Als Kinder haben in meiner Heimat fast alle gezockt. Egal ob es die "coolen Kids" waren oder die "Geeks", nahezu jeder hat gespielt. Irgendwann kristallisierte sich dann heraus, für wen dieses Hobby zur Leidenschaft werden sollte. Irgendwann findet sich so jemand vielleicht als einziger Spieler in einer Umwelt voller Nichtspieler wieder. Und hat von witzigen Missverständnissen bis hin zu großspurigen Belehrungen die wunderlichsten Begegnungen.
Wenn ich zum Feierabend das Büro verlasse, betrete ich eine andere Welt. Oder ist es genau umgekehrt? Eine der beiden Welten muss in jedem Fall verkehrt sein, denn die eine dreht sich zum großen Teil um Videospiele, während die andere frei von ihnen zu sein scheint.
Mit "Welt" meine ich vor allem das soziale Umfeld, in dem ich mich bewege. Mein Freundeskreis besteht zu Teilen aus Spielenden, ist aber in alle Himmelsrichtungen verstreut. Seit ich in Berlin bin, umgebe ich mich größtenteils mit astreinen Nichtzockern. Und mir ist erst dadurch bewusst geworden, wie grundverschieden bestimmte Denkweisen sein können, wenn uns dieser eine Punkt nicht verbindet.
Ich muss mir das manchmal klarmachen, indem ich es im Kopf ausformuliere: Es gibt es eine Vielzahl an Menschen, die rein gar nichts mit Videospielen am Hut haben. Null Komma nichts.
Die keine schönste Kindheitserinnerung haben, die sich um ein Videospiel dreht. Keine Gänsehaut bekommen haben, als sie zum ersten Mal das Master Schwert aus dem Stein zogen. Die nicht die Geschichten und Abenteuer erlebt haben, die ich und andere Spieler erlebten. Nicht panisch vor dem Nemesis aus Resident Evil 3 geflüchtet sind. Die keine angeregten Gespräche über den emotionalen Impact führen, den der "Secret of Mana"-Soundtrack auf sie hat.
Menschen, die mich fragen, was ich in Berlin mache und es auch dann noch nicht begreifen, wenn ich nach "Ich bin Spieleredakteur." und "Ich bin Spieleredakteur bei spieletipps" noch ein etwas ausführlicheres "Ich erstelle redaktionelle Inhalte über Videospiele für ein Online-Magazin." hinterherschiebe.
Eine tatsächlich nicht seltene Reaktion: Ich werde gefragt, was man denn als Redakteur genau tue, der über Sportwetten schreibt. Wie bitte? Ach so, "spieletipps" – dass ich diese Assoziation vorher selbst nie hatte … Menschen, die den Namen kennen, reagieren oft mit "Da habe ich früher meine Cheats herbekommen!".
Eine andere populäre Antwort: Früher habe der- oder diejenige auch mal gezockt. Es fallen ein paar Namen - Grand Theft Auto, Tony Hawk's Pro Skater, FIFA. Aber irgendwann war das alles nichts mehr für sie. Hat zu viel Zeit gefressen oder war nur eine Beschäftigung in der Kindheit, die man sich irgendwann abgewöhnt hat.
Für manche Menschen tragen bestimmte Beschäftigungen unsichtbare Label, die Auskunft darüber geben, für welche Zeit im Leben sie angemessen sind. Sicher würde ich mich bei genauer Überlegung selbst dabei ertappen, manches als "Kinderkram" abzutun.
Einmal nahm ich eine Mitfahrgelegenheit und der Fahrer hatte eine ganz spezielle Haltung zu Videospielen. Er fing harmlos an, die üblichen Fragen zu stellen, größtenteils, um meine Antworten abzuwarten und dann von seinen Erfahrungen zu sprechen. "Zockt ihr da den ganzen Tag?" - (nein, tun wir nicht) - "Aha, also ich habe ja auch mal gezockt. CS.". Was dann kam, war etwas seltsam.
Er holte weit aus, beschrieb recht bildhaft und mit Hilfe von Gesten, wie ihn Counter-Strike irgendwann zu sehr aufgewühlt habe, als er es noch fast jeden Tag spielte. Er war richtig gut, versenkte viele Stunden in das Spiel, sagte er. Und wurde immer aufgeregter und unruhiger dabei. Sein Ton wurde dann etwas belehrend, als wolle er mir gerade beibringen, dass Spiele auf Dauer nicht gut sein können. Ich sagte ihm, dass es vernünftig war, aufzuhören, wenn sie sowas bei ihm auslösten.
Das war scheinbar nicht die erhoffte Reaktion, er hatte sich ganz offensichtlich Einsicht von mir gewünscht.
Oft sind Menschen in meinem Umfeld ganz erstaunt, dass Videospiele eine genügend große Sache sind, um als Redakteur zum Thema seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Letzteres kann ich selbst manchmal nicht glauben, es ist immer wieder spannend, sich auch mit Nicht-Gamern über die Zusammenhänge auszutauschen. Es kann aber auch dazu führen, dass ich mir auf die Zunge beißen muss.
So habe Psychologiestudenten, angehende Wissenschaftler, den Einwand vortragen hören, sie kennen niemanden, der zockt. Videospiele könnten also gar kein so großes Ding sein. Angehende Wissenschaftler. Anekdotische Beweisführung. Auf meinen Verweis auf die alljährlichen JIM- und KIM-Studien des mpfs, die die Nutzungsdaten von Kindern und Jugendlichen in Deutschland aufzeigen, reagierten sie lachend: "Wer sind denn Kim und Jim?".
Ich fühle mich ernsthaft, von ganzem Herzen nicht in meinem Spieler-Stolz verletzt - den ich nicht habe - wenn jemand keine Berühungspunkte mit Spielen hat oder sie nicht mag. Das ist mir völlig egal und ich suche mir meine sozialen Kontakte auch nicht danach aus. In solchen Momenten frage ich mich nur, woher diese Abwehrhaltung und Ignoranz bei manchen Menschen kommt.
Zu meinem Umfeld gehören aber auch Personen, die aufrichtig naive Fragen stellen. Ganz unvoreingenommen, einfach aus Interesse. Ob ich da so richtig in einem Büro säße und Spiele beschreibe, zum Beispiel. Ich erzähle dann ein wenig, aber die Gespräche erschöpfen sich meist schnell, weil manche Erklärungen ein gewisses Grundverständnis der Materie voraussetzen. Vielleicht habe ich verlernt, für solche Menschen verständlich über diese Sache zu sprechen, die mich mein ganzes Leben schon begleitet. Die mein ganzes Leben so stark geprägt hat.
Wie geht es euch denn in eurem sozialen Umfeld – seid ihr von vielen Spielern umgeben oder sind eure Zockerkumpels – wie bei mir – in alle Winde verstreut? Erzählt uns eure Geschichten darüber, wie es ist, als Spieler in einer Nichtspieler-Umwelt zu leben. Wir freuen uns, sie zu lesen!
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