von Jens-Magnus Krause (Mittwoch, 05.10.2022 - 11:58 Uhr)
Mit FIFA 23 bekommt ihr von Entwickler EA Sports alte Gameplay-Schwächen, einen überarbeiteten FU-Modus und eine verbesserte Präsentation. Aber all das täuscht nicht über eine bestimmte Entwicklung hinweg: In FIFA geht es immer weniger um echten Fußball.
Eines stand bereits vor der Veröffentlichung der alljährlichen Fußball-Simulation fest: Nach FIFA 23 ist Schluss. Zumindest mit der Partnerschaft zwischen Entwickler EA und der namensgebenden FIFA. Nach knapp 30 Jahren geht also eine Ära zu Ende.
Nächstes Jahr erwartet euch mit EA Sports FC ein Spiel derselben Entwickler, nur ohne FIFA im Namen. Vielleicht fühlt sich FIFA 23 auch deshalb nach einer Übergangslösung in mehreren Bereichen an.
Ja, es gibt Verbesserungen, die aber teilweise nur langjährigen FIFA-Profis auffallen. Oder das Gameplay mehr in Richtung Arcade rücken. Hier wäre mehr drin gewesen. Deshalb die wichtigste Frage zuerst: Wie spielt sich das neue FIFA 23?
In FIFA 23 ist das Spieltempo geringer als im Vorgänger. Dadurch bleibt euch im Spielaufbau oder in Strafraumsituationen mehr Reaktionszeit. Massige Innenverteidiger haben dagegen jetzt den Wendekreis eines Autos.
Dribbelstarke Spieler steuern sich durch die Tempoänderung wiederum authentischer. Euer Timing muss bei jeder Aktion stimmen, sonst ist der Ball weg.
Was sich nicht ändert: Schnelle Spieler sind nach wie vor eure wichtigste Erfolgskomponente. Leider führt das zu eintönigen Online-Matches gegen Mannschaften mit schnellen Außenspielern.
Nervig ist der fehlende Realismus, wenn viele Spieler mit Ball erneut schneller sind als Gegenspieler ohne Ball. Ja, das gibt es im echten Fußball auch. Aber es ist selten.
Eine willkommene Neuerung in der Defensive ist dagegen eine harte, aggressive Grätsche. Dass es dafür eine eigene Tastenkombination gibt, fühlt sich nach Arcade an, aber das Ergebnis macht immerhin Spaß. So sollte sich jede Grätsche in FIFA 23 anfühlen.
Eure CPU-gesteuerten Mannschaftskollegen spielen manchmal Standfußball und traben im Angriff über den Platz, anstatt in offene Räume vorzustoßen. Im Wiederholungsspiel verhalten sie sich gänzlich anders und euch gelingt alles. Alles ohne Änderung der Spieltaktik. Das ist verwirrend, nicht nachvollziehbar und unbefriedigend zugleich.
Und die Gegner, gerade auf höheren Schwierigkeitsgraden, kombinieren sich teilweise minutenlang durch eure Reihen und schließen mit einem kaum verhinderbaren Tor ab. Vorzugsweise in der 45. oder 90. Spielminute. Das passiert viel zu häufig. Auch in Online-Matches, gerade im Ultimate-Team-Modus.
Diese Momente des künstlichen Dramas sind seit Jahren fester Bestandteil. Dabei fühlt sich die Steuerung eurer Spieler auf einmal wie sabotiert an, wenn ihr vorne seid. Liegt ihr hinten, sind drei Tore in drei Minuten möglich.
All diese Probleme nehmen euch in vielen Partien den Spaß an der Sache. In anderen Partien ist es umgekehrt. Diese Willkürlichkeit ist aber keine Basis für eine Fußball-Simulation.
Powershots sind harte, risikoreiche Schüsse, die ihr durch eine Tastenkombination ausführt. Dabei zoomt die Kamera heran und euer Spieler benötigt zwei Schritte Anlauf. Dann knallt er das Leder in Richtung Tor.
Was besser in ein International Superstar Soccer auf dem SNES gepasst hätte, gibt es jetzt hier. Es ist befriedigend, wenn ihr so ein Tor erzielt, aber bereits jetzt gibt es auf YouTube Videos mit wahnwitzigen Toren, in einer teilweise lächerlich unrealistischen Häufigkeit erzielt.
Die zweite Neuerung betrifft Standardsituationen. Bei Ecken und Freistößen seht ihr eine angedeutete Flugkurve, die sich verändert, je nachdem wo ihr den Ball trefft. Genau das könnt ihr am unteren Bildschirmrand bestimmen. Wie bei einem Billard-Spiel. Funktioniert einwandfrei, hat aber wenig mit echtem Fußball zu tun.
Genauso wie das Ausführen eines Elfmeters, was eine Art Mini-Game ist. Ihr seht einen pulsierenden Kreis um den Fußball. Ist dieser möglichst klein, erhöht sich eure Treffergenauigkeit.
Bei der Präsentation war der Vorgänger erstklassig, sein Nachfolger ist noch besser. Vor jedem Spiel gibt es jetzt Trailer, die euch Spieltag-Atmosphäre erleben lassen.
Während des Spiels seht ihr schneller geschnittene Wiederholungen, jede Grätsche hinterlässt Spuren im noch dichteren Rasen, bei dem ihr jeden Grashalm erkennen könnt.
