausrüsten.
Trotz Fortschritten auf vielen Ebenen erzeugt Dying Light 2 bei euch ein selbstgemachtes Motivationsproblem. Denn wenn ihr nach zehn Spielstunden immer noch auf Charakterlevel zwei rumdümpelt, ist das schlichtweg ernüchternd.
Gefühlt erhaltet ihr für alle Quests zu wenig Erfahrungspunkte. Zusätzlich ist jedes Charakterlevel in sechs Blöcke unterteilt. Es dauert lange jeden Abschnitt durch XP zu füllen. Wäre jeder Block ein eigenes Level, wäre das Problem gelöst.
Zur Einordnung müsst ihr wissen, dass ihr für die Bezirke gegen Ende des Spiels Level fünf bis sechs benötigt. Aber selbst sinnvolles Zubehör, wie den Enterhaken oder den Gleitschirm, erhaltet ihr zu spät im Spiel. Das verbaut euch Spielspaß, der der Handlung gut zu Gesicht gestanden hätte.
Erobert ihr wichtige Gebäude wie den Wasserturm, könnt ihr diese in die Hände der Peacekeeper oder Survivor legen. Daraufhin stattet die jeweilige Fraktion die Umgebung mit Sprengfallen oder mit mehr Parkour-Elementen aus. Praktisch!
Auch in vielen Dialogen müsst ihr euch gezwungenermaßen auf eine Seite schlagen. Entweder helft ihr den Leuten oder nicht. Letzteres führt zum Kampf. Das Ergebnis dieser Geschichten lautet: Dying Light 2 hat unterschiedliche Story-Enden.
Hier möchten wir euch kurz und knapp eine Einschätzung geben, ob sich Dying Light 2 für euch lohnt, oder eben nicht.
Ihr werdet mit Dying Light 2 euren Spaß haben, wenn …
Nicht sonderlich geeignet ist Dying Light 2 für euch, wenn …
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Dying Light 2 hat in meinen Augen für jeden etwas zu bieten. Die wichtigste Frage ist aber: Wie viel davon schmeckt dem Einzelnen und wie viel nicht? Das liegt daran, dass ich beim Testen immer wieder an überladene Spiele mit der Ubisoft-Formel (Open-World, zigtausend Aktivitäten), aber auch an Perlen wie The Last of Us 2 oder GTA 5 erinnert wurde.
Das Gute an diesem Mix ist: Die Entwickler schaffen es, ein funktionierendes Gesamtkonstrukt daraus zu stricken. Die Parkour-Fortbewegung mit ihrer Vertikalität macht von Beginn an Spaß und mit jedem Level-Aufstieg erhöht sich dieser exponentiell.
Leider führt dieses Zusammenwerfen von Funktionen der Vorbilder aber auch hier und da zu gameplaytechnischen Dissonanzen. Die Kämpfe fühlen sich zwar intensiv, aber auch träge an. Es fehlt an Abwechslung. Und wie soll ich mich auf engstem Raum gegen zwei Gegner heilen, wenn eine Heilung drei bis vier Sekunden dauert und jeder Treffer den Vorgang von vorne beginnen lässt?
Und wenn ich nach zehn Stunden Spielzeit immer noch Tutorial-Einblendungen bekomme und auf Charakterlevel 2 festhänge, hält sich meine Motivation zum Weiterspielen in Grenzen. Dieses Spiel hat für mich ein offensichtliches Pacing-Problem. War leider zu erwarten, wenn die Gesamtspieldauer 500 Stunden betragen soll.
Dennoch: Durch die klassischen RPG-Elemente, das Abhaken aller Quests, den Tag-Nacht-Zyklus, die nachvollziehbaren Charaktere samt Motiven und die schön anzusehende Spielwelt in guter Grafik auf den Next-Gen-Konsolen, hat mich das Spiel immer wieder vor den Bildschirm gezogen, wo ich in allen Belangen nichts weltbewegend Neues, aber viel Unterhaltsames erlebt habe.
spieletipps meint: Dying Light 2 ist ein gutes, aber kein sehr gutes Open-World-Zombie-Spiel. Klasse Parkour-Einlagen, aber abwechslungsarme Kämpfe.
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