Need for Speed Unbound

Test Need for Speed Unbound: Arcade-Rennspiel mit Soulslike-Momenten

von Jens-Magnus Krause (Samstag, 03.12.2022 - 10:00 Uhr)

Need for Speed Unbound – Risk & Reward Gameplay-Trailer

Seit Jahren fallen die Wertungen von Need for Speed im Vergleich zur Forza-Konkurrenz niedriger aus. Mit Unbound soll das vorbei sein. Dafür trifft Entwickler Criterion Games mutige Entscheidungen, die mal mehr und mal weniger Spaß bringen.

Dieses Spiel verzeiht keine Fehler

Criterion Games steht als Erfinder der Burnout-Serie für kompromissloses Arcade-Racing. Auch bei Need for Speed Unbound.

Wenn ihr in Führung liegend in den Gegenverkehr kracht, seht ihr wie sich euer Auto überschlägt und zerlegt. Der darauf liegende Schwarz-Weiß-Filter lässt euch schonungslos spüren, dass ihr es vergeigt habt.

Ihr könnt nach dem Unfall zwar sofort weiterfahren, aber eine Platzierung auf dem Podium könnt ihr vergessen, denn eure Kontrahenten sind euch davongefahren. Der Frust setzt ein.

Optisch heiß diskutiert: Die Comic-Grafikeffekte fügen sich harmonisch in die offene Spielwelt ein.
Optisch heiß diskutiert: Die Comic-Grafikeffekte fügen sich harmonisch in die offene Spielwelt ein.

Es fehlt nur noch die Einblendung wie in den meisten Soulslikes: You died. Das ist die Tragweite, die ein verlorenes Rennen einnimmt. Es kommt einem Bildschirmtod gleich.

Selbst auf dem untersten der drei Schwierigkeitsgrade ist ein Sieg nicht vorhersehbar, sondern es bedarf harter Arbeit, kompletter Fokussierung und fehlerfreien Racings. Eine entspannte Feierabendrunde und Erstplatzierungen sind hier nicht vereinbar.

Viel Geschwindigkeit, schwammige Kontrolle

Bei der Steuerung klebt Unbound zu sehr am Vorgänger Heat. Selbst der agilste Rennwagen lenkt sich schwammig, dafür haben die Autos spürbar an Gewicht zugelegt, was das Driften in Kurven kontrollierbarer macht.

Für mehr Kontrolle sorgt das brutal schnelle Geschwindigkeitsgefühl nicht. Das ist was Gutes, aber in Anbetracht des Verkehrsaufkommens ist das gleichzeitig ein Problem. Niemand kann bei 300 km/h jedem Hindernis ausweichen. Wenn euch das kurz vor der Ziellinie passiert, sind Frustmomente nicht vermeidbar.

Es gibt fünf Kameraperspektiven, aber die Cockpit-Ansicht fehlt vollständig.
Es gibt fünf Kameraperspektiven, aber die Cockpit-Ansicht fehlt vollständig.

Eure Gegner verhalten sich während der Rennen angenehm aggressiv und es gibt keine klassische Gummiband-KI. Dadurch ist das Spiel so herausfordernd. Der Erstplatzierte fährt immer einen immensen Vorsprung heraus. Wenn ihr ihn nicht am Anfang einholt, war es das mit dem Sieg.

Denn beim Überholen seid ihr auf den Windschatten des Vordermanns angewiesen. Dieser lädt gleichzeitig euer Nitro auf, genauso wie Drifts, Sprünge und ein Vorbeischrammen am Gegenverkehr.

Das wurde vor dem Release häufig diskutiert

Need for Speed Unbound kombiniert realitätsnahe Umgebungsgrafik und Autos mit Charakteren und Reifenqualm im Cel-Shading-Look.

Diese Kombination aus zwei Stilen harmoniert überraschend gut. Wenn bei einem Burnout der Cel-Shading-Qualm euer Auto umgibt, sieht das frisch und unverbraucht aus.

Wie genau euer Reifenqualm aussieht, könnt ihr durch freispielbare Effekte bestimmen.
Wie genau euer Reifenqualm aussieht, könnt ihr durch freispielbare Effekte bestimmen.

Abschalten lassen sich diese Grafikeffekte jedoch nicht, wie im Vorfeld angekündigt wurde. Ihr könnt lediglich eine graue Cel-Shading-Variante für den Reifenqualm einstellen, die immerhin die Effekte um die Reifen und über dem Autodach deaktiviert.

