15 Jahre Gamecube von 2001 bis 2016: Delfin im falschen Körper gefangen (Special)

von LarryKoopa (Mittwoch, 14.09.2016 - 07:00 Uhr)

Ende der 90er knabbert Nintendo an sinkendem Marktanteilen und dem kindlichen Image im Vergleich zur Konkurrenz. Die neue Konsole Gamecube soll's wieder richten – macht aber alles nur schlimmer.

Letztendlich geht es immer um Symbolik. Der größte Vorwurf, den Spieler und Fachpresse dem Nintendo 64 machen, richtet sich an die Module. Also die behäbigen Plastikgehäuse, in denen die Spiele auf Speicherchips gebannt sind. Natürlich hat die Kritik in technischer Hinsicht teilweise ihre Berechtigung – die Spiele laden zwar schnell, doch der Speicherplatz dieser Steckmodule ist eben begrenzt.

In Wahrheit ist es aber die Aura eines unbelehrbar wirkenden Großväterchens, die die Module zur Jahrtausendwende umweht und die das Nintendo 64 schließlich schon relativ früh in die Konsolengruft scheucht. Der größte Konkurrent, die PlayStation von Sony, beliefert die Händlerregale schon seit mehr als einem halben Jahrzehnt mit Spielen auf CD-ROM.

15 Jahre Gamecube: Nintendos Paschversuch

15 Jahre Gamecube: Nintendos Paschversuch
15 Jahre Gamecube: Nintendos Paschversuch
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Und selbst die weichen 2000er-Jahre warten mit der Veröffentlichung der PlayStation 2 und hochformatigen und erwachsen wirkenden DVD-Boxen auf (vergleicht dazu den Artikel "PlayStation 2: Die 30 besten Spiele aller Zeiten"). Doch zwei Regalmeter weiter – nun, da hält Nintendo noch immer unverdrossen die Stellung mit seinen knautschigen N64-Pappkartons, die abgesehen vom Querformat noch genauso aussehen wie in der Ära des NES. Auch grafisch erwarten viele Spieler einfach mehr.

Nur noch Grundschulkonsolen?

Es ist der Zeitpunkt, an dem sich die Videospielwelt in der Wahrnehmung ihres Publikums in zwei Fraktionen spaltet: eine reife auf der Höhe der Zeit, vertreten von Sonys PS2 und neuerdings auch von Microsofts Konsolenpremiere namens Xbox, und einer eher infantilen, vertreten von Nintendo, die irgendwo in den Neunzigern hängengeblieben scheint und sich offenbar berufen fühlt, Spielzeug herzustellen statt ernstzunehmender Medien mit moderner Technik von heute.

Erst sieht es so aus, als würden XBox und PlayStation 2 den Sieg in dieser Konsolengeneration unter sich ausmachen, aber auch Microsoft kommt gegen die PS2 nicht mal annähernd an.
Erst sieht es so aus, als würden XBox und PlayStation 2 den Sieg in dieser Konsolengeneration unter sich ausmachen, aber auch Microsoft kommt gegen die PS2 nicht mal annähernd an.

Das wäre nicht weiter schlimm, wären denn Kinder die einzige Zielgruppe des Unternehmens. Doch in einer Zeit voller spielender Jugendlicher und Erwachsener kann sich kein Konsolenfabrikant leisten, sich allein auf den schulpflichtigen Teil der Bevölkerung zu verlassen.

E3 2001 - Nintendo Booth.mp4

Nintendos Heimkonsolenbilanz gibt tatsächlich Anlass zur Sorge. Seit dem kolossal erfolgreichen NES der Achtziger und frühen Neunziger ging es mit beiden Nachfolgern jeweils ein Stückchen weiter treppab. Am Ende seiner Karriere steht das N64 zwar nicht als Flop da, als Enttäuschung aber allemal.

Hoffnung aus der Hosentasche

32 Millionen verkaufte Geräte hören sich eindrucksvoll an, wenn man sich die Konsolen hintereinandergestellt als Kette vorstellt, die von Kyoto bis nach Berlin reicht (ziemlich genau tatsächlich), aber lausig, wenn man bedenkt, dass Sony mehr als das Dreifache an PlayStations an den Mann bringen konnte (und damit die gesamte afrikanische Küste vollstellen könnte).

