Den Kamerawinkel im Spiel kontrollieren - das ist nichts Neues und im Grunde eine feine Sache. Oft sehe ich dabei aber mehr vom Spiel, als mir lieb ist. Sollten Kamera-Perspektiven lieber vorgegeben sein?
Sie ist in Videospielen so allgegenwärtig wie notwendig und dennoch kriegen wir sie nie konkret zu Gesicht: Die Kamera. Während sie in der Filmbranche die verdiente (Be-)Achtung findet und gute Kameraarbeit dort sogar mit Auszeichnungen honoriert wird, fällt sie in Videospielen meist erst dann auf, wenn sie nicht richtig funktioniert. Dabei trägt die Perspektive, aus der wir das Geschehen betrachten oftmals einen Großteil zur Atmosphäre bei und hat einen entscheidenden Einfluss darauf, wie gut sich Spielmechaniken anwenden lassen. Nicht ohne Grund ist eine Kamera, die nicht (unangenehm) auffällt, eine große Herausforderung für Entwickler.
Der Trend zu immer größeren und offeneren Spielwelten, hat die frei bewegliche Kamera zu einer Norm gemacht. Steht ein Protagonist im Zentrum des Spiels, folgt sie diesem in der Regel und lässt sich in einem bestimmten Abstand um ihn herum rotieren. Nun ist es sinnvoll, dass "Open World"-Spiele, in denen das freie Erkunden ein zentraler Faktor ist, mit statischen Kamera-Perspektiven nicht funktionieren. Bei Shooter- oder Strategie-Spielen dient die jeweils etwas anders geartete frei bewegliche Perspektive der Spielbarkeit. Einige Spiele lassen für mich allerdings die Kamerafreiheit unsinnig erscheinen und täten besser daran, auf eine vorgegebene Cinematographie zu setzen.
Anlass zu diesem Gedanken gaben mir die jüngsten Ableger von Namcos Tales-Reihe. In Tales of Vesperia setzte eine nicht immer feste, aber zumindest dirigierte Kamera die beschaulichen und liebevoll gestalteten Kulissen passend in Szene. Seit Tales of Graces haben Spieler die Möglichkeit, die Kamera rund um die Protagonisten zu bewegen. Damit kriegen sie dann eben auch mehr von den Spielwelten zu sehen und die sind bei den jüngsten Serienteilen nicht immer besonders sehenswert.
Der Freiheit der Kamera ist offenbar die Detailverliebtheit zum Opfer gefallen. Aus allen erdenklichen Winkeln kann ich mir nun öde, leblose und repititive Areale angucken. Da diese ohnehin linear sind und wenig zum Entdecken bereithalten, stellt sich schnell ein Tunnelblick ein und bei mir die Frage: Warum eigentlich?
Klar, der Wunsch danach, mehr feste Perspektiven zu haben, ist irgendwie nostalgisch geprägt. Die Freiheit der Kamera ist ein Zeichen des Fortschritts. Entwickler bedienten sich früher häufiger statischer Kamera-Perspektiven als Kniff, um technische Limitierungen zu umschiffen. Doch genau diese Tricks haben mitunter eine Wirkung entfesselt, die eben auch eine geschickte Kameraarbeit im Film hat. Was wäre mir an Gruselstimmung im ersten Resident Evil verloren gegangen, wenn die Kulissen nicht aus einem bestimmten Winkel gezeigt worden wären?
Ich betrat einen Raum, in dem mir ein über das Sichtfeld hinaus reichender Flur angedeutet wurde. Von irgendwoher drangen Schlurf- und Stöhngeräusche an mein Ohr. Ich musste mich dazu überwinden, die Sichtgrenze zu überschreiten und bekam den Schreck meines Lebens, als plötzlich die Kamera wechselte und ein Untoter über mich herfiel. Im Spiel ist es manchmal wie im Film: Szenen sind gerade dann besonders wirksam, wenn dem Zuschauer bestimmte Details vorenthalten werden und er das Gesehene in der Fantasie ergänzt.
Es gibt natürlich auch zahlreiche Gegenbeispiele, in denen die frei bewegliche Kamera einen großen Dienst erweist. Auch wenn sie hier an entscheidenden Stellen oft kränkelt: Ich hätte mit The Last Guardian vermutlich nur die Hälfte der Zeit verbracht, wenn ich nicht immer wieder versucht hätte, durch geschickte Positionierung des Blickwinkels wunderschöne Screenshot-Motive aus den malerischen Kulissen herauszukitzeln.
Doch gerade, wenn sich Entwickler nicht die Mühe machen, ihren Spielumgebungen etwas abzugewinnen, zum Bestaunen und Erkunden einladen, wünsche ich mir eine Renaissance fester oder zumindest dynamisch dirigierter Kameraperspektiven. Natürlich unter gekonnter Regie, denn Kameraarbeit ist auch im Videospielkosmos ein schwieriges Handwerk. Vielleicht einer der Gründe, warum Entwickler manchmal darauf verzichten?
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