Das Spiel läuft dank Frostbite Engine bis auf wenige Ausnahmen (Nachtrennen mit viel Verkehr) flüssig mit 60 Bildern pro Sekunde. Bei einigen Nachtrennen fahrt ihr aber kurzzeitig blind, weil der Verkehr vor euch oder die durch ein helles Leuchtband markierte Kurve zu spät ins Bild ploppt.

Das Ergebnis: Kurve verpasst, von der Strecke abgekommen. You died. Jetzt hilft euch nur ein von der Anzahl begrenzt zur Verfügung stehender Restart. Eine Zurückspulfunktion vermisst ihr im Spielverlauf häufig.

Check das aus, Bro!

Need for Speed Unbound ist kein klassisches Rennspiel mit Einzelrennen, Time Attack oder Meisterschaft-Saisonen. Denn es gibt einen Story-Modus mit Prolog und Zwischensequenzen, mit Freunden, Rivalen und mit Straßenrennen bei Tag und Nacht.

Mit eurem selbsterstellten Charakter startet ihr in der Werkstatt Rydell’s Rydes, eurer Zentrale. Nach dem mit Wendepunkten gespickten Prolog startet ihr mit einer alten Karre von vorne.

Euer Ziel: Innerhalb von vier Wochen in illegalen Straßenrennen Kohle sammeln, jeden Samstag die Qualifizierungsrennen dominieren, um im Finale The Grand euer ursprüngliches Auto zurückzugewinnen.

Diese Auto-Werkstatt dient euch als sichere Zentrale. Hier könnt ihr Autos kaufen, verbessern und umdesignen.
Diese Auto-Werkstatt dient euch als sichere Zentrale. Hier könnt ihr Autos kaufen, verbessern und umdesignen.

Zugegeben, die Story und die Charaktere sind klischeehaft und drücken sich auch so aus. Trotz der 1.000 Bros und „It’s our time, yo!“ gibt es weniger Fremdschampotenzial als in den Vorgängern. Ein Fortschritt.

Im Mehrspielermodus kam zum Zeitpunkt des Tests noch kein Rennen zustande, aufgrund fehlender Mitspieler. Hier könnt ihr euch aber in einer Privat-Party mit drei Freunden oder mit 15 weiteren Online-Spielern auf einem Server tummeln.

Euer Alltag in Chicago

Der Schauplatz des Spiels ist die Open-World namens Lakeshore City. Die von Chicago inspirierte Stadt nimmt ungefähr ein Viertel der Karte ein, der Rest besteht aus Autobahnen, kleinen Siedlungen, Wäldern und Seen.

Und obwohl die Stadt, der aufgerissene Asphalt und die Regeneffekte optisch beeindrucken, fehlt es der Spielwelt an Lebendigkeit. Forza Horizon ist mit seinen blühenden Feldern, Sandstränden, Jahreszeiten-Simulationen und Stürmen einen Schritt voraus.

Das Schadensmodell ähnelt dem von Forza Horizon 5. Komplett zerlegen könnt ihr die Autos nicht.
Das Schadensmodell ähnelt dem von Forza Horizon 5. Komplett zerlegen könnt ihr die Autos nicht.

Es ist schön, dass es im Vergleich zum Vorgänger Heat nun Passanten gibt. Aber wie die eurem Auto ausweichen, nämlich wie an der Leine gezogen, erinnert an PS2-Zeiten.

Euer Alltag in Need for Speed Unbound ist die Teilnahme an unterschiedlichen Events. Hinter den Meetups, also Treffpunkten, verstecken sich verschiedene Rennvarianten.

Egal ob Street Race, Endurance oder Corner King: im Grunde unterscheiden sich die Rennen in ihrer Länge, Kurvenhäufigkeit oder Anzahl der Gegner (meistens sieben).

Es dreht sich alles ums Geld

Neben den Rennen gibt es Drift- und die motivierenden Takeover-Events. In Letzteren zerstört ihr mit Drifts herumstehende Pylonen, Fässer und Absperrungen, um eure Punktzahl zu erhöhen. Desto besser eure Platzierung ist, umso mehr Kohle gewinnt ihr.

Mit eurem Geld könnt ihr die Werkstatt upgraden, um Zugriff auf mehr Tuningzubehör zu erhalten. Hier gibt es zahlreiche Performance- und Style-Verbesserungen, die alle Spaß machen, zu großen Stücken auf dem Vorgänger Heat basieren und im Verhältnis viel Geld kosten.

Für die Zusammenstellung des Soundtracks ist der Rapper ASAP Rocky verantwortlich. Ihn trefft ihr auch im Spiel und es gibt auch elektronische Musik, allerdings keine Radio-Sender.
Für die Zusammenstellung des Soundtracks ist der Rapper ASAP Rocky verantwortlich. Ihn trefft ihr auch im Spiel und es gibt auch elektronische Musik, allerdings keine Radio-Sender.