Die acht Zentimeter großen Mini-DVDs, mit denen der Gamecube läuft (rechts eine Wii-DVD), stammen von Matsushita Electric Industrials. Der Konzern ertüftelt eine eigene Verschlüsselungsmethode für die Datenträger, damit man sie nicht so leicht kopieren kann.
Die acht Zentimeter großen Mini-DVDs, mit denen der Gamecube läuft (rechts eine Wii-DVD), stammen von Matsushita Electric Industrials. Der Konzern ertüftelt eine eigene Verschlüsselungsmethode für die Datenträger, damit man sie nicht so leicht kopieren kann.

Ein Lichtblick ist immerhin der Markt für tragbare Konsolen. Der Gameboy ist an seinem zehnten Geburtstag im Jahr 1999 (wenn auch inzwischen in seiner Variante Gameboy Color) so populär wie lange nicht mehr – allein dank der Pokémon, die ihm einen ungeahnten zweiten Frühling bescherten. Aber das reicht freilich nicht, wenn Nintendo auch an seinen Meriten im Heimkonsolenfeld gelegen ist. Hier verlor der Konzern die Marktführerschaft in etwa kurz nach der Mitte im Lebenszyklus des Super Nintendo. Das N64 konnte sie von der übermächtigen PlayStation nicht zurückerobern.

Geheimwaffe Yen

Also setzt Nintendo alles auf den zweiten Anlauf – und auch wenn vor dem Start noch jegliches Konzept im Dunkeln liegt und die Hardware-Entwickler sich kollektiv die Köpfe kratzen, eins ist selbst dem kleinsten Laufbandhandlanger klar: Bloß nicht nochmal Steckmodule! Nintendos Geheimwaffe im Kampf gegen seine so aufreizend selbstsicheren Konkurrenten heißt "Doktor Yen" – ein Name wie aus einem der alten Megaman-Spiele oder aus den Börsennachrichten.

Die hochaufgelöste Polygongrafik verdankt der Gamecube einem genialen Multitalent: Dr. Wei Yen leitet das Studio ArtX, das die GPU namens Flipper konstruiert.
Die hochaufgelöste Polygongrafik verdankt der Gamecube einem genialen Multitalent: Dr. Wei Yen leitet das Studio ArtX, das die GPU namens Flipper konstruiert.

Wei Yen ist chinesisch-amerikanischer Unternehmer und sein Doktorgrad scheint mehr Namenszusatz als Titel zu sein – „Doktor Yen“ ist damals unter IT-Begeisterten und hoffnungsvollen Jungunternehmern aus der Branche nicht selten wie die offizielle Bezeichnung ihres gemeinsamen Vorbilds zu verstehen. Der Impuls, auf den hin Ingenieure zu strahlen anfangen und sich gegenseitig versichern, es irgendwann genauso wie er machen zu wollen. Yens Biographie ist auch wirklich beachtlich.

Doktor Tausendsassa

Nachdem er seinen Doktor in der Erforschung Künstlicher Intelligenz gemacht hat, ist er zunächst Vize-Chef bei der berühmten Hardware-Firma SGI und Chef von deren Tochtergesellschaft. Danach gründet er eine Firma nach der anderen, tritt seinen Cloud-Dienst iGware schließlich für eine horrende Summe an den Computerriesen Acer ab (in dessen Verwaltungsrat er seit Jahren einen Stammplatz hat), stampft nebenbei noch ein paar Softwareunternehmen aus dem Boden und kauft so viele Acer-Anteile, bis er der zweitgrößte Aktionär der Firma ist.

Im Mai 1999 stellt Kyoto den späteren Gamecube unter seinem ursprünglichen Namen Dolphin vor. Zum Flipper-Chip hätte das besser gepasst.
Im Mai 1999 stellt Kyoto den späteren Gamecube unter seinem ursprünglichen Namen Dolphin vor. Zum Flipper-Chip hätte das besser gepasst.

Zwischendurch schließt er auf fast jeder Sprosse seiner Karriereleiter Verträge mit Nintendo. Einmal geht es um Hilfsmittel für Programmierer bei der Entwicklung der Wii-FB, ein anderes Mal um die Cloud-Dienste, die Nintendos Konsolen ab dem DS nutzen. 2002 ist Yen derjenige, der zusammen mit Nintendo das Unternehmen iQue ins Leben ruft, die Marke, unter der Nintendo fortan ausgewählte Spiele und Konsolen auf dem chinesischen Markt vertreibt.

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