Super Mario 64

20 Jahre Nintendo 64 (N64): Wir feiern Geburtstag und graben Anekdoten aus (Special)

von LarryKoopa (Donnerstag, 23.06.2016 - 06:00 Uhr)

Nintendos dritte große Heimkonsole wird 20, das "Project Reality" sogar schon 23. Verzögert und verschoben hat sich das N64 reichlich. Beinahe hätte Nintendo dabei den Bogen überspannt.

Inhaltsverzeichnis

Als reinrassige Erfolgsgeschichte kann Nintendo das N64 nicht verbuchen. Trotzdem hat die Konsole auch heute noch viele Liebhaber in Deutschland. Hier ist das Nintendo 64 am 1. März 1997 erschienen (in Japan ein paar Monate früher, weshalb wir den Geburtstag heute feiern). Zu dem Zeitpunkt hatten PlayStation und Saturn bereits lange ihr Revier abgesteckt. Wir beginnen die Geschichte mit dem ergreifenden Erfahrungsbericht eines N64-Zeitzeugen ...

Onkel Jo hält sein erstes N64-Spiel bis heute in Ehren.
Onkel Jo hält sein erstes N64-Spiel bis heute in Ehren.

Meinung von Onkel Jo

20 Jahre ist das schon her? Meine Güte. Ich erinnere mich an meine aktive N64-Zeit noch gut. Für mich markierte besonders Mario 64 zum Konsolenstart einen Wendepunkt - war es doch das erste Spiel, dessen Spielspaß beim Sprung von 2D zu 3D nicht in eine Polygonspalte abgerutscht ist. Mario ließ sich präzise steuern wie eh und jeh und hüpfte dabei durch eine echt dreidimensionale Spielwelt. Es war für mich der Aufbruch in ein neues Spiele-Zeitalter, sogar beeindruckender als die Doom-Revolution ein paar Jahre zuvor.

Das alles klingt zu Zeiten von dynamischen Schatten und "Physically Based Rendering" wie in Battlefield 1 oder Witcher 3 lächerlich normal, damals war das in etwa so als könne heute plötzlich Geruch per Fernsehen übertragen werden. Was danach am N64 kam, konnte den Standard auch in puncto Spielfreude allerdings nicht mehr halten oder gar die Messlatte höher legen. Der Spitzname Nebel 64 machte die Runde als dem N64 die Rechenkraft für vernünftige Sichtweiten ausging. Turok & Co konnten mich dadurch nie so überzeugen wie die Menschen aus meinem Freundeskreis. Trotzdem hatte ich mit dem Gerät jede Menge Spaß.

Ich rechne es Nintendo hoch an auf Module als Datenträger gesetzt zu haben, obwohl diese Technik bereits damals überholt war. Natürlich war es aus den damit verbundenen Linzenzabgaben der Dritthersteller und eingesparten Geldern an die CD-Hersteller natürlich nicht uneigennützig von Monopolist Nintendo. Dennoch hat das dazu geführt, dass man sich auch heute keine Sorgen machen braucht, dass ein Spiel nicht mehr funktioniert oder ewig lädt. Nochmals danke dafür, Nintendo!

Gekauft habe ich mein N64 tatsächlich gebraucht. Etwa drei Monate nach dem Erstverkaufstag. Da gab es nämlich den ersten Preiseinbruch. Weil der Verkauf schleppender anlief als geplant, senkte Nintendo ziemlich plötzlich den Verkaufspreis - um 100 Mark, wenn ich mich richtig erinnere. Eine ideale Verhandlungsposition, denn daraufhin erstand ich gebraucht ein Gerät mit drei Spielen zum Schnäppchenpreis.

Viele Stunden habe ich mit gewissen "James Bond"-Shootern verbracht (kann ich heute nur noch mit körperlichen Schmerzen spielen), im Mehrspieler von Lylat Wars (Starfox 64), im Rennen gegen die Geisterfahrer von Diddy Kong Racing (ein unterschätzter Meilenstein), bei dem Versuch AT-ATs in Star Wars - Shadow of the Empire zu Fall zu bringen oder auch mit PES-Vorläufer International Superstar Soccer 64. So vieles hat das N64 erst etabliert im Spielemarkt. Alleine der vibrierende Controller (dank Rumble Pak) oder der Analogstick setzten neue Maßstäbe. Dass der Stick bei meinen Pads schneller das Zeitliche segnete als ein Schnitzel außerhalb des Kühlfachs - geschenkt! Auch klasse, dass die Konsole von Werk aus vier Joypad-Anschlüsse bietet.

Für Daikatana von John Romero habe ich mir dann sogar eine von diesen roten Speichererweiterungen zugelegt. Das hat sich gelohnt ... nein, eigentlich nicht. Das Spiel sah immer noch wie der verweste, hässliche Bruder seiner ohnehin nicht hübschen PC-Fassung aus. Ich bin dann sogar an einer Stelle nicht mehr weitergekommen: Wohl wegen eines Bugs, aber ich will das nicht mehr nachprüfen, mein Augenarzt hat mir dringend davon abgeraten. Nun ja, Module hatten eben doch nicht nur Vorteile. Das hat dann Nintendo spätestens auch gemerkt, als die Spieler vermehrt zu den günstigeren und oppulenteren CD-Produkten der Konkurrenz griffen. Hätte die Firma nicht mit dem Pokémon-Boom einen zweiten N64-Frühling ausgelöst, wäre sie vermutlich kommerziell als zweiter Virtual Boy in die Geschichte der Verkaufs-Flops eingegangen. Aber so ging schließlich alles halbwegs gut aus.

