Minecraft - Story Mode

Test Minecraft - Story Mode, nein danke: So zerstört man eine Lizenz

von Michael Krüger (Montag, 19.10.2015 - 12:49 Uhr)

Minecraft kennt fast jeder. Jetzt bekommt das Klötzchenspiel eine Geschichte spendiert. Minecraft - Story Mode nennt sich das Experiment.

Der Entwickler des Originals heißt zwar Mojang, doch auch das Studio Telltale ist kein unbeschriebenes Blatt. Sie gelten als Garant für spannende Geschichten. Erfolgreiche Vorlagen wie die zu Tales from the Borderlands und The Walking Dead führten zu diesem Ruf.

Mit Minecraft - Story Mode möchte das Studio nun etwas produzieren, dass niemand für möglich hielt. Minecraft, das kreative Spiel, das Millionen begeistert, soll eine eigene Geschichte kriegen. Nun ist es an der Zeit, das fertige Produkt unter die Lupe zu nehmen. Veröffentlicht hat der Entwickler das Spiel allerdings nur als Episode 1. Damit seid ihr nach zwei Stunden durch und dürft auf die Fortsetzung warten.

Minecraft - Story Mode: Telltale Games spendiert den Klötzchen ein eigenes Abenteuer

Minecraft - Story Mode: Telltale Games spendiert den Klötzchen ein eigenes Abenteuer
Minecraft - Story Mode: Telltale Games spendiert den Klötzchen ein eigenes Abenteuer
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Was wohl jeder von Minecraft - Story Mode erwartet ist einfach zu beschreiben. Es sollte ein authentisches Spielgefühl der originalen Vorlage bieten und auch spielerisch die Essenz von Minecraft konzentrieren. Die schlechte Nachricht vorweg: So ganz gelingt das nicht. Das fängt bereits mit der Geschichte an.

Nur lose Bezüge zur Vorlage

Ein paar Freunde versuchen den ersten Platz in einem kreativen Wettbewerb zu erlangen. Als das schief geht, finden sie sich schnell in einem Abenteuer zwischen legendären Kriegern und größenwahnsinnigen Genies wieder. Das ist eine nette Geschichte, die vor allem durch witzige Charaktere lebt. Doch sie könnte ebenso in einem gezeichneten Universum fernab von Minecraft stattfinden. Sie ist austauschbar.

Ein Portal darf natürlich nicht fehlen.
Ein Portal darf natürlich nicht fehlen.

Natürlich ist es ein schwieriges Unterfangen, einem Aufbauspiel wie Minecraft eine Geschichte zu verpassen. Da wäre zum einen die Tatsache, dass es sich bei dem bunten Baukasten-Spiel um eine große offene Welt handelt. Diese ist nicht einmal konstant sondern dank sogenannter Seeds, also Parameter-Samen, für jeden Spieler immer wieder neuartig.

Doch nicht nur die ständig veränderte Spielwelt macht das Erschaffen einer passenden Geschichte schwierig. Auch die Vielseitigkeit, die mittlerweile in Minecraft herrscht, lässt kaum gemeinsame Nenner zu. Dank Modifikationen und selbstgeschriebenen Anpassungen hat sich über die Jahre ein weites Meer an Möglichkeiten aufgetan, aus dem die Spieler-Gemeinde nimmersatt schöpft.

Egal ob es Mehrspieler-Erfahrungen oder auch Adaptionen zu Spielen wie Portal 2 oder The Legend of Zelda sind, die Fantasie setzt als einziges Grenzen für das Erlebnis in der eigentlich sehr minimalistischen Welt aus Kuben. Umso schwieriger also das Vorhaben, hier eine Geschichte spielen zu lassen, die einen starken Bezug zur tatsächlichen Spielwelt hat.

Minecraft Story Mode [Minecon 2015 Trailer]

Es gibt natürlich Wesen, wie die Enderman oder die bekannten Creeper, die der Geschichte den gewissen Hauch Minecraft verleihen. Doch würde die Geschichte in einer völlig anderen Welt spielen, täte ihr das keinen Abbruch und sie würde ebenso gut funktionieren. Die Gegnern müssten natürlich entsprechend ausgetauscht werden.

Etwas bauen dürft ihr auch

Habt ihr bisher schon ein Telltale Abenteuer gespielt, dürftet ihr das Spielprinzip bestens kennen. Zwischen den immer wieder erscheinenden Videos lauft ihr durch streng begrenzte Areale und löst durch kleinere Aktionen die nächste Zwischensequenz aus. Wird es hektisch, drückt ihr rasch die angezeigten Knöpfe, damit euch kein jäher Bildschirmtod ereilt.

