von Micky Auer (Montag, 09.04.2018 - 14:19 Uhr)
"Bei Zeus! God of War und Kratos gehören nach Griechenland! Kratos ist ja Spartaner! Der darf nirgendwo anders alles kaputt hauen! Das ist nicht mehr God of War! Rabäääh!" - Zu oft gehört. Ich sage: Gut, dass die Serie den Standort wechselt.
Zur Information: Seit einigen Tagen teste ich bereits das kommende God of War auf der PlayStation 4. Klarerweise darf ich keinerlei Eindrücke vor dem festgelegten Termin am 12. April veröffentlichen und schon gar keine Spoiler verbreiten (Das würde ich ohnehin nicht tun.). Hier geht es auch um etwas ganz anderes. Nämlich um den Unmut vieler Fans, die seit der ersten Präsentation des neuen Teils befürchten, dass sowohl Kratos als Protagonist als auch God of War als Serie sich mit dem Schauplatzwechsel von Griechenland in den hohen Norden keinen Gefallen tun.
Die Befürchtung ist natürlich gerechtfertigt, die Meinung als solche wird selbstverständlich akzeptiert. Ich behaupte aber, dass es ein Segen für alles rund um God of War ist, dass die sonnigen, mediterannen Gefilde samt dazugehöriger Götter- und Unterwelt der Vergangenheit angehören.
In dieser Reihe geht es manchmal etwas kontrovers, dafür aber immer hochgradig subjektiv zur Sache: Wir präsentieren euch unbequeme und unpopuläre Meinungen, die einfach echt mal raus mussten. Denn: Super Mario ist gar nicht so genial wie alle tun, Flappy Bird macht irgendwie echt Laune und wer nur Fifa spielt, ist kein echter Zocker. Also mal unter uns: "Das wird man ja wohl noch sagen dürfen!"
Viel Spaß damit und bitte nicht vergessen: Über Geschmack lässt sich nicht streiten.
Hier findet ihr alle bisher in der Reihe erschienenen Artikel.
Wenn ich mich in so mancher Runde hinstelle und sage, dass ich es uneingeschränkt gut finde, dass Griechenland inklusive seiner Mythologie nicht mehr im Zentrum von God of War stehen, wenden sich sofort ruckartig überaus finster dreinschauende Gesichter in meine Richtung. Gesichter, deren Ausdruck mir verrät, dass sie mich gerne per Kreistaste schnappen und mit Athenes Klingen so lange perforieren wollen, bis ich meine Meinung ändere.
Nun, das wird so schnell nicht geschehen. Denn aus mehreren Gründen habe ich das Griechenland-Szenario wirklich satt und freue mich auf eine neue Geschichte in einer neuen Umgebung.
Mal ehrlich: Was hält denn Kratos noch in Griechenland? Da gibt es doch nur noch bittere Erinnerungen an Verrat, an göttliche Intrigen, an den gewaltsamen Tod seiner Familie und eine saftige Blutspur vom Hades bis zum Gipfel des Olymp. Er hat schon alles getötet was Rang und Namen hat. Schon zu Beginn seines Rachefeldzuges hat sich für viele Spieler - so auch mich - herausgestellt, dass der "spartanische Hulk" sich oft verhält wie ein kleines, zorniges Kind. Nur halt mit jeder Menge Muskeln, göttlichen Waffen und Kampferfahrung. Wäre auch mal an der Zeit, an dieser Stelle zu erlauben, dass sich die Figur weiterentwickelt. Auch im echten Leben ist ein Ortswechsel oftmals ein Anlass dafür.
Die einst lebendige Götterriege, die Kratos im Laufe der bisherigen drei Hauptteile geplättet, enthauptet, zerstückelt und ausgeweidet hat, stellte zumindest noch einen gewissen Anreiz dar. Eine Bestimmung, ein Ziel. Spätestens mit dem antiklimaktischen Kampf gegen Zeus hat sich das aber wohl erledigt. Betrachtet man die Spin-Offs, zeigt sich da für mich sehr deutlich, dass die Action-Tour durch Griechenland nur noch lose an der Mythologie aufgehängt ist.
Symptomatisch soll hier God of War - Ascension genannt werden. Ein massiver Multiplayer-Anteil, der in eine traditionell für Einzelspieler gedachte Reihe Einzug hält, ist für mich stets ein Zeichen dafür, dass sich auf erzählerischer Ebene nicht mehr viel tut. Und ganz ehrlich: Ascension zeigt deutliche Anzeichen der Stagnation. Kurz gesagt: Es gibt für Kratos nun halt nichts mehr in Griechenland zu tun. Zumindest nichts, worüber es noch wert wäre, im Rahmen einer aufwändigen Spieleproduktion zu erzählen.
God of War, God of War 2, God of War - Chains of Olympus, God of War 3, God of War - Ghost of Sparta, God of War - Ascension ... All die Remaster-Neuauflagen will ich hier gar nicht erst anführen. Worauf ich mit dieser kleinen Aufzählung hinaus will? Nun, alle spielen im antiken-mythologischen Griechenland, alle folgen dem gleichen Design und dem gleichen Farbschema, alle bauen auf die gleiche Kampfmechanik auf.
Ich kann es nicht mehr sehen.
Die Ästhetik antiker griechischer Kunst und Archtitektur in allen Ehren, aber irgendwann ist es auch mal gut. Der Grafikstil hat sich seit Teil 1 so gut wie gar nicht geändert. Selbst der Sprung auf die PlayStation 3 fiel für meinen Geschmack zu zaghaft aus. Klar, gleich eingangs klettert Kratos auf dem Rücken eines Titanen auf den Olymp, kämpft gegen Götter und alles ist so dermaßen heldenhaft und überschwänglich inszeniert, dass einem das Wasser im Munde zusammenläuft.
