von Jens-Magnus Krause (Samstag, 02.07.2022 - 10:30 Uhr)
Die Rennspiel-Simulation F1 2022 überzeugt durch ihr starkes Grundgerüst der Vorgänger. Viele Neuerungen schwanken jedoch zwischen sinnvoll und fragwürdig. Und Hersteller EA hätte auf die peinlichen Mikrotransaktionen besser verzichtet.
Wenn die heroische F1-Titelmusik erklingt, weiß jeder mit Vorfreude erfüllter Fan Bescheid: Gleich geht es los mit dem großen Preis von Monaco, Bahrain oder Miami. So ist es auch in F1 2022.
Das Spiel ist durch und durch eine authentische Abbildung der Formel 1: Fahrer, Teams, Strecken, Positionseinblendungen, Präsentation, wechselnde Witterungsbedingungen, die neue Groundeffect-Aerodynamik der 2022er-Autos und die Titelmusik. Alles wie aus dem TV-Original bekannt. Auch die neuen Sprintrennen aus der Saison 2021 sind mit dabei.
Erstmals kommt auch der bei Fans bekannte deutsche sky-Kommentator Sascha Roos im virtuellen Ableger zum Einsatz, der das Geschehen vor dem Rennen passend, aber hölzern und gekünstelt schildert.
Die Basis für ein authentisches F1-Erlebnis hat Entwickler Codemasters damit erfolgreich geschaffen. So wie in jedem Jahr. Doch wie fühlt sich das Spiel aus dem Cockpit heraus an?
Fans der letzten F1-Spiele merken sofort, dass sich das Fahrverhalten der Wagen verändert hat. So wie in der Realität eben auch. Seit 2022 setzt die Formel 1 auf Autos, die mit viel Bodenhaftung arbeiten.
Die Vorteile haben es ins Spiel geschafft. Auf Hochgeschwindigkeitsstrecken, wie in Dschidda oder Baku, haftet euer Fahrzeug in schnellen Kurven am Boden. So könnt ihr mit Vertrauen eine neue schnellste Runde rausfahren.
Das neu auftretende Untersteuern bei niedriger Geschwindigkeit in engen Kurven ist ebenfalls deutlich zu spüren und korrekt abgebildet, auch wenn sich die Autos dadurch schwerer und träge steuern lassen.
Konsequenterweise hätten die Entwickler auch das leichte Hüpfen der Autos auf langen Geraden bei hohen Geschwindigkeiten einbauen müssen. Dadurch hätte sich der Spielspaß zwar nicht erhöht, aber die Herausforderung, in den Trainings die passende Rennwagenhöhe zu finden, hätte sich ebenfalls real angefühlt.
Obwohl F1 2022 das neue Fahrverhalten der Originalwagen umfassend abbildet und die Rennen unterhaltsam fordernd sind, gibt es ein Problem: Die Steuerung kommt nicht an das filigranere Gran Turismo 7 heran.
Wenn ihr bei der Konkurrenz bremst, spürt ihr besonders auf der PS5 an den Trigger-Tasten, wie sich das Gewicht auf die Vorderachse verlagert. Das hilft euch bei engen Positionskämpfen die volle Kontrolle zu behalten.
Bei F1 2022 müsst ihr zumindest am Controller ständig Angst haben, in eure Konkurrenten zu krachen – ungewollt wohlgemerkt. Die Steuerung ist zu direkt, zu ungehalten, nicht feinfühlig genug.
Gerade auf höheren Schwierigkeitsgraden sind Positionsduelle gegen die zu aggressive KI frustrierend. Zu oft schießen euch die Gegner ab oder ihr sie, mit Konsequenzen für euch. Hier hilft dann nur die dem Frust entgegenwirkende Rückspulfunktion.
Bereits vor der Veröffentlichung hat Codemasters angekündigt, dass der im Vorgänger neu hinzugekommene Story-Modus in F1 2022 fehlt. Wie bei FIFAs „The Journey“ habt ihr mit zwei spielbaren Hauptcharakteren Rennszenarien meistern müssen und für die Geschichte drumherum gab es Zwischensequenzen – mit zugegebenermaßen peinlichen Dialogen.
Der vorgestellte Ersatz macht das Fehlen des unterhaltsamen Story-Modus nur noch schmerzvoller. Mit F1 Life erhaltet ihr ein Hub in Form einer riesigen Wohnung, die ihr rudimentär einrichten könnt und in der euch andere F1-Spieler besuchen können.
Ihr wählt aus unterschiedlichen Bodenbelägen, Sofas und Lampen aus. Und nein, wir sind hier nicht beim Einrichtungssimulator. Dazu gibt es einen „Brand Shop“, in dem ihr gegen Echtgeld belanglose Freizeit-Kleidungsstücke für euren Avatar kaufen könnt. Grüße an EA für diese Mikrotransaktionen-Politik ohne echten Mehrwert.
Komplett neu für die F1-Spiele ist das Fahren von Sportwagen mit Straßenzulassung. Ihr könnt euch in bestimmten Herausforderungen mit Supercars versuchen, ähnlich den Lizenzprüfungen aus GT7.