Ab und an dürft ihr etwas bauen.
Ab und an dürft ihr etwas bauen.

Um etwas Dynamik ins Spielgeschehen zu bringen, entscheidet ihr in Schlüsselmomenten über Antworten des Protagonisten und verändert damit über Episoden hinweg die Beziehung zwischen den Figuren. So schmiedet ihr durch eure Fähigkeit, schnell zu reagieren und euer soziales Fingerspitzengefühl eure eigene Version der ansonsten starren Geschichte.

Auch in Minecraft - Story Mode begegnet euch die eben beschriebene Formel á la Telltale. Und wieder stellt sich die Frage, wie viel Minecraft im Spiel steckt, wenn es sich doch so gar nicht wie die Vorlage spielt.

Was in Game of Thrones die blutigen Schwertkämpfe und in Tales from the Borderlands die Schusswechsel, sind in Minecraft - Story Mode Schwertkämpfe mit grob aufgelösten Hiebwaffen. Die Mechanik ist dabei im Grunde immer identisch, denn eure Handlungsfreiheit begrenzt sich auch hier auf das Bewegen in zwei Richtungen und die Entscheidung, wann ihr einen Schlag platziert. Also wird die Formel der Spiele-Schmiede streng eingehalten.

Eine Prise Minecraft darf es dann allerdings noch sein. Hin und wieder werdet ihr aufgefordert etwas zu bauen. In diesen Momenten platziert ihr Materialien in einem neun Felder großen Raster, genau so wie ihr es im originalen Spiel anstellen würdet. Baut ihr größere Gebäude reicht allerdings ein rhythmischer Druck auf eine Taste. Hier möchte man offensichtlich nicht zu weit von bewährten Mechaniken abweichen, auch wenn das auf Kosten der Authentizität geht.

Solche Gebäude wie diese könnt ihr aber tatsächlich nur im Original-Minecraft erschaffen:

Die schönsten Seiten von Minecraft

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Gewisser Charme

Das alles klingt nun ebenso düster, wie der Nether selbst, doch ganz so schlimm stellt es sich im Spiel nicht dar. Immerhin hat das Spiel einen eigenwilligen Charme, den man trotz aller Kritik nicht von der Hand weisen kann.

Jesse ist ein seltsamer Kauz.
Jesse ist ein seltsamer Kauz.

Auch wenn die Geschichte ohne die Minecraft-Verpackung funktionieren würde, passt die Präsentation sowohl zur Spielmechanik als auch zur Handlung. Seht es so: Gäbe es Minecraft nicht, käme Minecraft - Story Mode ohne diese Kritik aus und würde durchaus funktionieren - gesetzt den Fall, ihr habt das Telltale-Mantra noch nicht zu oft gebetet. Denn irgendwie ist jedes ihrer Spiele ähnlich gestrickt, was langsam beginnt zu langweilen.

Dazu kommt ein feiner Humor, der sich nicht nur auf platte Wortspiele und Situationskomik verlässt. Gemäß dem Prinzip von Wall-E, Pixars knuffigem Roboter, werdet ihr auch hier feststellen, dass man ohne weiteres aus einfachen Formen eine starke Mimik herausholen kann. So bringt euch der Blick einer Figur schon einmal zum Lachen und das mit einem Bruchteil der Gesichtsmuskeln, die euch selbst zur Verfügung stehen.

Besonders Protagonist Jesse weiß zu unterhalten. Dabei scheint Peter Griffin aus der TV-Serie Family Guy als Vorlage zu dienen. Die Art zu sprechen und gesagtes mit Blicken zu unterstreichen erinnert stark an den rundlichen Familien-Vater. Das ausdrucksstarke und häufig nervige Lachen wurde glücklicherweise nicht Teil der Inspiration.

Wie wäre es mit Deutsch?

Klar, viele Spieler sprechen Englisch. Es gibt sogar eine große Zahl an Konsumenten, die Spiele lieber im Originalton spielt. Dennoch gibt es einen Bedarf an deutscher Vertonung, sonst würden sich andere Entwickler diese Mühe kaum geben.

Wer nicht gut Englisch kann, hat viel zu lesen.
Wer nicht gut Englisch kann, hat viel zu lesen.

