Gran Turismo 7

Test Gran Turismo 7: Retro-Feeling trifft auf Realismus-Fahrgefühl

von Jens-Magnus Krause (Mittwoch, 02.03.2022 - 12:00 Uhr)

In Gran Turismo 7 erlebt ihr anspruchsvolle Simulationsrennen im zurückkehrenden Karrieremodus. Ansonsten pendelt der Real Driving Simulator zwischen retro und altbacken, zwischen Realismus und Immersionsverlust. Überzeugt dieses Gesamtwerk?

Gran Turismo 7 überzeugt durch seine präzise Steuerung und spannende Überholmanöver.
Gran Turismo 7 überzeugt durch seine präzise Steuerung und spannende Überholmanöver.

Überblick zu Gran Turismo 7

  • Karriere-Modus für Einzelspieler kehrt zurück
  • Simulationsgameplay ohne Rückspulfunktion
  • Dauerhafte Internetverbindung notwendig, auch für Karrieremodus
  • 424 Autos (GT5 hatte über 1.000)
  • 34 Rennstrecken (real und fiktiv)
  • 300 Songs
  • Drei KI-Schwierigkeitsgrade und diverse zuschaltbare Fahrhilfen

Ein Café ist der Mittelpunkt von Gran Turismo 7

Fünf Jahre nach dem reinen Mehrspieler-Vorgänger GT Sport, hat die PlayStation endlich ihr exklusives Hausmarke-Rennspiel zurück. Mit der Veröffentlichung von Gran Turismo 7 auf PS4 und PS5 startet die Serie gleichzeitig ins Next-Gen-Zeitalter.

In Bezug auf die neue Generation fühlt sich Gran Turismo 7 als Einzelspieler beim Start geradezu klassisch und vertraut an. Das liegt daran, dass pünktlich zum 25. Geburtstag des Real Driving Simulator der Karriere-Modus neun Jahre nach Gran Turismo 6 zurückkehrt.

Dabei ist die World Map, so wie früher im GT-Modus, in eurer Karriere die zentrale Anlaufstelle für alles. Hierüber nehmt ihr an Offline- und Online-Rennen teil, erreicht den Tuning-Shop oder könnt neue Fahrzeuge erwerben.

Der Mittelpunkt der Weltkarte ist das neue Café. Besonders Neueinsteigern gibt Besitzer Luca Halt und Struktur. Er präsentiert euch insgesamt 39 Menu Books, also Speisekarten, auf der immer andere Leckerbissen stehen.

Gran Turismo 7 | Trailer vom PS5 Showcase 2021

Gran Turismo 7 motiviert dank Speisekarten

Mit Leckerbissen sind eure Karriere-Ziele gemeint. In den meisten Fällen gilt es durch abgeschlossene Rennen (mindestens Platz drei) oder gewonnene Championships (Turniere) bestimmte Autos einer Epoche, Antriebsart oder Marke freizuschalten.

Oder ihr müsst euren ersten Heckspoiler montieren. Oder eine der wieder enthaltenen Renn-Lizenzen durch zu absolvierende Prüfungen auf der Strecke erwerben.

Im Café bekommt ihr eure Karriere-Ziele und der Besitzer sowie Auto-Designer verraten euch Hintergrundinfos zu den Fahrzeugen.
Im Café bekommt ihr eure Karriere-Ziele und der Besitzer sowie Auto-Designer verraten euch Hintergrundinfos zu den Fahrzeugen.

Dieser Speisekarten-Ansatz ist eine kleine, aber wirkungsvolle Neuerung. So habt ihr immer euer aktuelles Ziel vor Augen und wisst, welche Rennen ihr fahren solltet. Dieser klare Ablauf erzeugt Motivation. Nach dem Motto: Ein Rennen geht noch.

Weniger unterhaltsam fällt die Kommunikation aus. Egal ob euch der Gebrauchtwagenhändler oder der Café-Besitzer vollquatscht: Die Kommunikation läuft in drögen Dialogboxen ab. Diese Texteinblendungen sind nicht retro, sondern altbacken und eines Gran Turismo 7 auf PS5 unwürdig.

