Wieder vergeht ein Dreivierteljahr, in dem das Ultra 64 stoisch seinen Mythos-Status pflegt. Das anvisierte Erscheinungsjahr der 64-Bit-Maschine bricht an, und noch immer kann die Videospielwelt nur spekulieren, wie die Konsole wohl aussehen wird und was genau sie unter ihrer wie auch immer geschwungenen Haube haben wird.
Es ist auch das Jahr der ersten Spielemesse E3 in Los Angeles. Nintendo verspricht genau das sei der angemessene Rahmen, um die polygonale Katze aus dem Sack zu lassen. Man möge sich nun also noch bitteschön diese paar Monate gedulden, dann gehe es aber auch unaufhaltsam los mit Nintendos 3D-Zeitalter.
Hört sich fast wie eine Drohung an – aber Nintendo macht sie eh nicht wahr: Die Videospielmesse geht über die Bühne, das Ultra 64 bleibt unter Verschluss. Der zuvor noch zeremoniell verkündete und als gebenedeit verherrlichte Erscheinungstermin im September 1995 verstreicht und weicht dem späten November.
Doch da dürfte den Verantwortlichen bereits klar sein, dass dies Jahr niemand mehr außer ein paar Technikern und ihrem neuerdings verspielten Boss Yamauchi Hand ans Ultra 64 legen wird. Auch November-Termin verstreicht ungenutzt. Zudem scheitert der im Juli desselben Jahres hastig veröffentlichte Virtual Boy kläglich.
Virtual Boy - die Mischung aus mobiler und Heim-Konsole wirkt so unausgegoren, so fahrig zusammengestückelt, dass es nicht schwerfällt, in ihm einen zu Plastik erstarrten Seufzer mittelschwerer Panik zu sehen. Wie davon ablenken, dass die Entwickler mit der neuen Konsolengeneration einfach nicht in die Gänge kommen?
Nervös stellt Nintendo unzählige Werbeplakate auf mit Botschaften, die alle auf ein Mantra hinauslaufen: Das Warten lohnt sich, Leute! Nintendo steckt 1995 zwar nicht in der Krise, doch der Übergang von einer anhaltenden Durststrecke dorthin ist fließend. Aber der Konzern fährt im November 1995 noch einen Gang zurück.
Auf Anraten des Autors, Schauspielers und Schöpfers der Earthbound-Serie Shigesato Itoi spendiert Nintendo der Konsole einen weiteren Namen. Sie heißt jetzt Nintendo 64 – keine kosmetische Maßnahme diesmal, sondern eine juristische Notwendigkeit: Ultra Games heißt eine Tochter- und Briefkastenfirma von Konami. Allerdings besteht sie 1995 schon längst nicht mehr. Aber Konamis Gründer Kagemasa Kozuki ist noch heute, nach 47 Jahren an der Konzernspitze, nicht gerade für altruistische Nachsichtigkeit bekannt.
Nintendo solle sich was anderes suchen, meint Konami. Ultra sei jedenfalls schon vergeben. Zuerst liebäugelt Yamauchi noch damit, die Konsole in Japan wieder mit dem Begriff Famicom im Titel auf den Markt zu bringen. So hieß das NES in Japan, und unser Super Nintendo war dort das Super Famicom.
Aber die Firmenleitung hat inzwischen begriffen, dass Globalisierung in einem so entscheidenden Fall schon bei einheitlicher Namensgebung anfängt. In Japan und im Rest der Welt soll die Konsole somit Nintendo 64 heißen.
Ursprünglich soll sie auch weltweit am selben Tag in die Händlerregale kommen. Aber es wäre nicht die Geschichte des N64, wenn bei diesem Vorsatz alles glatt laufen würde. Im November 1995 führt Nintendo der Öffentlichkeit dann doch noch die ersten beiden N64-Spiele vor: Super Mario 64 – und ausgerechnet Kirby's Air Ride, das letztendlich erst in der mittleren Gamecube-Ära erscheinen wird und im Vergleich mit Mario kaum jemand hinterm Ofen hervorlockt.
Von The Legend of Zelda – Ocarina of Time gibt's ein erstes Video zu sehen. Aber auch wenn alle Welt lechzt nach den ersten bewegten Bildern von Nintendos zweitwichtigstem Maskottchen in 3D – mit dem fertigen Spiel von 1998 haben diese Videoschnipsel fast nichts gemein.
Das Urteil der Fachleute fällt überwiegend angetan aus. Mit 64 Bit sei Nintendo der Konkurrenz fraglos überlegen.
Zwar sei das N64 langsamer als die Playstation, aber die 3D-Landschaften bei Sony mit seinen 32 Bit kämen einfach nicht heran an die viel feiner und ansehnlicher gearbeiteten Polygone bei Nintendo. Einzig beim Panoramablick in die Ferne zeigen sich Rechenprobleme der Konsole: Nebel hüllt das ein, was weiter weg ist, und verschleiert damit auch taktvoll, dass das N64 hier an seine Leistungsgrenzen stößt.
Eine andere Grafikschwäche sind die Texturen der ansonsten so vorbildlichen Polygone. Bei näherem Hinsehen erscheinen sie fast so unscharf wie ein Blick durch eine Milchglasscheibe. Sicherlich, Videospiele in 3D stecken 1996 noch in viel zu engen Kinderschuhen, aber jedenfalls machen diese Kritikpunkte klar, dass auch bei 64 Bit noch ganz schön viel Luft nach oben bleibt.
Nintendo nimmt sich nun vor, das N64 im April 1996 in allen drei wichtigen Regionen (Japan, Nordamerika und Europa) gleichzeitig zu veröffentlichen. Aber dieser Termin haut nicht mal für Japan hin. Wann kommt die Konsole endlich auf den Markt?
Weiter mit: Liegen die Verschiebungen an Mario?
Das Gaming-Jahr 2023 hätte für Fire-Emblem-Fans kaum erfreulicher starten können. Am 20. Januar erscheint (...) mehr
Die P (...) mehr