von Dennis Michel (Donnerstag, 05.01.2017 - 12:09 Uhr)
Telltale Games schickt The Walking Dead in die dritte Staffel. Ob der Mix aus packender Inszenierung, schwerwiegenden Entscheidungen und reaktionsschnellen Klickeinlagen auch 2017 noch Spaß macht?
Seit Ende vergangenen Jahres ist es endlich so weit: Die Geschichte rund um die junge Clementine geht weiter. Mit den ersten beiden Teilen von “Verpflichtende Bande“ stehen zum Start eines Telltale-Abenteuers erstmals zwei Episoden zur Verfügung. Der Spieler hat die Wahl, ob er ein komplett neues Abenteuer mit vorgefertigten Entscheidungen aus den ersten beiden Staffeln spielen möchte, oder seine früheren Speicherstände importiert werden sollen. Eines vorweg: Auch “The Walking Dead“- Neulinge, oder all jene, die Staffel zwei nicht gespielt haben, werden problemlos der Geschichte folgen können. Dies liegt zum einen daran, dass mit Javier eine komplett neue Hauptfigur direkt zu Beginn von The Walking Dead – A new Frontier eingeführt wird und zum anderen an vielen Rückblenden, die geschickt platziert einen Einblick in das Leben von Clementine und die fiktive Welt geben.
Die Geschichte beginnt mit einem Rückblick auf das Leben der neuen Hauptfigur Javier, und direkt wird die große Stärke des Spiels sichtbar: Kaum ein Entwicklerstudio versteht es so gut, Figuren einprägsam zu charakterisieren und Geschichten packend zu inszenieren. So befindet ihr euch nach wenigen Augenblicken bereits mittendrin im Geschehen, fiebert angespannt mit den Personen mit und möchtet mehr über sie erfahren. Dieses Gefüge aus Spannung, Neugier und erzählerischen Wendungen treibt euch stets voran und kann über die Dauer der ersten Episoden problemlos aufrechterhalten werden.
Wie ihr es aus Telltale-Spielen gewohnt seid, bilden die von euch in nur wenigen Sekunden zu treffenden Entscheidungen das Grundgerüst des Spielkonzepts. Durch die Auswahl aus einer von vier Möglichkeiten bestimmt ihr, wie sich die Charaktere euch gegenüber im späteren Verlauf der Handlung verhalten und wie die Geschichte an gewissen Stellen ihren Lauf nimmt.
Der große Pluspunkt ist hier, dass die Entscheidungen aufgrund der Nähe zu den Charakteren nie leicht fallen. Oft überlegt ihr noch Minuten später, ob eine alternative Antwort nicht doch besser gewesen wäre. Wie hätte sich der Verlauf der Geschichte geändert, wenn ihr anstatt das gegnerische Feuer zu erwidern, lieber die Flucht ergriffen hättet?
Seit Batman: A Telltale Game Series habt ihr zudem die Möglichkeit, die Entscheidungen via “Crowd Play“-Funktion mit anderen gemeinsam zu treffen. Dies funktioniert, indem ihr vorab einen Code erstellt, den ihr an eure Freunde weitergebt. Mittels Webbrowser erhalten diese nun ebenfalls Zugriff auf die Auswahlmöglichkeiten. Welche Antwort letztendlich ausgewählt wird, entscheidet das Mehrheitsprinzip. Das Konzept ist für vier bis zwölf Personen ausgelegt, die sich im Zimmer des Spielers befinden und Einsicht auf das Spielgeschehen auf dem Bildschirm haben. Quasi ein lokaler Mehrspieler-Modus.
Für Streaming-Dienste funktioniert Crowd Play aufgrund der Latenz und der kurzen Entscheidungsdauer aktuell nicht. Für zukünftige Telltale-Projekte, wäre die Integration von beispielweise Twitch eine durchaus interessante Angelegenheit. Wer das Spiel für sich alleine spielt, aber dennoch wissen möchte, wie sich die anderen Spieler entschieden haben, der erhält wie gewohnt Einsicht in die globalen Entscheidungen am Ende einer Episode.
Telltale bedient sich auch in der dritten Staffel abseits der Entscheidungen am gleichen minimalistischen Spielprinzip, bestehend aus dem reaktionsschnellen Drücken einzelner Tasten, sogenannten "Quick Time"-Events. Darüber hinaus werden sporadisch Rätsel im Adventure-Stil eingebaut, die aber vielmehr darauf ausgelegt sind, dass sämtliche hervorgehobenen Punkte der Reihe nach abgearbeitet werden und der eine sich im Inventar befindliche Gegenstand zum Einsatz kommt.