Gran Turismo 7 mit angestaubter Präsentation

Wo das Intro mit Auto-Historie und modernem Renngeschehen zu Gitarren-Riffs zwischen klassisch, retro und veraltet wankt, springt der Funke beim Menü nicht über.

Alles hat eine minimalistische Optik und ist dennoch verschachtelt. Selbst die Autos wirken in der Garage nüchtern und emotionslos. Euren Avatar seht ihr nur mit Helm, der aber individualisierbar ist, wie euer Rennanzug.

Dennoch ist das für Forza-Spieler geradezu ein Kulturschock. Die aus den Vorgängern bekannten Menü-Sounds und -Icons und auch die Intro-Musik kurz vor dem Rennstart können Fans gerade noch als old-school durchgehen lassen.

Der Mittelpunkt eurer Karriere ist diese Weltkarte. Optisch wirkt das gesamte Menü nicht mehr zeitgemäß.
Der Mittelpunkt eurer Karriere ist diese Weltkarte. Optisch wirkt das gesamte Menü nicht mehr zeitgemäß.

Aber die schwarzen Überblendungen, also Mini-Ladezeiten, wenn ihr einen Menüpunkt auf der Karte auswählt, sind minimal zu lang und nicht mehr zeitgemäß.

Wer die Serie länger nicht gespielt hat, rümpft vor dieser angesammelten Staubschicht die Nase. Das ist nicht mehr State-of-the-Art. Und das stellenweise nervtötende Jazz-Gedudel im Menü ist auch noch harte Geschmackssache.

Klassische GT-Karriere mit neuem Collector-Level

Der Verlauf eurer Karriere ist klassisch: Ihr startet mit 20.000 Credits und kauft beim Gebrauchtwagenhändler ein japanisches Kompaktauto. Das Spiel nimmt euch dabei an die Hand.

Das Preisgeld aus Rennen investiert ihr in Tuning-Teile, um die Performance-Points-Wertung nach oben zu bringen. Dieser Wert zeigt an, wie stark euer Rennwagen in Bezug auf PS, Aerodynamik und Handling ist.

In der Karriere startet ihr immer als Letzter. Damit rollt ihr das Feld von hinten auf. Es kann dauern, bis ihr auf Platz zwei seid.
In der Karriere startet ihr immer als Letzter. Damit rollt ihr das Feld von hinten auf. Es kann dauern, bis ihr auf Platz zwei seid.

Später in der Karriere gibt es Rennen mit empfohlener PP-Wertung und weiteren Vorgaben, wie Antriebsart oder Herstellungsland. Auf die Spielspaß-Bremse drückt hier, dass ihr zu Beginn zu viel Zeit mit langsamen und alten Karren verbringt.

Für jedes gewonnene oder gekaufte Auto steigt euer Collector-Level an. Dieses repräsentiert wie viele der 424 Autos ihr freigespielt habt. Seltenere Autos, zum Beispiel vom Legend-Cars-Händler, verschaffen euch mehr Punkte und damit schnellere Level-Aufstiege.

Über das Café spielt ihr neue Strecken und Roulette-Tickets frei. Nach Aktivierung Letzterer habt ihr per Zufallsgenerator die Chance auf ein Auto, Tuning-Teile oder Geldpreise.

Gran Turismo 7 ist auf der Strecke unschlagbar gut

Auf den 34 realen und fiktiven Strecken ist eines gleich: Das Fahrgefühl gehört zum Besten, was ihr je in einem Rennspiel erlebt hat. Wäre nur das für diesen Test entscheidend, läge die Wertung im hohen 90er-Bereich.

Besonders faszinierend ist die präzise Steuerung, gerade auch mit dem Controller. Das Lenken der Autos fühlt sich butterweich an und Ausbrüche könnt ihr mit Können abfangen. Und wo ihr bei dem schnellen F1 2021 häufig im Heck des Hintermanns landet, könnt ihr hier Auffahrunfälle vermeiden.