Die Original-TV-Einblendungen und -Musikeinspieler, unter anderem von der Bundesliga und Premier League, sind nicht neu, aber immer noch wirkungsvoll. Die bekannten deutschen Kommentatoren sind gut, aber auf Dauer wiederholt sich alles. Und der Soundtrack überzeugt erneut, auch wenn er in den letzten Jahren schonmal besser war.
Die neuen Animationen, als Hypermotion 2 präsentiert, fallen dagegen kaum ins Gewicht. Hätte es niemand gesagt, wäre es nicht aufgefallen.
Was aber auffällt, sind Slowdowns auf der PS5 und der Series X. Gerade beim Anstoß im Mittelkreis oder bei Eckstößen im Strafraum. Das stört in wichtigen Momenten ungemein.
Wie sich eure Teamchemie in FUT ergibt, hat EA komplett neugestaltet. Unabhängig auf welcher Position ihr einen Spieler nun einsetzt, erhöht sich eure Teamchemie durch möglichst viele Spieler mit derselben Nationalität oder vom selben Club.
Erling Haaland von Manchester City erhöht mit seinem dortigen Torwart Ederson in eurem Ultimate Team die Chemie. Im Vorgänger konnten nur die zwei Innenverteidiger Chemie mit dem Torwart aufbauen.
Neu sind die FUT-Moments. Ihr spielt als Einzelspieler bekannte Fußball-Szenarien nach. Wählt ihr Mbappé aus, müsst ihr zu Beginn seiner Karriere beim AS Monaco einen Gegenspieler ausdribbeln und ein Tor schießen. Dafür erhaltet ihr Sterne, die ihr gegen Karten-Packs eintauschen könnt.
Für diese Spieler-Momente braucht ihr aber den jeweiligen Spieler in eurem Team. EA verkauft euch diesen Modus mit der dritten Währung angeblich als Kampfansage gegen Mikrotransaktionen. In der Realität erhöht das aber den Drang danach, bestimmte Spieler mit Echtgeld kaufen zu wollen.
Der Karrieremodus erhält nur minimale Verbesserungen. Als Trainer könnt ihr jetzt in die Rolle von echten Übungsleitern wie Jürgen Klopp bei Liverpool oder Carlo Ancelotti bei Real Madrid schlüpfen. Zusätzlich könnt ihr euer Stadion noch stärker individualisieren, beispielweise mit pinkfarbenen Kreidelinien.
Bei Volta, dem Straßenfußballermodus, gibt es jetzt eine Art Battle Pass. Wo ihr vorher nur Level 25 erreichen konntet, liegt die Grenze jetzt bei 100. Immerhin gänzlich ohne Mikrotransaktionen, erspielt ihr euch neue Outfits oder Volta-Münzen.
Neu hinzugekommen sind Perks, also Spezialfähigkeiten wie harte Distanzschüsse. Den zweiten Perk-Slot spielt ihr allerdings erst mit Level 35 frei, was den offensichtlichen Grind zum Vorschein bringt.
Gute Neuerung: Euer erstellter Spieler kommt in Pro Clubs und Volta gleichermaßen zum Einsatz. Der erreichte Fortschritt in einem Modus gilt dann gleichzeitig auch immer für den anderen.
FIFA 23 ist bereits erschienen für PC, PS5, Xbox Series X|S und Google Stadia. Für PS4, Xbox One (ohne Hypermotion-Technologie) und für Nintendo Switch (nur neue Trikots).
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FIFA 23 ist für mich wie eine laute Rockband, die über die letzten Jahre immer größer und bekannter geworden ist. In Sachen Präsentation ist das eine gute Sache, weil es hier kaum noch Luft nach oben gibt.
In anderen Bereichen ist das weniger gut. Denn die Entwickler haben auch in FIFA 23 das aus den Augen verloren, worauf es bei einer Fußball-Simulation ankommen sollte: hoher Spielspaß durch nachvollziehbares Gameplay. Das ist hier leider nicht immer der Fall.
Das langsamere Spieltempo ist gut, aber FIFA 23 fühlt sich in vielen Momenten einfach nicht nach echtem Fußball an. Hier kommen Pässe über zwei Meter nicht an, dort bekomme ich in sieben von zehn Spielen mal wieder in den letzten Spielminuten Gegentore.
Und auch in den Spielmodi tut sich wenig, außer im Kassenschlager Ultimate Team. Insgesamt handelt es sich in jedem Spielmodus um Detailverbesserungen von Detailfunktionalitäten. Immerhin ist nun Crossplay möglich, allerdings nur in Eins-gegen-eins-Partien.
Wenn sich FIFA 23 so filigran, nachvollziehbar und fair wie ein Pro Evolution Soccer von vor etlichen Jahren spielen würde, wäre es ein grandioses Spiel. So gut sogar, dass es O.K. wäre, dass EA viel Zeit in die Verbesserungen von Ultimate Team und seinen Mikrotransaktionen steckt.
spieletipps meint: FIFA 23 hat altbekannte Gameplay-Schwächen, eine starke Präsentation und sonst nur minimale Verbesserungen zu bieten. Zu wenig in diesem Konsolen-Zeitalter.
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