Was schon vor Jahren der größte Kritikpunkt an den Spielen des US-amerikanischen Entwicklers war, ist es auch heute noch. Es entsteht der Eindruck, dass man sich als Spieler nicht ernst genommen fühlt. Aktionen werden selbst nach verzögerter oder unpräziser Eingabe als korrekt gewertet. So entstehen aus spielerischer Sicht kaum Konsequenzen. Selbst im Falle eines seltenen Ablebens startet ihr nur wenige Augenblicke vor dieser Stelle erneut. Dies sollte jedoch kein Kritikpunkt sein, wäre es auf Dauer doch störend, die langen Filmabschnitte, seien sie noch so gut inszeniert, wieder und wieder zu sehen.
Vor Jahren konntet ihr an dieser Stelle noch aufgrund der starken Erzählung über diese offensichtlichen spielerischen Schwächen und den auf ein Maximum getriebenen interaktiven Minimalismus hinwegsehen. Doch mittlerweile fragt ihr euch vielleicht, ob es nicht für beide Seiten, sowohl für die Spieler, als auch für die Entwickler besser wäre, würde der Adventure-Teil mitsamt den störenden "Quick Time"-Events komplett aus dem Spiel entfernt werden. Eine angenehmere Lösung wäre selbstverständlich eine komplexere Umsetzung der Rätselmechaniken, sowie stimmige Schusspassagen, doch der Glaube an eine zukünftige Umsetzung fehlt mittlerweile komplett.
Von der Optik her betrachtet hat sich über die Jahre hinweg nicht viel getan. Der typische Telltale-Comicstil sah zwar noch nie so gut aus, lässt die Zombie-Kinnlade aber nicht mehr auf den Boden fallen.
Rein technisch zeigt sich The Walking Dead - A new Frontier in der getesteten PC-Version in puncto ruckel- und absturzfreies Spielen von seiner guten Seite. Was allerdings alles andere als gut ist, ist der Moment, in dem ihr selbst die Kontrolle über das Spiel übernehmt. Dann erwartet euch eine schwammige Steuerung in Kombination mit einer steifen Kamera, die oft den Eindruck vermittelt, als würdet ihr mit cirka zwei Promille vor dem heimischen Rechner sitzen.
Was hingegen weitaus positiver ausfällt, ist die Tatsache, dass zum ersten Mal in der Geschichte von Telltales The Walking Dead deutsche Untertitel den Weg in das Spiel gefunden haben. Speziell für all jene Spieler, die der englischen Sprache nicht vollends mächtig sind, ist dies eine schöne Neuerung. Eine deutsche Sprachausgabe gibt es jedoch weiterhin nicht.
Die Veröffentlichung einzelner Episoden über einen gewissen Zeitraum ist seit Jahren die bevorzugte Methode von Telltale, um deren Spiele an den Mann beziehungsweise die Frau zu bringen. In früheren Zeiten gab es oftmals Probleme mit großen zeitlichen Lücken zwischen den einzelnen Abschnitten.
Das hat sich mitterlweile auch aufgrund des immer größer werdenden Entwickler-Teams gelöst. Neue Spiele werden wie am Fließband prdouziert. Dazu gehören bekannte Marken wie Tales from the Borderlands, Batman - A Telltale Game Series, oder in diesem Jahr Marvel's Guardians of the Galaxy.
Doch dem Anschein nach leidet speziell bei The Walking Dead die Spielzeit unter diesem straffen Zeitplan. Gingen einzelne Episoden früher teils über zwei Stunden, so benötigt ihr für beide Teile von “Verpflichtende Bande“ zusammen keine drei Stunden. Das ist selbst für Telltale-Verhältnisse sehr kurz. Da zum Staffelstart bereits zwei Episoden spielbar sind, ist die Länge verschmerzbar. Es ist dennoch auffällig, dass die Spielzeit der einzelnen Teile über die Jahre hinweg immer weiter nach unten gegangen ist. Es bleibt abzuwarten, ob kommende Episoden mehr Inhalt bieten, oder ob sich Telltale mittlerweile mit dieser Länge zufrieden gibt.
Weiter mit: Fakten und Wertung
Das Action-Rollenspiel Wild Hearts ist wie die Monster-Hunter-Reihe – nur von EA. In einem Fantasy-Japan (...) mehr