So habt ihr die größte Freude mit Gran Turismo 7 auf der Strecke. Besonders dann, wenn ihr euch im Windschatten einem Gegner nähert, euch vor einer Kurve neben ihn setzt, verzögert bremst und vorbeizieht.

Das Geschwindigkeitsgefühl kommt in der Außenperspektive schlecht rüber. Alle anderen haben dieses Problem nicht.
Das Geschwindigkeitsgefühl kommt in der Außenperspektive schlecht rüber. Alle anderen haben dieses Problem nicht.

Spannend ist auch, dass eure Gegner Überholmöglichkeiten versperren und es keinen Gummiband-Effekt gibt. Noch besser wäre es, wenn der KI eurer sieben bis 15 Gegner noch mehr Fahrfehler unterlaufen. Und wenn es einen vierten Schwierigkeitsgrad gäbe, um auch GT-Vollprofis zu fordern.

Zwischen Realismus und Immersionsverlust

Für ein authentisches Fahrgefühl sorgt auf der PS5 euer DualSense-Controller. Bei jedem Wagen fühlt sich ein Druck auf die L2- und R2-Tasten unterschiedlich an, stellen diese doch jeweils das Brems- und Gaspedal dar.

Wenn ihr stark bremst, spürt ihr auf den Schultertasten das auslösende ABS-Stottern. Fahrt ihr über die Dehnfugen einer Brücke, fühlt es sich wie in eurem echten Auto an. Auch wenn euer Wagen über die Vorderachse wegschiebt, spürt ihr das und könnt mit Bremsen gegensteuern.

Wer voll in die Bande kracht, erleidet solche "Totalschäden." Mehr als Kratzer gibt es nicht zu sehen.
Wer voll in die Bande kracht, erleidet solche "Totalschäden." Mehr als Kratzer gibt es nicht zu sehen.

Die unterschiedlichen Untergründe sind aber weniger deutlich wahrnehmbar als im Jump’n’Run Ratchet & Clank. Übrigens gibt es keine Rückspulfunktion. Das ist für Anfänger ärgerlich, aber für den Realismus-Anspruch des Spiels genau richtig.

Trotz aller Features kommt es zu Immersionsverlusten. Wenn ihr frontal in eine Bande kracht, weist euer Auto nur Kratzer im Stoßstangenbereich auf. Und wenn ihr Gegner in Kurven als Bande benutzt, gibt es keine Strafe. Das stört das Renngefühl doch sehr.

Die Liebe zum Detail, die während der Rennen untergeht

Der Simulationsansatz betrifft nicht nur das Fahrverhalten, sondern auch das Drumherum. Während der Rennen kommt es auf ausgewählten Strecken zu dynamischen Wetter- und Tageszeitenwechseln. Das fühlt sich lebendig und real an. Besonders dann, wenn nach dem Regen zuerst die Fahrspur trocknet und danach erst der restliche Asphalt.

Euer Multifunktionsdisplay kann euch auf Wunsch die Wetterlage während der Rennen, den Streckenverlauf oder auch die verstellbare Bremsbalance anzeigen.

Die Lizenzprüfungen und auch Dirt-Untergründe sind wieder mit dabei.
Die Lizenzprüfungen und auch Dirt-Untergründe sind wieder mit dabei.

Mit all dem beweisen die Entwickler stets Liebe zum Detail. Jedoch muss man auch sagen: während ihr eure Rennen absolviert, bekommt ihr von einem korrekt abgebildeten Sternenhimmel nicht viel mit.

Für Anfänger bieten sich während der Rennen die zuschaltbaren Fahrhilfen an. So könnt ihr sehen, ab wann und wie lange ihr bremsen solltet. Das Problem daran: Teilweise erscheinen diese dynamischen Zonen zu früh, zu spät oder gar nicht. Das ist noch unausgereift, weil zu willkürlich.

