von Deekmaen (Montag, 02.11.2015 - 18:00 Uhr)
Es ist wieder so weit! Ein neues Anno steht in den Startlöchern. Ihr wollt kein Zukunfts-Anno? Denkt noch einmal darüber nach. Denn das hier ist richtig, richtig gut.
Herrlich! Zehn Stunden ohne Pause mit Jogginghose und Kaffee vor dem Rechner sitzen. Atomraketen abfeuern. Menschen glücklich machen. Zur mächtigsten Superfirma der Welt aufsteigen. Bill Gates und Steve Jobs zusammen erreichen in ihrem Leben nicht so viel, wie ihr in einer ordentlichen Partie Anno 2205. Ha! Euch war schon immer klar, dass ganz Silicon Valley eurem Unternehmergeist nicht das Wasser reichen kann. Zumindest wisst ihr es, sobald ihr euer sündhaft teures Hauptquartier aufgestellt habt und euch die virtuelle Welt zu Füßen liegt. Ihr seid ein toller Hecht.
Anno 2205 ist ein Aufbauspiel. Und zwar ein ziemlich gutes – ganz nach Serien-Tradition von Anno eben. Im Spiel besiedelt ihr vorerst eine Insel und beschäftigt euch vornehmlich damit, die Bedürfnisse eurer neuen Mitbürger zu stillen. Die verlangen nach und nach immer mehr Zuwendungen. Anfangs reichen Wasser und Reis, am Ende müssen es mindestens Steak und Haushaltsroboter sein. Der Lohn: Je weiter sich eure Leute entwickeln, desto mehr Steuern zahlen sie. Ergo: Mehr Geld für euch. Das ist gut. Ihr mögt Geld.
So weit, so bekannt. Doch Anno 2205 macht einiges anders als seine Vorgänger. Erstens: Ihr besiedelt nicht ein, nicht zwei, sondern ganze drei Gebiete gleichzeitig in Anno 2205 – und zwar eine Region mit mitteleuropäischem Klima, die Arktis und den Mond. Zweitens: Anno 2205 spielt weit in der Zukunft. Drittens: Es gibt keine Kriege mehr – nur noch Kampfeinsätze, die fernab eurer Basis stattfinden. Viertens: Es ist einfacher zu erlernen, als der bisher leichteste Teil Anno 1701. Fünftens: Dennoch ist es komplexer und größer als jeder bisherige Serienteil.
In Anno 2205 seid ihr der Chef einer Firma. Genauer gesagt: Ihr seid einer der auserwählten Industriemogule, die am „Lunar Licensing Program“ teilnehmen. Das bedeutet, dass ihr zum Mond reisen müsst. Dort sollt ihr nämlich einen Fusionsreaktor bauen, um die ganze Welt (oder zumindest die irdischen Ableger eurer Firma) mit Strom zu versorgen. Energie ist nämlich Mangelware in der Zukunft.
Der Anfang des Spiels ist gewohnte Kost für Anno-Kenner: Ihr startet mit einem Schiff und einem Warenlager am Ufer einer Insel. Dann baut ihr Wohnhäuser und Produktionsstätten für erste Waren. Nun ziehen Arbeiter bei euch ein. Die sind erstmal glücklich, solange sie Wasser und Reis bekommen.
Jetzt baut ihr eure Zivilisation weiter aus, bis eure Leute irgendwann weitere Bedürfnisse entwickeln. In diesem Fall sind es Informationen. Kein Problem – einfach ein Infodrom in die Mitte eures neuen Städtchens gebaut, schon sind alle noch glücklicher. Erfüllt ihr alle Bedürfnisse eurer Arbeiter, dürfen sie schon bald zur nächsthöheren Stufe aufsteigen.
Die neuen, höhergestellten Mitarbeiter erwirtschaften euch mehr Umsatz (analog zu den Steuern voriger Anno-Teile) – das ist gut! Doch sie werden auch zunehmend versnobt, sodass ihr weitere Bedürfnisse erfüllen sollt. So karrt ihr bald Rohstoffe aus allen drei Gebieten heran, um sie maximal zufriedenzustellen.
Nebst eurer „Haupt-Zivilisation“ gründet ihr mit der Zeit noch Außenposten in der Arktis und auf dem Mond. Diese beiden Gebiete sind allerdings schwer zu besiedeln. In der Arktis frieren eure Leute dummerweise, weshalb ihr Wohnhäuser nur in der Nähe von Produktionsstätten bauen könnt. Die erzeugen nämlich nebenbei Hitze. Heizstrahler? Heizungen? Lagerfeuer? Solche Dinge gibt es laut Anno im Jahr 2205 nicht. Wäre auch zu einfach gewesen.
Auf dem Mond dagegen habt ihr nicht mit Kälte zu kämpfen. Dort besiedelt ihr statt Inseln aber Krater, die einen großen Nachteil mit sich bringen: Permanent hageln dort Meteoriten auf sie herab. Deshalb stellt ihr alle naselang Schildgeneratoren auf. Die schützen eure Energiewende mit Energiewänden. Zack, Wortspiel!
