Fallout 76

Fallout 76: Vier Deppen vom Dienst gegen den Rest der Welt (Kolumne)

Die Kollegen und ich sind am Donnerstag zusammen durch West Virginia getigert. Was als harmloses Beta-Probespiel anfing, endete in einer Hinrichtung durch ein Protestschild. Wie es dazu kam, lest ihr hier: Das sind die "Fallout 76"-Abenteuer der spieletipps-Redaktion.

Lasst mich zu Beginn kurz einordnen, wer die Protagonisten in unserer Geschichte sind: Da hätten wir Cherry, gesteuert von der Praktikantin Steffi, Thaneros, den Helden von Autor Michael, Steve, den sich "Social Media"-Praktikant Stefan gebastelt hat und mich: Raimund Schimmler, unerschrockener Vault-Bewohner mit kreisrundem Haarausfall. Alle vier hatten wir eine Mission: Die zivilisierte Welt wiederaufbauen.

Live-Action-Trailer zur Mehrspieler-Apokalypse

Doch das gestaltete sich alles andere als einfach. Allein schon deswegen, weil uns ein Fehler nicht erlaubte, eine Gruppe zu bilden und wir somit einfach als loses Bündnis durch die Welt stapften. Es hatte von Beginn an den Charakter einer Klassenfahrt mit Grundschülern: Wer auch immer versuchte, den wilden Haufen zu koordinieren, brach sich dabei ordentlich einen ab.

Wir fingen damit an, unsere Ausrüstung auf Vordermann zu bringen und ein paar Farmhäuser zu looten, versuchten dabei immer möglichst beieinander zu bleiben und Team-Geist zu beweisen. Das ständige „Hä? Wo seid ihr denn schon wieder hin?“ in den Headsets zeugte davon, wie wenig wir diesem Ziel nahekamen. Wir hüpften wie kopflose Hühner auf den Dächern von Häusern umher, babbelten wild durcheinander, wenn wir etwas Interessantes fanden, verliefen uns regelmäßig.

Vorsichtig anklopfen ... mit dem Baseballschläger

Würden Sie diesem Mann ins Ödland folgen?
Würden Sie diesem Mann ins Ödland folgen?

Irgendwann zurrte ich die Gurte etwas enger. Ich beschloss, die Kontrolle zu übernehmen und lotste die Gang die Straße hinauf, auf dass wir die nächste Stadt finden sollten. Auf dem Weg dorthin kamen wir am Camp eines anderen Spielers vorbei. Stefan beschloss, einmal „vorsichtig anzuklopfen“.

Nachdem er mit seinem Baseballschläger gegen die Wand des Bauwerks gedroschen hatte, war er ein gesuchter Mann, rot markiert, mit einem Kopfgeld von zehn Kronkorken versehen. Toll gemacht, Stefan. Die automatischen Geschütze ballerten auf ihn ein und trieben ihn in den Wald hinein, wo er ins Headset schreiend Zuflucht suchte. Fortan wurden wir ihm nicht mehr auf die Ferne in der Welt und auf der Karte angezeigt. West Virginia: 1, Wiederaufbaukommando: 0 – wir hatten noch nichts Produktives verrichtet. Also weiter die Straße entlang und Quests suchen.

Das Ende einer blechernen Liebe

Wir trafen auf ein Roboterpärchen. Einen Mister und Missis Handy, die angeregt miteinander flirteten. Steffi war entzückt, ganz hin und weg, stellte sich schwärmend neben die beiden und lauschte dem Geplänkel. Ich wollte weiter und versuchte so, durch ein paar gezielte Schüsse auf die beiden aus der Ferne, sie gegen Steffi aufzuhetzen. Da wir nicht offiziell als Gruppe unterwegs waren, kamen sie stattdessen auf mich zu. Solidarisch erledigte Stefan sie mit dem Baseballschläger und brach damit nicht nur ihre Robotergebeine, sondern auch Steffis Herz. Sie war so entsetzt, dass sie sich beinahe von uns getrennt hätte.

Stefan, der Rächer mit dem Drescher.
Stefan, der Rächer mit dem Drescher.

Aber allein wäre sie wohl aufgeschmissen gewesen, also blödelten wir zu viert weiter nach Point Pleasant, säuberten die Stadt von allen Verbrannten, looteten was das Inventar hergab und errichteten gegen Abend ein Camp am Stadtrand, an dem wir uns erholten und Waffen verwalteten.

