von Deinjo (Samstag, 02.04.2016 - 14:05 Uhr)
Was bedeutet Doom? Ist es mehr als nur in Wort, bei dem bei deutschen Jugendschützern die Alarmglocken schrillen? Onkel Jo berichtet von seinem Leben als Doom-Groupie.
Es würde mich nicht wundern, falls ihr Doom nicht kennt. Es ist in gewisser Weise ein Relikt. Doom steht für die erste Generation an PC-Spielen, die 3D-Spiele wirklich salonfähig gemacht hat. Und es steht für jede Menge sinnlose Gewalt. Virtuelle versteht sich. Doom ist das Spiel, vor dem euch eure Eltern immer gewarnt haben. Und es lebt!
In diesem Augenblick läuft der geschlossene Beta-Test von Doom, dem vierten Teil der Reihe. Bekommt ihr da nicht Lust, die alte, doppelläufige Schrotflinte abzustauben und auf virtuelle Monster-Jagd zu gehen? Ich auf jeden Fall. Falls ihr euch jetzt fragt, von was dieser Typ von spieletipps hier faselt, schnappt euch bitte ein kühles Getränk, lehnt euch in einem bequemen Sessel zurück und lasst euch von mir entführen in eine Welt ohne die es die Spiele nicht gäbe, die ihr kennt.
Verehrte Leser und Leserinnen, lasst mich das Doom-Gen in euren Köpfen reaktivieren! Ich weiß, dass dieses Gen auch bei euch vorhanden ist. Ich weiß das, denn ich habe es bei mir selbst vor vielen, vielen Jahren entdeckt.
Mit Shootern verbinden jüngere Spieler heute in erster Linie Call of Duty, Battlefield oder Far Cry. Die Marke Doom ist vielen Spielern heutzutage kein Begriff mehr. Was für ein Fehler! Aber natürlich auch irgendwie kein Wunder. Denn in der Zeit, in der Entwickler id Software den neuen Teil programmiert hat, werden ganze Firmen gegründet und gehen wieder pleite.
Zwölf Jahre sind vergangen seit Doom 3, dem bisher letzten Serienteil. Zwölf! Damals war "Lebt denn dr alte Holzmichl noch...?" in den Charts und Griechenland Fußball-Europameister. Und die Wurzeln der Serie reichen sogar noch weitaus tiefer in die Vergangenheit.
Dass es sich bei Doom um einen der wenigen Meilensteine der Computer- und Videospielgeschichte handelt, erfahren heute allenfalls noch Studenten, wenn sie mal wieder eine wissenschaftliche Abhandlung über den Beginn der 3D-Grafik lesen. Dabei ist Doom kein anspruchsvolles Spiel. Nicht mal Ende 1993, als der erste Teil als Shareware-Version erscheint. Doom ist stumpf, böse und verflixt einfach gestrickt. Doch genau dafür liebe ich es.
"Vorsicht, extreme Suchtgefahr! Doom knallt direkt in euer Kleinhirn und weckt da den rasenden Wahnsinn", schreibt Volker Weitz damals in der Zeitschrift Power Play. Und wie recht der Mann doch hatte. Die Kombination aus blutrünstigen Monstern, verschachtelten Karten und kleinen Rätseln zwingt mich förmlich vor den Bildschirm. Mir war klar: Ich brauche dieses Spiel. Und zwar bevor es indiziert wird und ich nicht mehr da rankomme.
Michi, ein guter Freund von mir, war gerade von Amiga auf PC umgestiegen. Irgendeine zu der Zeit bahnbrechende Kiste surrte unter seinem Schreibtisch. Vermutlich ein 486er mit vier Megabyte Arbeitsspeicher, dessen Rechenleistung heute selbst der Steuereinheit einer Waschmaschine unterlegen wäre. Mit Michi schmiedete ich den Pakt, dass wir an seinem Rechner dieses neue Überspiel namens Doom zocken - sofern ich das Spiel besorge. Also habe ich Doom bestellt. Für 99 Mark. Mit der Post. OBWOHL ICH NICHT MAL EINEN RECHNER HATTE! Mann, war ich ein Irrer (Anmerkung der Red: "War"?). Als das gelbe Postauto endlich in den Hof einbog, war die Freude groß.
Doom war unglaublich. Mit Ungeheuern, so derbe wie sie kein Horrorfilm auf VHS gezeigt hat. Mit der Kettensäge im Spiel pflügten wir uns eine blutige Schneise durch die virtuelle Hölle. Meine Güte, war das ein Fest. Ein Schlachtfest. Bei jedem Zischen einer Schiebetür machten wir uns fast in die Hose, jedes Grunzen ließ uns im Zimmer herumwirbeln. Habe ich schon erwähnt, dass Musik und Geräuschkulisse einen nicht unbeträchtlichen Teil der Atmosphäre ausmachen? Es gibt so viele versteckte Türen, Schätze und Gegner ... wer am Ende eines Levels 100 Prozent als Wertung bekommen wollte, hatte viel zu tun. Eine frühe Form der Erfolge und Trophäen.