Gehört ihr zum Typ Spieler, der in Rollenspielen immer alle Nebenaufgaben erledigt? Dann wird euch Anno 2205 an den Rand der Verzweiflung bringen. Denn es gibt unfassbar – also wirklich unfassbar – viel zu tun neben eurer Hauptaufgabe. In jedem eurer besiedelten Gebiete trefft ihr mehrere computergesteuerte Charaktere, die euch permanent um Gefallen bitten. Manchmal sind das Kampfeinsätze, manchmal sammelt ihr mit eurem Schiff etwa Steine aus dem Meer, bereinigt Ölflecken, zerstört Geröll oder Ähnliches.
Schnell ist klar: Das alles zu erledigen, ist deutlich zu viel. Als Belohnungen warten oft seltene Ressourcen. Dennoch solltet ihr nicht zu viel Zeit damit verplempern, denn die Zusatzaufgaben wollten teils partout kein Ende nehmen. Immerhin sind die Nebenaufgaben ein hervorragender Zeitvertreib – etwa, wenn ihr gerade darauf wartet, endlich genug Stahlträger für das nächste große Bauwerk produziert zu haben. Langweilig wird euch in Anno 2205 jedenfalls nicht.
Und das, obwohl ihr im normalen Produktionsalltag fernab von Gefahren durch Waffengewalt seid. Kampfeinsätze finden allesamt in Extra-Szenarien statt. Dort steuert ihr eine vorgegebene kleine Schiffsflotte durch feindliche Gewässer, setzt Spezialfähigkeiten wie Atomraketen und EMP-Schocks ein und erfüllt Missionsziele wie „Zerstöre Schiff X“ und „Zerstöre Gebäude Y“. Das spielt sich ab und an mal recht unterhaltsam, ist aber glücklicherweise komplett optional. Denn: Taktische Kämpfe können andere Spiele besser. Etwa Warhammer 40.000 - Dawn of War 2.
Auf der Haben-Seite ist aber das seit jeher fantastische Bausystem der Anno-Reihe, kombiniert mit der Größe. Denn, im Ernst: So viel Wald habt ihr noch nie zubetoniert! Die Städte, die ihr in Anno 2205 hochzieht sind größer als je zuvor. Falls ihr das anhand der Screenshots nicht nachvollziehen könnt, bedenkt: Beinahe jedes der von uns gebauten Häuser ist eines der neuen, „großen“ Häuser – und damit viermal so groß, wie ein Haus in einem vorigen Anno-Teil. Nehmt das, was ihr seht, also optisch mal vier. Ja, das ist gigantisch.
Dabei könnt ihr Häuser jetzt in ganzen Blocks auf einmal bauen, so wie ihr normalerweise Straßen zieht. Apropos: Die Wegfindung der Straßen war in der Test-Version noch ein wenig hakelig – hier wollte das Spiel manchmal leicht unsinnige Routen bauen. Es kann aber sein, dass das bis zum Erscheinungstag bereits behoben ist.
Generell sind aber auch eure Produktionsstätten deutlich einfacher zu bauen. Denn ihr habt nicht mehr das typische "Wie setze ich die vier Obstfelder am besten um meine Obstfarm herum?"-Problem in Anno 2205. Die meisten Produktionsstätten bestehen lediglich aus einem Gebäude. Mit Spezialressourcen könnt ihr zusätzliche Module anbauen, um etwa ihre Produktivität zu steigern oder ihre Energiekosten zu senken. Das gibt euch mehr Freiraum und lässt euch Gebäude stets an äußere Umstände anpassen.
Auch Gebäude, die direkt ein bestimmtes Bedürfnis erfüllen - etwa Polizeistationen für Sicherheit - könnt ihr nach Belieben irgendwo auf der Karte platzieren und müsst sie nicht mehr zwingend in eure Wohnsiedlungen einbauen. In Siedlungen sind sie zwar effektiver, eine Farm aus Polizeistationen weit draußen bringt aber auch den gewünschten Effekt. Ergo: Mehr Platz für noch viel mehr Häuser.
Grafisch wie klanglich ist Anno 2205 ein Brett. Mal wieder haben die Macher keine Details ausgelassen. Fahrt ihr mit der Kamera nah an das Geschehen heran, seht ihr überall reges Treiben, geschäftige Arbeiter oder Menschen, die durch eure Parks spazieren. Und das alles ist so detailgetreu vertont, dass ihr euch fühlt, als wärt ihr wirklich mitten drin im Treiben eurer Stadt.
Besonders schön ist auch der Tag- und Nachtwechsel, der sich allerdings in den Kameraoptionen des Spiels versteckt und von Haus aus abgeschaltet ist. Den hätten die Entwickler deutlicher hervorheben können, denn eine Anno-Stadt bei Nacht ist ein echter Hingucker.
Die imposante Begleitmusik, die sich stets eurem aktuellen Ort und eurer Sitaution anpasst, könntet ihr auch auf CD pressen und euch den ganzen Tag in Dauerschleife anhören. So gut ist sie. Ansonsten ist Anno eben Anno. Das klingt vorerst unspektakulär, bedeutet aber: Die Steuerung geht gut von der Hand, das Szenario ist stimmig, die Grafik detailverliebt und mit einem leichten Hauch Comic-Optik versehen. Ein schönes Spiel für Jogginghosen-Tage am Computer eben.
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