Egal ob im Ferrari Roma oder McLaren Artura tretet ihr in Disziplinen wie Drifts oder der Checkpoint Challenge an. Enttäuschend ist dabei das schwammige Fahrverhalten der Rennautos, was den Schwierigkeitsgrad der zu erreichenden Zeiten unweigerlich erhöht.
Wirklich fragwürdig ist das Fahrverhalten bei der Drift-Challenge. Wenn sich ein Auto in der Realität so steuern würde, könnte es niemand beherrschen. Alles seltsam, wenn man bedenkt, dass Codemasters mit „Grid Legends“ dieses Jahr ein Rennspiel mit deutlich besserer Steuerung herausgebracht hat.
In der Karriere „My Team“ geht es nach wie vor darum, sich als F1-Team zu behaupten. Zu Beginn habt ihr nun die Auswahl, wie gut euer Team sein soll: Newcomer oder Weltmeisterschaftskandidat? Dadurch startet ihr mit unterschiedlich hohen Budgets.
Nach wie vor erfahrt ihr euch in den freien Trainings am Rennwochenende Punkte, die ihr in die Entwicklung neuer Fahrzeugteile steckt. Die gesamte Karriere könnt ihr sogar mit insgesamt zwei Spielern durchleben.
Ab und zu könnt ihr zwischen Rennen an Pirelli-Hotlaps teilnehmen, also mit Supercars auf der Rennstrecke unterwegs sein. Im Ohr habt ihr auf der Strecke jederzeit euren Renningenieur, der in F1 2022 die Stimme von Ex-McLaren-Ingenieur Marc Priestley hat. Mit einem Original-F1-Headset eingesprochen.
Die durch Texteinblendungen statischen Interviews sind leider so peinlich wie eh und je. Hier gibt es Phrasen über Phrasen und eine Langatmigkeit, die euch verzweifeln lässt.
Grafisch hat sich im Vergleich zum Vorgänger nichts Bemerkenswertes getan. Das ist inzwischen ein Minuspunkt, spielen Gran Turismo 7 und Forza Horizon 5 optisch eine Liga höher.
Für eine bessere Atmosphäre sorgen dafür kernigere Motorensounds, neue Jubelanimationen zwischen Fahrer und Mechanikern nach dem Rennen und steuerbare Safety-Car-Phasen und Boxenstopps.
Wenn ihr bei Letzterem im falschen Moment die eingeblendeten Tasten drückt, verhauen eure Mechaniker den Boxenstopp sogar. Wer darauf keine Lust hat, kann in solchen Momenten das Renngeschehen auch aus der TV-Perspektive beobachten und danach wieder automatisch ins Cockpit springen.
Ebenfalls neu ist ein hier nicht getesteter VR-Modus am PC und der für die F1-Spiele erstmalig vorkommende offizielle Soundtrack mit 33 Songs.
Hier möchten wir euch kurz und knapp eine Einschätzung geben, ob sich F1 2022 für euch lohnt, oder eben nicht.
Ihr werdet mit F1 2022 euren Spaß haben, wenn …
Nicht sonderlich geeignet ist F1 2022 für euch, wenn …
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F1 2022 macht in meinen Augen nichts Grundlegendes falsch. Nach wie vor ist das Renngeschehen auf der Strecke nah dran am TV-Original. Wenn ich Runde um Runde dem Erstplatzierten hinterherjage und mit aktiviertem DRS das Überholmanöver doch noch schaffe: Das sind die Momente, in denen das Spiel wie seine Vorgänger glänzt.
Dennoch fühlt sich die Steuerung nicht so feinfühlig wie in einem Gran Turismo 7 an. Aber genau das würde den Reiz bei hohen Geschwindigkeiten und Überholmanövern für mich ausmachen. Wenn sich echte F1-Autos genauso wie hier im Spiel steuern würden, gäbe es wöchentliche Unfälle im Minutentakt – ohne Rückspulfunktion.
Im nächsten Schritt gibt es für mich dann auch noch zu viele Neuerungen, die sich aufgesetzt und wie Notlösungen anfühlen. Das Fahrverhalten der Supercars ist für Codemasters-Verhältnisse eine Katastrophe. Und der F1-Life-Modus mit seinen Mikrotransaktionen ist komplett überflüssig und belanglos.
Trotz aller aktuellen Fahrer und Strecken, fühlt sich das Spiel für mich etwas angestaubt an. Ein veraltetes Grafikgerüst, statische Interviews in der Karriere, die immer selben Menüs und der weggefallene Storymodus stehen für Stagnation und Rückschritt.
Auch das Schadensmodell ist seit Jahren zu rudimentär. Selbst bei höchsten Aufprallgeschwindigkeiten von über 300 km/h zerlegt sich ein Auto nie vollständig. Hier leidet zwar nur die Immersion und nicht der Spielspaß, aber Luft nach oben gibt es bei F1 2022 in zu vielen Bereichen für einen ersten Platz auf dem Podium. Dort steht für mich nämlich immer noch der Vorgänger.
spieletipps meint: Authentische F1-Rennsimulation mit zu vielen Neuerungen, die keinen echten Mehrwert bieten. Der Vorgänger fühlte sich in vielen Belangen runder an.
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