von Micky Auer (Mittwoch, 20.06.2018 - 13:38 Uhr)
Seit 1999 sorgt die Marke Super Smash Bros. für ausgelassene Stimmung, gemeinsames hysterisches Geschrei vor dem Bildschirm und schier endlosen Spielspaß. Warum hat die Konkurrenz dieses Erfolgskonzept nicht schon längst kopiert?
Der Umstand, dass Super Smash Bros. Ultimate voraussichtlich am 7. Dezember 2018 für Nintendo Switch erscheinen soll, mag für viele Fans eine weitere triftige Daseinsberechtigung für die Hybrid-Konsole sein. Im Zuge der kürzlich zu Ende gegangenen Spielemesse E3 in Los Angeles verkündete Nintendo, dass im Spiel jeder bisher erschienene Charakter der gesamten Serie vorkommen soll. Dazu noch eine Auswahl aus altbekannten und gänzlich neuen Stages, die natürlich wieder bekannten Nintendo-Spielen nachempfunden sind.
Versetzt euch mal kurz in die Position von Sony. Oder Microsoft. Oder Ubisoft, Electronic Arts, Activision, Bethesda, Square Enix, Bandai-Namco und wie die großen Publisher alle heißen. Die sind sonst auch nicht so zurückhaltend, wenn es darum geht, die gute Idee eines anderen Herstellers - sagen wir mal: neu zu interpretieren. Warum also ist das Konzept "Smash Bros." nach wie vor beinahe einzigartig auf dem Markt?
Fällt euch im letzten Satz das Wort "beinahe" auf? Es gibt sie nämlich tatsächlich, die Versuche anderer Publisher, Spiele im Stile von Smash Bros. zu etablieren. Das war bloß bis jetzt nicht von Erfolg gekrönt, die Investionen für die Entwicklung haben sich nicht amortisiert. Oder anders ausgedrückt: Es war ein Verlustgeschäft. Und trotzdem klappt es bei Nintendo. Woran liegt das?
Als 1999 das erste Super Smash Bros. für Nintendo 64 auf dem Markt kam, wollte man bei Nintendo selbst noch nicht so recht dran glauben, dass das Spiel ein Erfolg werden könnte, geschweige denn der Dauerbrenner und Klassiker, der es heute ist. Crossovers in der Welt von Nintendo sind eher ungewöhnlich, und Super Smash Bros. stellt quasi die Mutter aller Crossovers dar, indem die Protagonisten aller bekannten Nintendo-Franchises ohne besonderen Grund plötzlich in einem Spiel auftauchen und sich gegenseitig die Fresse polieren. Damit hat Smash Bros. schon mal ein klares Alleinstellungsmerkmal erlangt, obwohl es all seine Komponenten aus so vielen anderen Spielen bezieht.
Nintendo war (und ist größtenteils noch immer) stets bemüht, seine Spiele als besonders familienfreundlich und gewaltfrei zu präsentieren. In Smash Bros. gibt es keine "X-Ray"-Moves à la Mortal Kombat X, bei denen ihr in allerhöchster Detailtreue beobachten könntet, wie Luigi dem entzückenden Pikachu den Schädel zertrümmert und Samus Aran mit einem aufgeladenen Schuss die Eingeweide von Prinzessin Peach zum Bersten bringt.
Die Gewalt in Super Smash Bros. ist noch ein ganzes Stück unter den handfesten Keilereien in Street Fighter 5 angesiedelt, die in erster Linie auch eher bunt und comichaft, nie jedoch voller Blut und Eingeweide sind. Selbst wenn Captain Falcon seine brennende Faust dem kleinen Ness ins Gesicht schmettert, fühlt sich das für den Spieler immer noch an wie: "Patsch! Patsch! Ich hau dich!" - Es ist eine harmlose Keilerei, die Kinder nicht verstört, verantwortungsbewusste Erwachsene nicht abschreckt und die für Jugendliche noch immer cool genug ist.
Die Persönlichkeit, die Nintendo seinen Figuren verliehen hat, lässt eine solche Herangehensweise zu, ohne das Geschehen lächerlich wirken zu lassen. Andere Publisher haben knallharte Action-Helden im Repertoire, die mit Schneid-, Stech- und Schusswerkzeugen reihenweise Gegner niedermähen. Sie verharmlost darzustellen (Patsch! Patsch!), wäre ein Bruch mit ihrer etablierten Stellung innerhalb einer Marke. Sie jedoch authentisch zu präsentieren, würde einen großen Teil des Publikums nicht erreichen, vor allem jüngere Kinder und deren Eltern.
Der legendäre Werbespot, der in den USA zum ersten Smash Bros. ausgestrahlt wurde, hat die Absurdität und Leichtfüßigkeit der sinnlosen, aber dafür umso spaßigeren Klopperei treffend veranschaulicht, indem er gleich die Philosophie von Nintendo direkt auf die Schippe nimmt: "In der stets glücklichen Nintendo-Welt ist etwas schief gelaufen ..." - Die "stets glückliche Nintendo-Welt" ist in der Spielebranche so etwas ähnliches wie Disneyland. Ein Ort des ewigen Lächelns, ein Ort der Freude, frei von Sorgen, Nöten und Ängsten. Und dann geht Yoshi mit dem Hammer auf Donkey Kong los. Das verstört nur ein wenig, erheitert aber größtenteils.