Gran Turismo 7 ist audiovisuell nur gut

Optisch durchzieht Gran Turismo 7 ein Gefälle. Denn die Umgebungsgrafik sieht im Vergleich zu den Auto-Modellen zu unscharf aus. Bäume und Zuschauer bewegen sich kaum. Dafür läuft der Raytracing-Modus im Vergleich zum Framerate-Modus nahezu konstant flüssig und bietet wunderschöne Reflexionen und Schattenwürfe.

Akustisch wirken die Motorengeräusche kernig, sind aber nicht so präsent wie bei Forza. Das 3D-Audio hört sich satt an und ihr könnt Gegner hinter euch verorten, jedoch entsteht nicht der Eindruck, dass sich euer Motor vor euch befindet oder der Regen von oben kommt.

Im Foto-Modus könnt ihr euer Auto an 2.500 Locations ablichten.
Im Foto-Modus könnt ihr euer Auto an 2.500 Locations ablichten.

Neben den Karriere-Rennen gibt es noch Herausforderungen, den kompetitiven Online-Modus GT Sport und einen Casual-Multiplayer, sowie einen lokalen Splitscreen für zwei Spieler.

Bei der Music Rally“ müsst ihr zur Laufzeit eines Musikstücks möglichst viele Kilometer gegen die Uhr fahren. Checkpoints verschaffen euch 30 Sekunden Zeit. Ein netter Time-Attack-Modus, mehr aber auch nicht.

Gran Turismo 7 | Standard Edition [PlayStation 5]

Gran Turismo 7 | Standard Edition [PlayStation 5]

Preis kann jetzt höher sein. Preis vom 28.03.2023 01:09 Uhr

Für wen lohnt sich Gran Turismo 7 und für wen nicht?

Hier möchten wir euch kurz und knapp eine Einschätzung geben, ob sich Gran Turismo 7 für euch lohnt, oder eben nicht.

Ihr werdet mit Gran Turismo 7 euren Spaß haben, wenn …

  • ihr auf Simulationsrennen abfahrt
  • ihr euren Rennwagen am Controller spüren wollt
  • euch der Karrieremodus gefehlt hat
  • ihr ein Online-Rennspiel mit sportlich fairen Gegnern sucht

Nicht sonderlich geeignet ist Gran Turismo 7 für euch, wenn …

  • ihr Arcade-Rennaction sucht
  • ihr eine moderne Präsentation erwartet
  • ihr keine Lust habt, häufig mit alten Autos unterwegs zu sein
  • ihr auf zahlreiche Spielmodi zurückgreifen möchtet

Die 10 kuriosesten Rennstrecken aller Zeiten

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Bewertung von Jens-Magnus Krause

Ihr kennt das: Der Ersteindruck ist entscheidend. Und dieser hat mich bei Gran Turismo 7 enttäuscht. Denn ich tuckere bei der Music Rally mit dem Porsche 356 Speedster mit einer gähnenden Höchstgeschwindigkeit von 150 km/h rum und ein Klassik-Medley belästigt mich dabei akustisch. Welch unglücklicher Einstieg! Alles, was an dem Spiel Spaß macht, kommt hier nicht zum Vorschein.

Zum Glück ist Gran Turismo 7 die Ausnahme der Regel. Trotz des minimalistischen Menüs, das zwischen retro und altbacken pendelt, ist der zweite Eindruck entscheidender. Damit meine ich das Herz dieses Spiels: Rennsport in seiner reinsten Form.

In meinen 25 Jahren Rennspielerfahrung habe ich noch kein Game erlebt, welches das Fahrverhalten inklusive präziser Lenkung so perfekt abbildet. Und wo mir taktische Überholmanöver so viel Spaß machen.

Auch die Rückkehr der Karriere hat mich über die 30 Speisekarten hinweg gut unterhalten. Ich wusste immer, was zu tun ist. Und wollte auch immer das nächste Kapitel angehen. Danach flacht die Offline-Karriere ehrlicherweise ab. Da freue ich mich über das kompetitive und fair ausgelegte Miteinander im GT-Sport-Modus.

84

spieletipps meint: Rennspiel-Simulation mit exzellentem Fahrgefühl und kurzweiligem Karrieremodus. Die Präsentation schwankt zwischen retro und altbacken.

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