Als auf der Dinosaurierinsel vor Mario die Eierschale aufplatzt, äugt ihm ein Tier entgegen. Yoshi hat einen langen Hals und kurze Arme. Durch seinen Körperbau ist es ihm unmöglich, sich aufrecht hinzustellen, und er ist ein ganzes Stück größer als die Klempnerbrüder. Aber nun guckt euch den späteren Yoshi an: Er ist nicht größer als die anderen Typen rund um Mario und er benimmt sich wie ein (wenn auch reichlich überspannter) Mensch. Der krumme Rücken ist fast verschwunden und aus den ungelenken Reptiliengreifern sind grazile Arme geworden.
Aber auch Yoshis Ausstrahlung ist pünktlich seit Yoshi’s Island eine andere: Das liebenswerte, aber auch zweifellos edle Tier aus Super Mario World ist fortan der eher gnomenhafte Kauz mit dem harmoniesüchtigen Gehabe. 1990 noch mimt der Dino den artigen Hund; in der zweiten Hälfte des Jahrzehnts saust er mit Karacho über die mit Rosenblättern markierte Grenze zum Kitsch. Die dunkelste Stunde in Yoshis Werdegang heißt Yoshi's Story und kommt in Japan Ende 1997 in den Handel.
Schon spielerisch und vor allem vom Umfang her ist das N64-Hüpfspiel eine böse Enttäuschung für diejenigen, die mit einem Yoshi's Island 2 gerechnet haben (und das waren damals fast alle). Yoshi's Story wirkt – bei allem Respekt - wie der missglückte Nachahmungsversuch eines mäßig talentierten und unterbezahlten Entwicklers, den keiner kennt. Verdrängt also mal ganz schnell, dass Takashi Tezuka als Produzent verantwortlich zeichnet.
Am peinlichsten für Yoshi aber ist die Präsentation des Spiels: Jemand hat den irrsinnig grienenden Happybaum gestohlen und nun schwindet der sonst allgegenwärtige Frohsinn im Reich der Yoshis. Ihrem Hang zum quengelnden Gesinge tut das aber leider noch keinerlei Abbruch. Yoshi's Story ist wahrlich kein Meilenstein, es ist aber immerhin die Premiere für Kazumi Totaka in seiner Rolle als Yoshis Stimme - und die spielt er bis heute.
Ihr kennt vielleicht Totakas persönliches Lied (bekannt als Totakas Song), ein paar immer gleiche Akkorde, die er in einer ganzen Reihe von Spielen verschiedener Jahrzehnte versteckt hat. Daneben leiht er Professor I. Gidd aus den „Luigi’s Mansion“-Spielen seine Stimme.
Aber apropos Stimme und apropos Sprache: Kann Yoshi sich nun eigentlich unterhalten mit seinen Freunden und Feinden oder brabbelt er stets nur sein „Yoshi!“ in den verschiedensten Betonungen? Wäre dem so, dann würde er seine unerschütterliche Fröhlichkeit wohl jedenfalls nicht nur heucheln, denn das japanische Wort Yoshi ist nichts anderes als ein glücksgeladener Freudenruf, ungefähr wie „Toll!“. Aber Yoshi – DER Yoshi – kann mehr. Vielleicht ist das auch sein Erkennungsmerkmal Nummer eins. Natürlich hören die Spieler ihn nicht wirklich sprechen, aber es gibt in dem riesigen Sammelsurium der Spiele mit Yoshi-Bezug genug Sprechblasen, die Yoshi von sich gibt.
Interessant sind die Sprechblasen, deren Text nicht wie bei vielen anderen Yoshis in Anführungszeichen steht, um klarzumachen, dass es sich dabei nur um eine Übersetzung aus der Dino-Sprache handelt. Es gibt Spiele (zum Beispiel Super Mario RPG), in denen Yoshi sogar dolmetscht zwischen Mario und anderen weniger begabten Artgenossen. Ein Genie ist er also auch noch. Das ändert aber nichts daran, dass Yoshi sich nach 1997 wieder rar macht.
Aber das Mario-Universum ist so gestrickt, dass man davon gar nicht viel mitbekommt. Kart-Rennen, Golfturniere, Olympische Spiele, Tennis, Baseball, Fußball, alle 18 Mario-Partys ... er ist doch immer dabei! In den 90er-Jahren tritt Yoshi in 50 Spielen auf, zwischen 2000 und 2009 sogar in 58. Und bis heute ist er in 134 Videospielen dabei gewesen. Doch so hart und zunächst unglaubwürdig es klingt: Yoshis Großtaten seit dem zwei Jahrzehnte alten Yoshi's Island lassen sich an einer Hand abzählen.
Das einzige Metier, in dem er sich als Held wohl zu fühlen scheint, ist das kindlich angehauchte Hüpfspiel mit Inselidylle. Zwischen 2004 und 2015 entstehen die Teile 3 bis 7 der Yoshi's-Island-Reihe. Auch wenn sie Titel wie Yoshi's Universal Gravitation (GBA, 2004) oder Yoshi's New Island (3DS, 2014) tragen, hat sich an der inzwischen uralten Machart des Originals kaum was geändert. Alle Nachfolger sind weitere Yoshi-Inseln in ausgeklopftem Gewand.
Die vielen ihm gewidmeten Strecken in der Mario-Kart-Serie lassen keinen Zweifel daran, wie sehr die Yoshis im Pilzkönigreich verehrt werden. Warum also behandelt Nintendo ihn nur scheinbar wie das Traummaskottchen, das er ganz bestimmt ist und das andere Firmen gerne hätten? Mario ist der Hauptdarsteller in gleich mehreren parallel laufenden Hüpfspielserien, seine zwei Rollenspielsagen sind gerade im Begriff, sich in Mario & Luigi - Paper Jam Bros. kunstvoll zu verflechten.
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