Super Mario 64

20 Jahre Nintendo 64 (N64): Wir feiern Geburtstag und graben Anekdoten aus - Seite 2 (Special)

Primaten im Nintendo-Haus

Inhaltsverzeichnis

In der Videospielbranche gilt es als ungeschriebenes Gesetz, dass die großen Konsolenhersteller sich unvermittelt an die Produktion der nächsten Spielemaschine machen, sobald die aktuelle auf dem Markt ist. Ob das nun wörtlich zu nehmen ist oder nicht – im Falle des N64 ist eine ausgesprochen langwierige Genese verbürgt. Langwierig nicht nur für Nintendo, sondern auch aus der Sicht des Verbrauchers.

Die Demonstrationsvideos, die SGI und Nintendo 1994 vorführen, sollen zeigen, dass auch aus der Nähe keinerlei Pixeln beim Project Reality zu erkennen sind.
Die Demonstrationsvideos, die SGI und Nintendo 1994 vorführen, sollen zeigen, dass auch aus der Nähe keinerlei Pixeln beim Project Reality zu erkennen sind.

Im August 1993 erfährt die Welt, dass die Entwickler hinter verschlossenen Türen in Kyoto bereits an einem Nachfolger für das erst zweieinhalb Jahre alte Super Nintendo werkeln. In großspurigem Ton fällt der nicht minder großspurige Arbeitstitel: Project Reality. Eine in zwei Wörter gegossene Selbstbeweihräucherung, die man sich wohl nur erlauben kann, wenn man das wertvollste Unternehmen Japans leitet.

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Alte Fernsehwerbung zu Super Mario 64 (englisch)

Als das Project Reality exakt 34 Monate später als Nintendo 64 endlich zum Kauf bereitsteht, haben die Nintendo-Anhänger ein knapp dreijähriges Affentheater aus Verzögerungen, unerfüllten Versprechen und anderen Zumutungen über sich ergehen lassen. Das Vertrauen in den Gerade-noch-Marktführer ist schwer angeschlagen. Nintendo hat mit seiner selbstgerechten Posse den Bogen fast überspannt. Vor allem Drittherstellern kommt da eine Alternative wie Sony entgegen, beschweren sie sich schon seit NES-Tagen über die harten Vertragsbedingungen mit Nintendo.

Ein Projekt mit Wirklichkeit

Aber ist wirklich Eitelkeit der Grund dafür, dass Nintendo es sich mit so vielen Vertragspartnern verscherzt und mit immer neuen Verschiebungen des Erscheinungstermins seinen treuen Kunden zu verstehen gibt, dass man es mit ihnen ja machen könne?

Sega - zu 16-Bit-Zeiten noch der ärgste Gegner des SNES - schmiert in der fünften Konsolengeneration ab. Sein Saturn verkauft sich nur knapp neun Millionen Mal.
Sega - zu 16-Bit-Zeiten noch der ärgste Gegner des SNES - schmiert in der fünften Konsolengeneration ab. Sein Saturn verkauft sich nur knapp neun Millionen Mal.

Dass sie ja sowieso bei der Stange blieben, weil sie letztendlich wüssten, dass nur Nintendo ihnen die Wünsche von den Augen ablese. Ja, Hybris ist unter Yamauchis Ägide ein Problem. Doch beim N64 kommt tatsächlich alles zum Teil ungünstig zusammen. Mit fauler Haut hat das nichts zu tun. Mit Arroganz? Nun, bedingt vielleicht. Die patriotischen Allüren hat Nintendo in den 90er-Jahren bereits deutlich zurückgefahren.

Kamen westliche Entwickler früher noch unter ferner liefen in Nintendos Vertragsregister, behandelt der Konzern Studios wie Rare oder DMA (das spätere Rockstar Games) mittlerweile mit ausgesuchter Höflichkeit. 1995 auf jeden Fall, so prophezeit Yamauchi bei der ersten Ankündigung von Project Reality, werde das Wundergerät für höchstens 250 Dollar (ca. 220 Euro) zu haben sein.

Der Pakt mit dem Dinomacher

Darauf könne man getrost Wetten abschließen, denn nicht umsonst habe man mit Silicon Graphics und einem Exklusivvertrag den amerikanischen Weltmarktführer in Sachen realistischer 3D-Grafik für sich gewinnen können. Da ist etwas dran. Nintendo hat sich vorgenommen, die Technik, die bislang nur in Supercomputern steckt, in eine für alle bezahlbare Spielkonsole einzubauen.

Yamauchi schließt einen Vertrag mit Silicon Graphics, dem Marktführer in Sachen Grafik. "Project Reality - Coming 1995", heißt es.
Yamauchi schließt einen Vertrag mit Silicon Graphics, dem Marktführer in Sachen Grafik. "Project Reality - Coming 1995", heißt es.

SGI ist in etwa das Oculus der 90er. Von den Kaliforniern stammen zum Beispiel die computeranimierten Dinosaurier im Film Jurassic Park. Ein Exklusivvertrag mit SGI kommt allein schon einer Königssalbung gleich.

