von Sergej Jurtaev (Donnerstag, 02.03.2017 - 12:00 Uhr)
Eine offene Welt haben schon viele Spiele versprochen – nie gehörte bis dato ein The Legend of Zelda dazu. Breath of the Wild stößt diese Tür auf und meistert die neue Aufgabe mit Bravour.
The Legend of Zelda - Breath of the Wild hat einen langen Weg hinter sich. Im Jahr 2014 angekündigt, sollte Links neues Abenteuer ursprünglich ein Jahr später auf Wii U starten. Die Begeisterung schien sich jedoch in Grenzen zu halten, ob der scheinbaren Anbiederung an das „Open World“-Konzept. Zugegebenermaßen hat es Nintendo den argusäugigen Kritikern sehr leicht gemacht, ihre Ambitionen von den hohen Klippen zu stürzen, die sie selbstbewusst aufgebaut hatten. So versuchten euch Mario-Erfinder Shigeru Miyamoto und Zelda-Produzent Eiji Aonuma zum Beispiel einen Ausritt auf einer kargen Wiese schmackhaft zu machen. Hat euch nicht so gefallen? Ja, habt ihr denn nicht das „Bullet Time“-Feature gesehen?
Egal. Alles vergeben und vergessen – denn: Viele Spiele mit „Open World“-Ansatz haben bereits bewiesen, dass nicht alles Gold ist, was glänzt. Glänzen muss The Legend of Zelda - Breath of the Wild also nicht, es muss Spaß machen! Und so nahm das Spiel den konträren Weg und überzeugte Spieler beim Probespielen von der Sogkraft dieser erkundungswürdigen Welt. Breath of the Wild ist ein Phänomen, denn als Zuschauer werdet ihr die Faszination und Begeisterung eines Spielers nur schwer nachvollziehen können – ihr müsst selbst Hand anlegen.
Nach einigen Verschiebungen, die sicherlich auch von Nintendos neuer Konsole begünstigt wurden, dürft ihr pünktlich zum Start der Nintendo Switch Schwert und Schild in die Hand nehmen und ein Abenteuer sondergleichen erleben.
Ohne große Umschweife startet ihr direkt in das Spiel. Perplex wandert Link durch das postapokalyptische Hyrule. Nur der Wind und das leise Vogelzwitschern begleiten euch in der verwaisten Welt. Keine Menschenseele weit und breit. Stattdessen tummeln sich überall die Lakaien von Ganon, die auch die Ruinen der Zitadelle der Zeit als Nistplatz beanspruchen. Dort, ein alter Mann – hoffentlich kann er die Situation aufklären. Kann er vorerst nicht. Dafür läuft er euch auf euren anfänglichen Erkundungen oft über den Weg und versucht euch mit wertvollen Tipps behutsam auf eure kommende Mission vorzubereiten.
Der Prophezeiung nach haben die Vorfahren von Hyrule den Dämonenkönig Ganon mithilfe von vier gewaltigen Titanen und Dutzenden kleineren Maschinen – auch Wächter genannt – in die Knie gezwungen. Die Piloten der Kolosse unterstützten den legendären Helden mit dem Bannschwert und allesamt wurden sie von Prinzessin Zelda angeführt. Auf selbem Wege sollte die Verheerung durch Ganon erneut aufgehalten werden. Als Ganon die Kontrolle der Maschinen übernahm, war der Plan jedoch dem Untergang geweiht. Hyrule wurde binnen eines Tages überrannt und vollkommen zerstört. Prinzessin Zelda muss seitdem ein Dasein als Gefangene fristen und Link fiel ob seiner schweren Verletzungen in einen tiefen Schlaf – 100 Jahre sollte dieser andauern.
Eure Aufgabe ist offensichtlich: Ihr müsst in die vier Titanen eindringen und sie von der Kontrolle Ganons befreien, damit sie euch im finalen Kampf unterstützen. Das Gerüst der Geschichte ist minimalistisch, aber in der Umsetzung gelungen. Es liegt an euch zu entscheiden, welchen Titanen ihr zuerst aufsucht – Grenzen gibt es nicht. Statt einer großen zusammenhängenden Geschichte erwarten euch vier voneinander getrennte Handlungsstränge, die im Finale zusammengeführt werden. Dabei stattet ihr den bekannten Völkern und Nachkommen der Recken (Zoras, Goronen, etc.) einen Besuch ab und löst ihre Probleme.