Es gibt einen großen Vorteil, den Nintendo gegenüber der Konkurrenz hat: Die Charaktere, die das japanische Unternehmen ins Rennen schickt, sind größtenteils ein Bestandteil internationaler Pop-Kultur, sie existieren seit Jahrzehten, viele Menschen kennen sie, obwohl sie vielleicht noch nie ein Videospiel gespielt haben. Einen Super Mario oder ein Pikachu muss man nicht mehr erklären. Mit solchen Galionsfiguren bewirbt sich Smash. Bros wie von selbst.
Fragt mal eure Eltern, ob sie Mario kennen. Oder ob sie schon mal von Pokémon gehört haben. Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass sie mit den Namen und Begriffen was anfangen können. Dann schaut euch mal ein Konkurrenzprodukt wie zum Beispiel PlayStation All-Stars Battle Royale an und fragt, wer Colonel Radek und Nariko sind. Zu schwer? Dann vielleicht Sweet Tooth und Kat? Toro Inoue und Cole MacGrath? Spike und Emmet Graves? Okay, ganz einfach jetzt: Kratos und Nathan Drake. Erkannt? Ja? Nein? Ihr bemerkt sicher den Unterschied.
Nintendo hat seinen Spielen und Charakteren eine Langzeitwirkung mit auf den Weg gegeben. Selten produziert das Unternehmen ein Spiel, das nur einmal funktioniert, ohne eine Fortsetzung und eine langlebige Serie hervorzubringen. Diese Stärke resultiert in einem extrem hohen Wiedererkennungswert, durch den die Figuren, die in Smash Bros. vorkommen, eine deutliche Resonanz bei den Spielern erzeugen.
Das gilt auch für die schon nahezu ikonischen Arenen, in denen die Klopperei stattfindet. Schauplätze wie eine Rennstrecke aus F-Zero, die große Plaza aus Super Mario Sunshine oder die düsteren Korridore aus Super Metroid haben allesamt einen hohen Wiedererkennungswert. Spieler lieben es, ihre favorisierten Spielumgebungen in anderen Spielen zu sehen. Speziell in so guter Gesellschaft. Das vermittelt den Eindruck, dass diese oder jene Stage es "wert ist", in die Elite aufgenommen zu werden, die in Smash Bros. vertreten ist.
Und dann wäre noch die Musik: Die musikalischen Themen aus Zelda-Spielen, Super Mario oder Pokémon haben viele Leute sofort im Ohr, wenn man nur den Namen erwähnt. Die in orchestraler Güte und neuen Variationen als Begleitung für eine effektvolle Prügelei zu haben, ist schon nahezu zwingend notwendig. Die Komponisten von Nintendo - allen voran Koji Kondo - haben auch für die Ohren etwas geschaffen, was sich oft schon seit Jahrzehnten hält und ins kollektive popkulturelle Bewusstsein eingebrannt hat.
Nintendo selbst hat sich vermutlich unbewusst die Weichen dafür gestellt, dass Smash Bros. ein lange anhaltender Erfolg sein würde. Kein anderer Spielehersteller kann auf ein so reichhaltiges Repertoire bekannter Namen, virtueller Örtlichkeiten und sofort erkennbarer Musik zurückgreifen. Mit einer so starken Basis, die so gut wie alle Fans auf mehreren Ebenen anspricht, kann ein Konzept wie das von Smash Bros. fast nur bei Nintendo funktionieren.
Immer wieder stattfindende Versuche der Konkurrenz haben bislang keinen so großen Erfolg verbuchen können. Vielleicht, weil sie sich zu stark an der Vorlage orientieren? Vielleicht aber auch, weil ein so großes Vorhaben mit Spielehelden, die es vergleichsweise noch nicht so lange gibt, nicht so reibungslos umgesetzt werden kann. Klar, Kratos ist gerade wieder in aller Munde, auch Nathan Drake ist kein Unbekannter. Aber den Status eines Mario oder Link müssen sie sich erstmal verdienen. Von all den anderen mehr oder minder obskuren Spielehelden sei hier erst gar nicht die Rede.
Denkbar wäre ein Szenario, das sich nur in den Grundzügen an die Smash-Formel hält, jedoch entsprechend den Figuren, die darin vorkommen, deutlich erwachsener präsentiert. Dann wiederum stellt sich die Frage, ob ein so leichtherziges Konzept dann noch sinnvoll ist und das große Konkurrenz-Crossover dann doch besser in einer anderen Sparte angesiedelt werden sollte.
Ihr seht, so richtig geschmeidig kann sich kaum ein anderer Publisher dieser Thematik annehmen. Es scheint fast so, als wäre Smash Bros. die authentischste aller Nintendo-Marken, weil es in seiner Gesamtheit nur dann funktionieren kann, wenn es sich aus den Schatzkammern von Nintendo speist.
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