von LarryKoopa (Dienstag, 24.11.2015 - 07:00 Uhr)
Grüner wird's nicht. Das beliebteste Reptil der Videospielwelt feiert sein Silberjubiläum! Mit Yoshi ist Nintendo ein Geniestreich geglückt. Erfahrt heute, wie männlich er wirklich ist.
In Japan erblickte Yoshi am 21. November 1990 das Licht der Welt. In Deutschland erst am 11. April 1992, aber das ist eine andere Geschichte. Doch im Grunde ist es auch egal, denn was zählt ist, dass Yoshi nicht mehr aus der Welt der Videospiele wegzudenken ist. Es ist sicher nicht nur unser Programmierer Tim, der jeden Abend mit Yoshi-Bettwäsche schlafen geht.
Man trifft sich im Leben immer zweimal, sagt man und verbindet damit für gewöhlich eine Mahnung: Man möge seine Mitmenschen lieber ordentlich behandeln, denn vielleicht gibt es irgendwann ein Wiedersehen. Und wer weiß: Womöglich haben sich die Rollen, die man im Leben spielt, bis dahin vertauscht.
Aber warum eigentlich so misanthropisch? Manche Leute haben den erhobenen Zeigefinger gar nicht nötig, denn sie sind von Natur aus redlich und verlässlich, liebevoll und treu. Sie sind als tolle Typen auf die Welt gekommen - und zum Glück gibt es Dinge, die ändern sich nie.
Die Guten dieser Welt verdienen deshalb ein aufmunterndes und kein drohendes "Man trifft sich immer zweimal!". Ihr trennt euch nicht für immer! Ein Wiedersehen, sei es, damit man eine gute Tat ausgleicht - sei es, um der sagenhaftesten Freundschaft aller Zeiten einen Neustart zu gönnen.
Als Mario in seinem Sommerurlaub 1990 auf der Dinosaurierinsel über ein grün-weiß gesprenkeltes Ei stolpert, ist er schimmerlos. Da entsteigt ihm ein erwachsener Dinosaurier und begrüßt ihn mit einem aufgeräumten "Hurra!" wie einen Kumpel.
Doch bei Mario klingelt gar nichts. Aber habt ihr noch den Babysitter aus eurer Windelära vor Augen? Selbst wenn es ein quietschender Dinosaurier mit angewachsenem Sattel und Kegelkugelschnauze war?
Ja, fast ein halbes Leben liegt zwischen dem ersten und dem zweiten Treffen. Mario war ein plärrendes Wickelkind mitten in der oralen Phase, als Yoshi und nicht weniger als alle seiner Stammesgenossen sich in so aufopferungsvollem wie putzigem Eifer Klein-Marios betrüblicher Lage annahmen - gewaltsam entrissen der geborgenen Obhut des Klapperstorchs, den ahnungslos wartenden Eltern vorenthalten und wie eine Opfergabe preisgegeben der erbarmungslosen Wildnis irgendeines gottverlassenen Archipels, auf dem es noch nicht mal freie Ausbildungsplätze für angehende Klempner gibt.
Das Leben ist eins der schwersten. Aber hat man einen Yoshi zum Freund, lässt es sich schon mal ein ganzes Stück leichter damit fertigwerden. Die Bindung zwischen Mario und Yoshi ist von Anfang an so stark wie ein Stahlkabel mit eingewobener Kreuzspinnenseide. Und die Gutmütigkeit der Yoshis macht dabei den Löwenanteil der ganzen Webarbeit. Als gäbe es haufenweise Yoshikekse als Bezahlung, gibt es für die bunten Dinos gar keine Diskussion: In dem Moment, als Säugling Mario wie der erste Asteroid mit Schnuller (aber nicht der erste ohne Zähne) vom Himmel fällt, ist allen klar: Diesem Wonneproppen muss geholfen werden!
Aus dem mühseligen Marsch zum Kampf gegen Baby Bowser (den Fiesling, der nicht nur Mario rauben wollte, sondern dessen Bruder Luigi auch wirklich entführt hat) machen sie einen hurtigen Staffellauf: Mario wechselt von einem Sattel in den nächsten; abwechselnd trägt ihn jeder der Yoshis ein Stück weiter über ihre Insel.