Die Grafik ist aus heutiger Sicht pillepalle. 1993/94 hingegen war sie eine Sensation. Hersteller id Software hat bereits für Wolfenstein mit neuer PC-Technik experimentiert und die Kunst bei Doom weiter verfeiner. Dass id-Cheftechniker John Carmack die 3D-Effekte mit einem Trick erkauft hatte, juckte uns nicht. Dass die Monster in Wahrheit 2D-Modelle waren und wir sie nie umkreisen konnten ... egal. Doom war damals größer als heute GTA 5, Call of Duty, Pokémon und Naruto zusammen. Es war der personifizierte Traum eines Computerspielers. Das Spiel, das eine ganze Generation geprägt hat.
Nur ein Jahr nach Teil 1 schob id Software bereits Teil 2 hinterher. Damals wohnte ich in Kopenhagen und hatte das Glück, die fortschrittliche CD-ROM-Fassung in der Innenstadt zu erstehen. In Deutschland hatte das Spiel hingegen Probleme. Die zwei als Hommage enthaltenen Wolfenstein-Levels waren daran nicht unschuldig.
Den Endgegner von Doom 2 - Hell on Earth habe ich nur per Cheat besiegt, das gebe ich zu. Hinter einer Wand konnte ich den Kopf von Level-Gestalter John Romero sehen. Aufgespießt auf einem Pflock. Was für eine coole Sau! Als ich ihn rund fünf Jahre beruflich später wegen seines neuen Ego-Shooters Daikatana traf, fiel mir dieses Bild sofort wieder ein.
Überhaupt wurde es schon damals eine ganze Weile ruhig um Doom. Entwickler id Software konzentrierte sich auf die Lizenzierung ihrer Grafik-Engine und weniger darauf, endlich mal Nachschub im Spielebereich zu liefern. Für Konsolen gab es diverse Umsetzungen der zwei Spiele, inklusive Neuinterpretationen samt einzelner Zusatzabschnitte.
Doch so nett Ableger wie Final Doom oder Doom 64 auch sind, wusste doch jeder, dass die echte Revolution nur am PC erfolgen konnte. Die Welt und ich warteten auf Doom 3!
Während Doom im Ausland jede Menge Auszeichnungen abräumte, flog es in Deutschland allerdings unter dem Radar der breiten Öffentlichkeit. Natürlich kannten Freaks wie meine Kumpels und ich Doom und Kopien des Spiels verbreiteten sich wie ein Herpes-Virus im Swingerclub. Auch erstellten Spieler jede Menge eigene Levels, sogenannte WADs, die man sich in einschlägigen BBC-Boards (dem Vorläufer von Internet-Tauschbörsen) runterladen konnte. Doch in den Läden und damaligen Medien sah man wenig von dem Action-Platzhirsch. Der Name Doom war tabu.
Schuld daran trägt die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BpjM), die den ersten beiden Teilen schnell einen Indizierungs-Riegel vorschob. "Bedenkenlose Liquidation zahlloser Gegner" und "sozialethisch desorientierend" hieß es dort und die Spiele wanderten in die Schmuddelecke unter dem Ladentisch. Das war die Gesellschaft 1994. Heute unterstellen euch die Behörden kein „voyeuristisches beziehungweise sadistisches Interesse" mehr wegen einer "effektheischenden Aufbereitung blutiger Metzelszenen". Dass der ursprüngliche Grundriss einer Karte aussieht wie ein Hakenkreuz, trug sicher ebenfalls zur Ächtung bei. Vergangenheit ...
Das neue Doom erscheint tatsächlich extrem brutal und trotzdem ungeschnitten in Deutschland. Ein erstaunlicher Beweis für die inzwischen deutlich liberale Haltung der deutschen Behörden. Denn bei der Menge an Pixelblut und virtuellem Gedärm hätte vor einiger Zeit noch kaum jemand mit einer ungeschnittenen Veröffentlichung so eines Spiels in den hiesigen Breitengraden gerechnet. Tatsächlich hat Herausgeber Bethesda sogar die alten Doom-Episoden vor fünf Jahren juristisch vom Index befreit.
Auf der nächsten Seite verrät Onkel Jo, weshalb er in Los Angeles vor einer Plakatwand gekniet hat und weshalb es Bilder auf Papier gab.
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