Miyamoto holt den Kreidezeit-Veteranen ins Team und stellt gleich darauf fest, dass das Vieh eine quietschbunte Entourage aus Verwandten und Bekannten im Schlepptau hat, als er in Kyoto zum Vorstellungsgespräch erscheint. Die Farben stehen damals noch für verschiedene Fähigkeiten: Ein roter Schildkrötenpanzer färbt auch Yoshi rot - und lässt ihn Flammen speien, ein gelber macht ihn zum König der Stampfer und blau verleiht Flügel.
Aber wenn der Sattel wirklich ein Atavismus ist, dann hieße das ja, er sei so etwas wie ein evolutionärer Wiedergänger, ein Überbleibsel von Yoshis Vorfahren, der sich auf einmal wieder zeigt. Dachtet ihr nicht auch bisher immer, dass Mario dem Dino seinen Sattel einfach umgeschnallt hat? Tezuka grinst schon wieder (anscheinend seine mimische Standardeinstellung) und erzählt noch einmal von der Zeit, als sein Kollege, der Grafikdesigner Shigefumi Hino gerade einen Entwurf für den Dino anfertigte, den sie Mario an die Seite stellen wollten.
"Wir dachten erst, es müsse ein Angehöriger der Koopa-Spezies sein", sagt Shigefumi Hino. "Er sollte einen Panzer auf dem Rücken haben." Vielleicht also ein mutierter Koopa? Und wer sagt, dass Yoshi nicht genau das ist? Entwicklungsgeschichtlich gesehen mag er eine Art Cousin von Bowsers Fußsoldaten sein (ähnlich wie Mensch und Schimpanse), aber der Sattel unterstreicht die verwandtschaftliche Nähe. Festgewachsen ist er mit Sicherheit - und es gut möglich, dass er unter der roten Oberfläche voller Hornplatten ist.
Doch wie dem auch sei: Yoshis Popularität ist beispiellos und kommt der von Mario Anfang der Neunziger mindestens gleich. So wie Marios Konterfei die Spielzeugwelt und die der Haushaltsartikel bislang überschwemmt hat, so tut Yoshi es ihm von nun an gleich. Kein Problem, eine Drei-Zimmer-Wohnung ausschließlich mit Yoshi-Möbeln zu bestücken. Nintendo hat einen neuen Star - und was für einen! Aber interessanterweise reagieren die Entwicklungsabteilungen nur zögerlich auf die allgemeine Begeisterung.
Zwar lassen Dino-Auftritte auf NES und Game Boy und weitere auf dem Flaggschiff SNES nicht lange auf sich warten, doch handelt es sich bei Titeln wie
lediglich um ordentliche bis gute, aber keinesfalls ausladende Spielchen. Yoshis großes Abenteuer? Die Legende der Yoshis? Das Geheimnis der Yoshi-Insel? Fehlanzeige - gibt es alles nur als Sehnsucht der Spieler von damals.
Aber Miyamoto klärt euch auf. Fast fünf Jahre müssen sich die Spieler in Geduld fassen, bis Nintendo endlich die Vorgeschichte erzählt, die Geschichte davon, wie Mario als Baby die Yoshis kennengelernt hat. Und das liegt schlicht daran, dass die Entwicklung beinahe so lange gedauert hat. „Und als ich das Spiel mit seiner Mario-Grafik schließlich in der Technikabteilung vorstellte“, fährt Miyamoto fort, „wollten die es erst gar nicht haben, weil es ihnen zu altbacken erschien, damals, als die 3D-Darstellung gerade in ihre Kinderschuhe trat.“
Sozusagen aus Trotz macht er Yoshi’s Island danach noch eine ganze Ecke verspielter. Was vorher bunt war, wird jetzt quietschbunt, was vorher einen einheitlichen Farbton hatte, wirkt anschließend wie mit Wachsmalstiften bekritzelt. Das wiederum überzeugt die Techniker. Sie geben ihr Okay – und Shigeru Miyamotos Karriere bekommt nach 18 Jahren bei Nintendo noch einmal einen ordentlichen Schub. Die Fachpresse überschlägt sich förmlich in lobpreisenden Huldgesängen für Yoshi's Island. "Das beste Hüpfspiel, das es je gab!" ist zur Zeit der Veröffentlichung des späten SNES-Spektakels noch eine der bedächtigen Formulierungen.
Nach 20 Jahren fällt der Rückblick auf Yoshis erste nennenswerte Hauptrolle eine Idee nüchterner aus. Zu den besten Hüpfspielen mag es zählen, Super Mario Bros. 3 und Super Mario World sind ihm aber mindestens ebenbürtig, eher ein wenig überlegen - die "Donkey Kong Country"-Trilogie nebenbei bemerkt auch.
Doch neben der mit Yoshi's Island aufgefrischten Dino-Verzückung kommt allmählich die Frage auf nach Yoshis Identität. Wer ist er und wenn ja, wie viele? Yoshi ist ein Yoshi namens Yoshi - so weit, so irritierend. Aber ist der Yoshi Yoshi wirklich derselbe Yoshi, dem einst der Säugling vor die Stampfstiefel gepurzelt ist? Allem Anschein nach ja. Aber trotzdem ist die Verwirrung perfekt, wenn Person und Spezies denselben Namen tragen und sich fast alle Vertreter der letzteren auch noch höchstens durch die Hautfarbe unterscheiden. Nur Marios engster Dunstkreis kann wohl sicher sagen, ob es wirklich den einen individuellen Yoshi gibt, der seine Rasse seit einem Vierteljahrhundert bei allen Großveranstaltungen im Land so emsig vertritt – und vielleicht ja noch nicht mal die.
Hinzu kommt Yoshis seltsame Vermenschlichung, die sich zwischen seinem ersten Auftritt in Super Mario World und Yoshi’s Island vollzogen hat (wobei natürlich weiterhin gilt, dass Yoshi’s Island vor allen anderen Mario-Abenteuern spielt).
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