Mit zunehmender Spielzeit müssen Links nebulöse Erinnerungen der Klarheit weichen, sodass neue Puzzleteile das Bild komplettieren. Die meisten Erinnerungen könnt ihr optional freischalten, indem ihr bedeutsame Orte aufsucht. Apropos optional: Ihr könnt euch den Klamauk mit den Titanen auch sparen und direkt zu Ganons Schloss aufbrechen – ob ihr so weit kommt, ist allerdings fraglich.
Ein Höhepunkt von Breath of the Wild sind die skurril karikierten Charaktere, die liebevoll gestaltet sind und mit gut geschriebenen Dialogen von der tristen Dystopie ablenken. So dürft euch auf viele witzige Gespräche und schöne Anspielungen freuen. Es sind die Charaktere, die die Stimmung im Spiel definieren und Breath of the Wild zum Beispiel von der Melancholie eines Shadow of the Colossus abgrenzen.
Nintendo hat nicht fabuliert, als die Firma euch eine große Welt versprach. Die Karte von The Legend of Zelda - Breath of the Wild soll zwölfmal größer sein als die von The Legend of Zelda - Twilight Princess. Ein Fußmarsch vom südlichsten bis zum nördlichsten Punkt dauert dabei über eine halbe Stunde. Beeindruckend ist, dass ihr theoretisch jeden Punkt von Beginn an erreichen könnt. Kein Baum, kein Hügel, kein Gebäude dient lediglich der Atmosphäre der Spielwelt, selbst jeder Berg kann von euch erklommen werden.
„Theoretisch“ deshalb, weil die Ausdauer von Link eine Rolle spielt und verbraucht wird, wenn ihr rennt, klettert oder den Gleiter nutzt. Beim Klettern ist es sinnvoll, aber während eurer Erkundungen kann die Ausdauerleiste – wie zuletzt auch in Final Fantasy 15 – furchtbar nerven. Zumal Link gerade einmal vier Sekunden spurten kann, bevor ihm die Puste ausgeht. Bei Langstrecken könnt ihr aber natürlich auch auf ein Pferd zurückgreifen, das ihr zuvor fangen und zähmen müsst.
Überall gibt es auffällige Höhlen, Aufmerksamkeit erregende Aussichtspunkte und Gegnerverstecke, die euch mit wertvollen Schätzen locken. Der Entdeckertrieb wird nie gestillt und hinter jeder Ecke lauert schon die nächste, die ihr „ganz kurz“ untersuchen wollt. Das funktioniert aber nur deshalb so gut, weil Nintendo ein motivierendes Belohnungssystem implementiert hat. In diesem Punkt hatte sich die Serie kaum weiterentwickelt. Die meisten Kisten beinhalteten Rubine in sämtlichen Farbvariationen und wenn ihr Glück hattet, gab es hier und da mal ein Herzteil.
In Zelda - Breath of the Wild findet ihr in den Kisten unter anderem Waffen, Schilde, Kleidung und vieles mehr. Eure Ausrüstung – abgesehen von Kleidung – ist nicht nur zerbrechlich, sondern bestimmt auch die Angriffs- und Verteidigungswerte. Die Suche nach neuen Waffen ist also essenziell, um im Spiel voranzukommen. Rubine sind fortan eine Rarität und selten in Truhen zu finden. Das inflationäre Geldsystem hat sich aus Hyrule verabschiedet, sodass jede Investition gut überlegt sein will.
Ihr habt richtig gelesen: The Legend of Zelda - Breath of the Wild ist bockschwer! Links Lebensenergie wird nicht automatisch regeneriert und die Suche nach Herzen wird zur Sisyphusarbeit – denn es gibt keine. Ihr kommt nur dann in der Welt zurecht, wenn ihr alle möglichen Gegenstände einsammelt und selbst für eure Verpflegung sorgt. Mit Nahrungsmitteln könnt ihr Gerichte kochen und Insekten sowie Monsterteile benötigt ihr, um Tränke zu brauen. Das Wetter ist dabei unerbittlich und peinigt euch mit höllischer Hitze oder eisiger Kälte.