In weiterer Folge stellt sich dann heraus: alles schon mal gesehen, alles immer noch ziemlich karg, aber dafür in höherer Auflösung. Mir ist klar, dass ich Schelte dafür kassieren werde, dass ich das hochgelobte God of War 3 als karg und repetitiv bezeichne. Meinen Eindruck verbessern wird das aber auch nicht. Ich hatte das starke Gefühl, dass der "God of War"-Formel ab Teil 3 auch grafisch die Luft ausgegangen ist. Skandinavien, der neue Schauplatz, hat seine ganz eigenen Farben und Formen, die sich auf neue, kreative Weise im Spiel verwirklichen lassen.
Und jetzt mal ehrlich: Vergleicht mal den Kampf gegen Ares aus dem ersten Teil mit dem Kampf gegen Göttervater Zeus aus dem dritten Teil. Ersterer ist ein wuchtiger Schwertkampf zweier Giganten, die so riesig geraten sind, dass ihnen das Meer, in dem sie stehen, gerade mal bis zu den Knöcheln reicht.
Und der Kampf gegen Zeus? Nun, der findet zum großen Teil auf einer begrenzten Quasi-2D-Bühne statt, die an Mortal Kombat oder Street Fighter erinnert. Nur fehlen den beiden Kämpfern die komplexen Kampfspielmechaniken. Stattdessen lernt ihr, ein paar Angriffsmuster zu erkennen und entsprechend darauf zu reagieren. Wenn selbst dem griechischen Chef-Gott nicht mehr als ein paar müde Blitze zu entlocken sind, hat sich wohl auch auf Seiten der Entwickler eine gewisse Ermüdungserscheinung rund um das Thema "Griechenland" breitgemacht.
Bleiben noch die Waffen und die damit verbundene Kampfmechanik. Chaosklingen, Hadesklauen und wie sie alle heißen haben vorerst ausgedient. Ihre Herkunft ist zwar komplett fiktiv, jedoch sind sie in Idee und Design dem Grundthema entsprechend an griechische Geschichte und Mythologie angelehnt. Nein, es gab in der Realität sicherlich keine lodernden Klingen, die am Ende von Ketten geschwungen wurden, die wiederum ins Fleisch des Kämpfers eingebrannt waren. Ihre Formgebung, ihre Geschichte, ihre Wirkungsweise - das alles ist aber eng mit Griechenland verbunden, viel enger noch mit der Figur des Kratos und der Marke God of War selbst.
Wie schon seit der ersten Ankündigung des neuen Teils bekannt ist, kämpft Kratos jetzt vordergründig mit einer Axt, die über die Macht des Eises verfügt und auf Wunsch nach einem Wurf in die Hand des Werfers zurückkehrt. Das bedeutet in der Praxis viel mehr echten Nahkampf, viel mehr Tuchfühlung. Die Chaosklingen an den Ketten gewährleisten eine gewisse Distanz zum Gegner. In den alten Teilen gibt es dafür ausladende und elegante Animationen. Ob dies tatsächlichen griechischen Kampfstilen entspricht, vermag ich nicht zu beurteilen.
Die nordische Axt ist im Vergleich zu den griechischen Götterklingen gerade anfangs nicht ganz so Aufsehen erregend und hat sicherlich nicht so viel Wiedererkennungswert. Aber ich weiß ihre Vorzüge zu schätzen und bin auch froh, dass ich mich nicht mit brennenden Klingen durch nordische Wälder hacken muss. Es wäre ein unverzeihlicher Stilbruch gewesen.
Nein, ist er nicht. Er ist Spartaner. Und Sparta ist zwar jetzt ein Teil von Griechenland, das war aber in der Antike, in der die fiktive Geschichte von God of War angesiedelt ist, nicht so. Sparta war der Hauptort der Landschaft Lakonien und stellte über einen mehrere Jahrhunderte andauernden Zeitraum die stärkste Militärmacht in Griechenland dar. Natürlich gab es schon aufgrund der Nähe zu Griechenland eine kulturelle Angleichung, was sich auch durch die Spieleserie zieht.
Aber abgesehen davon: Kratos hat wirklich verdammt gute Gründe, Griechenland zu verlassen und so weit wie möglich wegzugehen. Anstatt sich in vertrauten Gefilden auszutoben, haben die Designer nun die große Chance, den Mythos, den sie rund um Kratos und God of War aufgebaut haben, in ein neues Reich der Geschichten zu transferieren und eine erzählerische Brücke zu schlagen.
God of War ist eines der wichtigsten Projekte, die Sony zurzeit am Start hat. Allen Beteiligten dürfte klar sein, dass dieser große Schritt nicht einfach aus dem Ärmel geschüttelt werden kann. Aufgrund dieses Sprunges ist die Arbeit der Autoren wichtiger denn je zuvor. Wie gut ordentliche Schreibarbeit einer ansonsten actionlastigen Franchise tun kann, seht ihr schon am Beispiel von Uncharted 4 - A Thief's End.
Daher ist das Verlassen von Griechenland und die Neuansiedelung im hohen Norden für mich ein wichtiger und willkommener Aufbruch in eine sicherlich ungewisse, aber vielversprechende und verheißungsvolle Zukunft für God of War. Ich finde, es ist der richtige Zeitpunkt gekommen, dieses Konzept auch gepflegt durchzuziehen. Nicht vergessen: Der "richtige Moment" kann auch vergehen und es könnte dann für eine bekannte Reihe zu spät sein, einen Neuanfang zu machen. Daher unterstütze ich die Entscheidung, der griechischen Halbinsel den Rücken zu kehren und den Blick in Richtung Norden zu richten.
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