Trotzdem hat Nintendo dem N64 für seine Verhältnisse ungewöhnlich schnell den Laufpass gegeben. Den letzten Meilensteine der Konsole, sprich Conkers Bad Fur Day mit seinem schmutzigen Humor, hat dann in Deutschland auch nicht mehr Nintendo selbst veröffentlicht, sondern THQ sprang 2001 in die Bresche. Erwähnenswert sind für mich noch die Ballereien Sin and Punishment und vielleicht Star Soldier, die es nicht mehr nach Europa geschafft haben. Um sie zu spielen, benötigt man tatsächlich eine Importkonsole - Nintendo und ihr üblicher Ländercode-Murks. Ja, es gibt einfach zu wenig Action-Spiele am N64, das lässt sich kaum leugnen.

Nichtsdestotrotz bleibt das Nintendo 64 bei mir unvergessen. Neulich habe ich mir mit Beetle Adventure Racing sogar noch mal ein Modul gegönnt. Gute, alte Zeit ...

Da die Epoche des N64 genau in die Früh- und Hochphase der Pokémon fällt, lässt eine Pikachu-Edition auch nicht lange auf sich warten.
Da die Epoche des N64 genau in die Früh- und Hochphase der Pokémon fällt, lässt eine Pikachu-Edition auch nicht lange auf sich warten.

Nintendo will erneut die Videospiel-Weltherrschaft

Der Boss in Rage und der Boss beim Zocken. Vielleicht sind es diese zwei Szenen aus dem gemeinhin antiseptischen Führungsalltag von Hiroshi Yamauchi, die die Ära des Nintendo 64 am deutlichsten versinnbildlichen. Genau wie die unruhige Stimmungslage bei Nintendo und den generellen Zeitgeist aus unerfüllten Träumen von virtueller Realität und Vorausläufern des Internet-Booms. Es sind solche Hemmnissen, die ausgerechnet der leistungsfähigsten Videospielkonsole ihrer Zeit von Anfang an Steine vom Format einer Heimkonsolenkassette in den Weg legten. Ein Drama, das letztlich dazu führt, dass die Konsole vorzeitig zu Grabe getragen wird.

Yamauchi spielte in seiner Freizeit sonst nur das Brettspiel Go.
Yamauchi spielte in seiner Freizeit sonst nur das Brettspiel Go.

Szene Nummer 1 zeigt den damaligen Nintendo-Präsidenten im Rahmen eines japanischen Fernsehbeitrags in befremdlich aufgeräumter Verfassung und – eigentlich ein Sakrileg für den bekennenden Videospielverächter Yamauchi – bei einer entspannten Runde Super Mario 64. Mit seiner Honecker-artigen Fistelstimme erläutert der damals schon fast 70-Jährige, wie ausnehmend gut ihm dieses neue Mario-Abenteuer doch gefalle.

Yamauchi aufgesetztes Lächeln wird auch dann nicht schmaler, als sein Mario nach ein paar Sekunden gegen die erstbeste Wand knallt und sich durch keine Kraft der Welt mehr davon lösen zu lassen scheint.

Die Welt des Nintendo 64 (N64)

Die Welt des Nintendo 64 (N64)
Die Welt des Nintendo 64 (N64)
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Square was los

Szene Nummer 2 ist womöglich teilweise ein Produkt moderner Legendenbildung und wir können nicht sagen, wie viel davon wahr ist. Sie soll sich am 12. Januar 1996 abgespielt haben, wenige Monate vor Szene Nummer 1.

Die farbigen Controller des N64 sind damals noch fast ein Alleinstellungsmerkmal für die Konsole.
Die farbigen Controller des N64 sind damals noch fast ein Alleinstellungsmerkmal für die Konsole.

An dem Tag gibt Nintendos langjähriger Geschäftspartner Square bekannt, mit dem siebten Teil der milliardenschweren Rollenspielserie Final Fantasy Nintendo den Rücken zu kehren und sich stattdessen dem Emporkömmling Sony an den Hals zu werfen – so kommt die Botschaft bei Yamauchi jedenfalls an.

Square hält das N64 mit seinen beim Speicher stark begrenzten Steckmodulen für untauglich, ein cineastisches Feuerwerk wie Final Fantasy 7 abzubrennen, und wechselt deshalb zu Sonys erster Playstation, Nintendos neuem Lieblingsfeind im Ringkampf der Heimkonsolen.

Final Fantasy 7 - PlayStation-Trailer von der E3

Neues Feindbild Sony

Die Playstation bekommt also eine ungemein wertvolle Hausmarke, Nintendo einen neuen Gegner und Yamauchi einen Tobsuchtsanfall. So zumindest ist es überliefert. Beleidigt ist der Patriarch auf jeden Fall, denn die spärlichen Annäherungsversuche, die Square in den nächsten Jahren noch wagt, lässt Yamauchi abtropfen wie einen unsittlichen Antrag.

Sony veröffentlicht die Playstation 1 in Japan Ende 1994. Obwohl ihr Arbeitsspeicher nur halb so groß ist wie der des N64, ist sie der Hauptkonkurrent.
Sony veröffentlicht die Playstation 1 in Japan Ende 1994. Obwohl ihr Arbeitsspeicher nur halb so groß ist wie der des N64, ist sie der Hauptkonkurrent.

Dabei war es Yamauchi selbst, der ein paar Jahre zuvor am Tag der anberaumten Unterzeichnung den lange ausgehandelten Vertrag mit Sony auf einmal abgeschmettert hat. Der Deal für eine Nintendo-Sony-Konsole platze dadurch von einer Stunde auf die andere. Yamauchi züchtete sich damit das heran, was er vielleicht verdiente: einen selbstbewussten Konkurrenten, der Nintendo in nur wenigen Jahren vom Thron stoßen würde.

Weiter mit: Primaten im Nintendo-Haus

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