Der „Survival“-Aspekt ist aber nicht allein für den hohen Schwierigkeitsgrad verantwortlich. Die Gegner verursachen ungewöhnlich viel Schaden, sodass ihr lieber mit Bedacht agieren solltet. Irgendwo ist immer ein großer Felsbrocken oder ein explosives Fass, das die Arbeit für euch erledigen kann. Ein Höhepunkt sind außerdem die grandiosen Bosskämpfe, die – vorsichtig formuliert – an Dark Souls erinnern. Die Bosse sind ebenbürtige Gegner, die ihr in einem nervenaufreibenden Duell mit Schwert und Schild besiegen sollt. So etwas wie „Du hast gerade einen Bogen bekommen? Dann schieß doch auf mein blinkendes Auge!“ gibt es nicht mehr.
Ein Grund, warum Breath of the Wild so gut als Open World (Nintendo bezeichnet es selbst als „Open Air“) funktioniert, ist der, dass ihr bereits zu Beginn alle wichtigen Gegenstände habt, die ihr für eure Reise benötigt. Mithilfe des Shiekah-Steins könnt ihr Bomben werfen, Eissäulen zaubern, die Zeit anhalten und metallische Objekte bewegen. Damit seid ihr in der Lage, alle Rätsel im Spiel zu lösen, weshalb euch jeder Weg offen steht. Es gibt an die hundert Schreine, die kurze und ebenso kreative Rätsel für euch parat halten. Die dort verdienten Zeichen der Bewährung tauscht ihr anschließend gegen Herz- oder Ausdauer-Container – Schreine dienen außerdem als Schnellreisepunkte.
Wie bereits angedeutet, stellen die vier Titanen die Dungeons in Breath of the Wild dar. In schwindelerregender Höhe müsst ihr knackige Rätsel lösen, während die Kolosse unbeirrt in der Gegend herumstampfen. Da ihr keine neuen Gegenstände findet, die euch Anhaltspunkte für des Rätsels Lösung geben, müsst ihr euch die Antworten hart erarbeiten. Tipps von einem Begleiter dürft ihr euch nicht erhoffen – hin und wieder werdet ihr eine Navi schmerzlichst vermissen. Darüber hinaus gibt es noch etliche weitere Nebenaufgaben, die ihr für NPCs erledigen könnt. Über gewöhnliche Sammelaufgaben geht es aber leider nur selten hinaus.
Während sich andere Entwickler um eine hollywoodreife Inszenierung bemühen, begnügte sich Nintendo zuletzt mit antiquierten Textboxen, die jegliche Dynamik im Ansatz torpedierten. Nintendo hat euer Flehen erhört und sich endlich um eine Sprachausgabe bemüht. Zwar sind nur einige ausgewählte Dialoge vertont, aber der erste Schritt ist getan.
Die Sprachausgabe trägt maßgeblich zur Charakterzeichnung bei und ermöglicht schwungvolle Zwischensequenzen, die das Spiel bereichern. Die Sprachausgabe ist übrigens auf Deutsch verfügbar und ist gut gelungen. Wenn ihr die englische bevorzugt, müsst ihr die Konsole in den Systemeinstellungen auf „Englisch“ umstellen – deutsche Texte und englische Vertonung parallel funktioniert leider nicht.
Viele Diskussionen werden sich um die Grafik des Spiels drehen. Insbesondere wenn ihr in die Ferne blickt, werden die Restriktionen der Nintendo Switch (900p) und Wii U (720p) deutlich. Schwammige Texturen und teils heftige Ruckler werden Technikpuristen nicht zufriedenstellen. Nichtsdestotrotz haben sich die Entwickler Mühe gegeben, eine abwechslungsreiche Welt zu gestalten. Hier sollen vor allem die schönen Städte und Dörfer lobend Erwähnung finden. Die Charaktermodelle sowie Waffen und Ausrüstungsteile sehen ebenfalls sehr gut aus.
Die Musik bleibt in The Legend of Zelda - Breath of the Wild eher im Hintergrund. Viele bekannte Melodien und Geräusche werdet ihr hier und dort aufschnappen, neue Ohrwürmer kreieren die Komponisten aber selten. Das ist aber mit Sicherheit auch so gewollt, um nicht zu sehr von der Atmosphäre der Spielwelt abzulenken.
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