Generell spielt Geld eine große Rolle im Spiel. Wo euch Forza Horizon 5 alles hinterherschmeißt, verkommt Unbound phasenweise zum Rollenspiel.

In den Events fühlt ihr euch häufig zu langsam. Das liegt an eurem Fahrzeuglevel. Davon gibt es fünf Stück und ihr könnt dieses durch Tuning erhöhen oder neue Autos kaufen.

Das ist wichtig, weil euch die Karte anzeigt, welche Rennen für welche Fahrzeuglevel zugänglich sind.

Die Cops, die wie von Geisterhand spawnen

Der gesamte Spielaufbau ist klar strukturiert und die Vorhersehbarkeit der Tätigkeiten motiviert, weil ihr euer Ziel Woche für Woche vor Augen habt. Dennoch hat Unbound auch unübersehbare Probleme, die den Spielspaß verringern.

Nach einer von vier absolvierten Story-Wochen habt ihr drei Autos von 143 verfügbaren in eurem Besitz. Ergo: Die Autos sind zu teuer oder das Preisgeld zu gering. Und das Startgeld vieler Rennen klaut euch Tuning-Budget. Dadurch verkommt das Spiel phasenweise zum Grind.

Zum Schluss zu den Cops: Jedes absolvierte Event erhöht euer Heat-Level, sprich euer Fahndungslevel. Das Problem daran ist, dass sich jeder Wochentag in zwei Phasen unterteilt: Tag und Nacht. Das Fahndungslevel vom Tag nehmt ihr mit in die Nacht.

Die Cops lassen sich anfangs noch leicht abschütteln. Auf höheren Fahndungsleveln ist es nicht nur spannend, sondern auch unfair.
Die Cops lassen sich anfangs noch leicht abschütteln. Auf höheren Fahndungsleveln ist es nicht nur spannend, sondern auch unfair.

Nachts wimmelt es also nach wenigen Rennen vor Polizeiautos, die auf höheren Heat-Leveln direkt in eurer Umgebung spawnen, was es unfair, stressig und frustrierend macht. Und hängen euch im Rennen die Cops an der Stoßstange, müsst ihr sie unmittelbar danach abschütteln.

Denn bei einer Verhaftung verliert ihr euer in der jeweiligen Tageszeit hart erkämpftes Geld. Erst in eurer Zentrale oder einem Safehouse sind eure Dollars in Sicherheit.

Need for Speed Unbound gibt es für PC, PS5 und Xbox Series X|S.

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Bewertung von Jens-Magnus Krause

Need for Speed Unbound ist in meinen Augen ein klarer Fortschritt für die Rennspiel-Serie. Das Absolvieren der unterschiedlichen Events macht Spaß, der strukturierte Spielaufbau mit seinem klaren Ziel motiviert mich zum Durchspielen. Und die Vertonung und der Soundtrack des Spiels sind brachial, passend und atmosphärisch.

Die dreist von Forza Horizon geklauten Blitzer-, Speedzone-, Weitsprung- und Werbetafel-Zerstören-Highscores sind in der hübschen Open World eine schöne Abwechslung. Generell gefällt mir die Spielwelt optisch gut und die Cel-Shading-Effekte fügen sich harmonisch ein.

Dennoch ist Unbound noch weit weg von Perfektion. Mich stört der restriktive Ansatz bei der Verfügbarkeit von Autos. Ich will sie besitzen und fahren und nicht immer sehen müssen, dass ich viel zu wenig Geld habe. Und die schlechte Nutzung der adaptiven Trigger auf der PS5 ist verschenktes Potenzial. Kaum Gegendruck, nur ein zaghaftes Vibrieren in den Tasten.

Auch die Cops sind keine Bereicherung. Auf einem unteren Heat-Level stören sie mich nicht, aber später habe ich durch die Cops, KI-Gegner oder den Gegenverkehr die frustigsten Momente seit Jahren in einem Rennspiel erlebt: wenn ich kurz vor der Ziellinie von einem plötzlich auftauchenden Auto gerammt werde, springe ich in meinem Wutanfall im Dreieck umher.

Alles in allem muss ich sagen: Need for Speed Unbound ist ein sehr solides Arcade-Rennspiel, aber im Vergleich ist Forza Horizon 5 in jeder noch so kleinen Kategorie überlegen.

77

spieletipps meint: Anspruchsvolles Arcade-Rennspiel mit wenig Raum für Fahrfehler. Stellenweise unfaire Cops und Frustmomente. Aber ein Fortschritt für die Serie.

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