Nach dem zusammen errungenen Sieg über das infantile Reptil haben Yoshis und Mario-Brüder einen gemeinsamen Feind. Eine verschwörerische Übereinkunft, an der sich niemals etwas ändern soll. Doch auch Bowser sinnt auf Rache, angestiftet von seinem sinistren Vormund Kamek. Bowser bläht die wunden Nüstern und haucht eine schlanke, züngelnde Flamme in sein Kinderzimmer. Bald wird er für sich selber sorgen können, und der gallige Vergeltungsdurst im Namen des Koopageschlechts, der reicht für ein langes, langes Echsenleben.
Diese erste und grundlegende Episode in der Freundschaftsgeschichte zwischen Klempnern und Dinos erzählt Nintendo nicht als erste. Die Spieler lernen Yoshi kennen, als Mario ihn auf der Dinosaurierinsel nach Jahrzenhnten wiedertrifft. Da ist er eingesperrt in ein Ei. Bowser mal wieder! Der Koopakönig ist längst im besten Mannesalter, provozierend agil und hat nicht nur Prinzessin Peach, sondern auch Yoshis Freunde in seiner Gewalt.
Ob Mario sich nun erinnert oder nicht an seinen geschuppten Weggefährten aus Kindertagen - er vergilt Yoshis Freundschaftsdienst von einst und steht ihm nun bei der Rettung seiner Artgenossen bei. Und schließlich führt der Weg zu den gefangenen Yoshis letztlich auch zur Prinzessin. Das Abenteuer auf der Dinosaurierinsel nennt Nintendo Super Mario World und veröffentlicht es zeitgleich mit dem Super Famicom (so heißt das Super Nintendo in Japan) am 21. November 1990. Nicht nur Yoshi wird (aus Sicht der Spieler) also ein Vierteljahrhundert alt, auch die 16-Bit-Generation im Hause Nintendo.
Es ist Marios vierte richtig breit angelegte Rettungsaktion und Shigeru Miyamoto nennt sie bis heute, wenn man ihn nach seinem Lieblingsspiel fragt. Der Verdacht liegt nahe, dass Yoshi dafür eine entscheidende Verantwortung trägt. Er ist ein Dinosaurier, aber kaum größer als Mario selbst. Er ist lammfromm, kreuzbrav und nicht zuletzt so süß wie Saccharinkonzentrat. Die Spieler sind augenblicklich vernarrt in ihn.
Mit Yoshi ist nicht nur Marios Freund fürs Leben auf den Bildschirm gehopst, sondern auch der der Nintendo-Anhänger in aller Welt. Ein zutrauliches Reittier für die Klempnerexkursionen hat Miyamoto sich schon seit kurz nach Veröffentlichung von Super Mario Bros. 1985 gewünscht. Sein alter Freund Takashi Tezuka grinst, wenn er sich daran erinnert. Das komme vermutlich daher, dass sein Kollege so begeistert vom Reiten und vom Westernambiente sei, sagt er.
Miyamoto zuckt die Achseln. Schon möglich. Aber leider habe ihm die dürftige Rechenleistung des NES ja einen Strich durch die Rechnung gemacht. Nintendos erste erfolgreiche Heimkonsole kann mit dem Konzept einer doppelten Spielfigur (nichts anderes sind ein Lasttier und sein Reiter ja) nicht umgehen. Überall seien Miyamotos Skizzen von potentiellen Klempnergenossen mit belastbaren Rücken damals rumgeflogen, sagt Tezuka. Aber es ging halt nicht, auch nicht bei Super Mario Bros. 3. Anzüge entwirft das Team noch und nöcher.
Dass er Mario keinen treuen Esel oder etwas in der Art zur Seite stellen kann, macht Miyamoto trotzdem traurig. Er muss tatsächlich bis 1990 warten. Erst das SNES ist in der Lage, Miyamotos Traum zu erfüllen. Und beim Reittier-Casting geht er dann recht konservativ vor. Denn Yoshi sieht einem der von Miyamoto entworfenen Helden nicht nur ähnlich, er verhält sich auch so: Tamagon aus dem Spiel Devil World von 1984 ist im Grunde nichts anderes als die evolutionäre Vorstufe eines Yoshi - schon ein Dinosaurier, aber noch mit amphibischen Erbanlagen, schon mit professionell und durchgehend tapsigem Auftreten, aber noch ohne den so nützlichen wie vermutlich atavistischen Sattel.
Auch Tamagon schlüpft aus einem Ei, auch Tamagon schluckt seine Feinde runter, auch Tamagon kann man vor jedem "Wer hat die Längste?"-Wettbewerb getrost zum Sieger küren, denn seine ellenlange Zunge schlägt keiner. Höchstens eben Yoshi.
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