Was vielen bereits in anderen Telltale-Spiele sauer aufgestoßen ist, wird hier eindeutig zum Problem. Generell ist es in dieser Art Spiele schwierig, schnell zu reagieren während man Untertitel liest. Auch die vielen Zwischensequenzen machen keinen großen Spaß, wenn man auf die deutsche Übersetzung angewiesen ist. Doch in Minecraft - Story Mode gesellt sich ein weiteres Problem hinzu.

Die Zielgruppe dürfte in diesem Spiel jünger sein, als es zum Beispiel bei The Walking Dead oder auch The Wolf Among Us der Fall ist. Die Wahrscheinlichkeit, dass die willigen Käufer ohne zu lesen verstehen, was passiert, ist also deutlich geringer als es ohnehin schon der Fall wäre.

Der Kostenfaktor zählt hier schwerlich als Argument. Wenn nicht ein Spiel mit der Minecraft-Lizenz, wer könnte es sich sonst leisten. Microsoft hat immerhin 2,1 Milliarden Euro für Minecraft auf den Tisch geblättert, da sollten ein paar Euro für so etwas keine Rolle spielen. Und so erfolgreich wie die bisherigen Spiele von Telltale sind, dürfte Minecraft - Story Mode allemal werden. Die Vorlage ist immerhin eines der erfolgreichsten Spiele überhaupt.

Frage der Technik

Betrachtet ihr das Drumherum, also die reine Darstellung, werdet ihr kaum etwas bemängeln können. Die Synchronstimmen sind, wenn auch nur auf Englisch, gut gewählt und verleihen den Figuren Persönlichkeit. Der musikalische Spagat zwischen den beruhigenden Klängen der offenen Welt aus Minecraft und der notwendigen Dynamik eines eigenständigen Spiels ist gelungen.

Achterbahn fahren im Nether.
Achterbahn fahren im Nether.

Auch optisch gibt es wenig auszusetzen. Die Qualität der Grafik ist zeitgemäß und auf Seiten des Stils könnt ihr euch sicher sein, dass es keine Brüche gibt. Egal ob Feuer, Steine oder andere Materialien, Minecraft Story Mode entfernt sich kaum von der Vorlage und gibt euch durchweg das Gefühl im gleichen Spiel zu sein.

Inwiefern es allerdings haushohe Gegner in der originalen Fassung des Klötzchen-Spiels gibt, sei dahingestellt. Hier könnte man sich fragen, ob es nicht konsequenter gewesen wäre, komplett beim Original zu bleiben. Da solche Eindrücke aber eher selten entstehen, ist es zu verkraften.

Zwei Stunden Spielspaß

Bis hierhin habt ihr also ein Spiel, dass an sich gut funktioniert. Als Hommage an Minecraft kann es aber nur bedingt gesehen werden. Vielmehr ist es ein durch Minecraft inspiriertes Spiel. Immerhin ist es lustig und kurzweilig. Kurz! Ja, kurz ist es auch.

Wow, schon vorbei.
Wow, schon vorbei.

Es ist schon klar, dass Episoden-Spiele nicht mit jedem Teil eine Erfahrung in Kampagnen-Länge bieten, doch etwas mehr könnte es sein. Solltet ihr länger als zwei Stunden zum Beenden der ersten Episode benötigen, habt ihr entweder zu lange auf der Toilette verbracht oder haltet den Controller falsch herum.

Gerade als die Geschichte anfängt sich zu erklären und euch eine Motivation für weitere Schritte bietet, ist der Spaß bereits vorbei. Natürlich ist es legitim, dass am Anfang einer Reihe eine Art Intro stattfindet, dass die Rahmenbedingungen klärt und einen Blick in die Zukunft gewährt. Doch auch diesen Abschnitt kann man ausbauen. So entsteht unweigerlich das Gefühl, dass ihr kurz nach dem Vorspann bereits den Abspann zu sehen bekommt. Dass es auch besser geht, zeigt etwa King's Quest.

Da von den zwei Stunden Spielzeit mindestens eine Stunde aus Videos besteht, stellt sich schnell die Frage, warum nicht ein wenig mehr aktive Handlung enthalten ist. Es mag Teil der bereits mehrfach erwähnten Formel von Telltale Games sein, doch letztendlich ist es für den Spieler eine Frage der Rentabilität. Und diese lässt zumindest im diesem ersten Teil etwas zu wünschen übrig.

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