Project Reality sei so leistungsstark wie die Steuereinheiten, die bei der Mondlandung zum Einsatz kamen. Was für eine Ansage! Aber Imagepflege dieser Form ist allmählich auch nötig. Denn falls Nintendo weitermacht wie bisher, kommen sie bald nicht mehr mit bei dem rasanten Durchmarsch der Bit-Anzahl.

Aufschub für die alten Zöpfe

8 Bit, 16 Bit. 32 Bit sind es gar bei Sonys Playstation, die in Japan schon 1994 erscheint. Ein Jahr, das Nintendo notgedrungen nach außen hin noch ganz seinem mittlerweile hoffnungslos überalterten Super Nintendo und dessen 16 Bits widmet. Grafisch aufgebohrte Titel wie Starwing liefern zwar nur eine Ahnung vom 3D-Zeitalter, das anderswo längst eingeläutet ist, verschafft Nintendo aber einen Aufschub.

Die N64-Module haben technisch nichts gemein mit den CD-ROMs der Playstation.
Die N64-Module haben technisch nichts gemein mit den CD-ROMs der Playstation.

Rares Wiederentdeckung von Nintendos Maskottchen vergangener Tage heißt Donkey Kong Country für SNES und ist trotz traditioneller 2D-Levels das erfolgreichste Spiel im Weihnachtsgeschäft von 1994. Doch die Zukunft ist eindeutig aus Polygonen gezimmert – und dafür ist das SNES nicht reif.

Das hat Starfox gezeigt, eines der wenigen echten 3D-Spiele für die alte Konsole. Ist das Ballerspiel um den Astronautenfuchs auch noch so angesagt, grafisch bedeutsam ist an ihm nur, dass es überhaupt 3D-Objekte darstellt. Das kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass diese rudimentär und strukturlos sind.

Nintendo statt Sega

Das SNES ist dabei bereits über seine eigenen Grenzen hinaus, zur Starfox/Starwing-Grafik nur fähig durch einen Extrachip von Argonaut Games, einem Entwickler aus England. Aber es bedarf ja gar keiner „Aufwachen!“-Parolen in Richtung Chefetage oder dergleichen, denn schließlich können die Spieler ja seit Sommer 1993 beruhigt dem übernächsten Jahr entgegensehen, in dem sie Nintendos Supercomputer für Privatleute schon zu Hause haben werden. Theoretisch.

F-Zero X von 1998 ist der direkte und sehr ähnliche Nachfolger von seinem SNES-Gegenstück. Viele Reihen setzte das N64 fort, aber nur wenige begründete es.
F-Zero X von 1998 ist der direkte und sehr ähnliche Nachfolger von seinem SNES-Gegenstück. Viele Reihen setzte das N64 fort, aber nur wenige begründete es.

Den Nintendo-Managern ist zugutezuhalten, dass sie damals vermutlich selbst noch an ihren Zeitplan glauben. Schon Anfang 1993 hat Yamauchi sich mit James Clark getroffen, dem Gründer und Chef von Silicon Graphics (SGI), und eine Zusammenarbeit bei Nintendos neuer Konsole mit ihm ausgehandelt.

Dabei hatte Clark zuerst bei Nintendos Erzfeind Sega angefragt, ob sich das Unternehmen für den neuen Chip interessiere, den SGIs Tochterfirma MIPS jüngst erfunden hatte. Doch Segas Amerikachef Tom Kalinske hatte abgelehnt. Im Augenblick könne Sega mit diesem Grafikchip einfach nichts anfangen.

Von 16 auf 64 Bit

Nintendo kommt der optische Quantensprung, den SGI der nächsten Konsole verspricht, gerade zupass. Bis 1995 wird sich das SNES schon noch über Wasser halten. Immerhin unterhält Nintendo 1994 zu dem Zeitpunkt selbst das steinalte NES noch mit Spielen. MIPS ersinnt für Nintendos Project Reality einen 64 Bit starken Prozessor und spendiert sogar noch einen zweiten – Reality Co-Processor genannt, was sich natürlich wirklich mächtig schick anhört. Viel wichtiger sind aber die 64 Bit.

Das Nintendo 64 ist erst die dritte große Heimkonsole von Nintendo. 1994 wird sie allmählich dringend nötig, denn die Konkurrenz schläft nicht und die Technik schreitet voran.
Das Nintendo 64 ist erst die dritte große Heimkonsole von Nintendo. 1994 wird sie allmählich dringend nötig, denn die Konkurrenz schläft nicht und die Technik schreitet voran.

Damit zieht Nintendo tatsächlich grinsend an der Konkurrenz vorbei. Das 32-Bit-Zeitalter, in dem Sony und auch Sega mit seiner neuen Saturn genannten Spielkonsole feststecken (und sich gerade noch auf der Höhe der Zeit wähnten), überspringen die Kyotoer einfach – und verweisen die Playstation im Handstreich aufs Altenteil. Alles, was sonst noch zu Project Reality gehört, entsteht aber wie gewohnt bei Nintendo selbst.

Weiter mit: R&D 3 - Der Bändiger der Polygone

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