Als ich mich von der Werkbank umdrehte, waren wir plötzlich zu fünft. Ein "Level 18"-Spieler in einem hübschen Korsett, mit Gasmaske und Zylinder war aus dem Dunkel in unsere Mitte gesprungen und tänzelte um uns herum. Als er ging, begleiteten wir ihn ein Stück zum Fluss hinunter, wo er ohne Absprache für ein paar Fotos mit uns posierte.

Und würden Sie DIESEM Mann ins Ödland folgen? Wir taten es.
Und würden Sie DIESEM Mann ins Ödland folgen? Wir taten es.

Überrascht fragte ich die wieder etwas beruhigte Steffi, seit wann sie denn ein Kleid und einen Armeehelm trug. Die Dame darf man keinen Moment aus den Augen lassen.

Wenn man einmal nicht hinschaut ...
Wenn man einmal nicht hinschaut ...

Wir beschlossen, uns endlich mal so richtig nützlich zu machen im Ödland. Michael kannte aus dem ersten Beta-Termin ein Kraftwerk in der Nähe, das mit einer Quest verbunden war. Also machten wir uns auf den Weg dorthin, entledigten uns mutierter Kröten und anderem Geschmeiß und blickten vom Hügel aus auf das Industriegebäude. Hier also sollten sie endlich zum Einsatz kommen, unsere Super-Team-Kräfte.

Das Kraftwerk-Fiasko

So wie wir uns näherten, setzte das Hühnersyndrom wieder ein: Alle schwärmten in unterschiedliche Richtungen aus, Schüsse fielen, Schreie ertönten über die Headsets. Tolle Helden sind wir, dachte ich. Wir versuchten, das Kraftwerk zu erklimmen, wobei wir von Verbrannten nahezu überrannt wurden und uns gegen Selbstschussanlagen verteidigen mussten.

Irgendwann fing Stefan an, panisch zu schreien. Er war der einzige der Gruppe, den ich nicht mehr sehen konnte. Schon wieder dieser Stefan! Er hatte das Dach des Kraftwerks im Sturzflug verlassen, um sich mit einem Supermutanten anzulegen. Viele Flüche und Schreie später stieß er wieder zu uns. Mit einem blutigen Baseballschläger und einer vor Stolz geschwellten Brust. Dieser Teufelskerl lief immer noch mit einer Nahkampfwaffe umher.

Das Monster von Grafton

Viel konnten wir trotz tollkühnen Einsatzes nicht ausrichten beim Kraftwerk. Uns fehlten die technischen Skills, uns in die Türsteuerung zu hacken und so versammelte ich die Truppe wieder beim nächstgelegenen Lager, wo wir ein paar Protestschilder von längst verstorbenen Aktivisten aufsammelten. Ich sah ein paar blaue Gebäude jenseits des ausgetrockneten Flussbettes und so war die nächste Anweisung: Zu den blauen Gebäuden, Avengers!

Michael ging vor und rief, ich solle mir mal etwas ansehen. Als ich zu ihm kam staunte ich nicht schlecht: Er war doch tatsächlich auf das Monster von Grafton gestoßen, das im Flussbett gegen ein paar Roboter kämpfte. Eine Schlacht, in die wir uns freude- und radioaktivitätsstrahlend mischten. Schließlich waren wir doch die auserkorenen Helden des Ödlands. Nach einem zähen Kampf besiegten wir das unansehnliche Vieh und freuten uns über Level-Ups.

Das Team-Gefüge zerhackt

Ich hatte zwischendurch eine Feuerwehraxt aufgesammelt, Gegner waren weit und breit nicht mehr zu sehen, es juckte mich aber in den Fingern, das Teil einmal irgendwo reinrumsen zu sehen. Da lief er mir über den Weg, Stefan. Zwar immer loyal, aber wegen seiner Alleingänge und Tollheiten irgendwie vorbelastet. Ich fackelte nicht lange: Rums! Ich hatte ihn zu Boden gebracht und aus dem Spiel befördert. Ihm war es genug. Stefan verließ das Spiel endgültig und auch Steffi wollte nicht mehr. Das Gruppengefüge war zerrüttet, Steffi bevorzugt Harmonie. Und tschüss.

Nun waren nur noch Michael und ich übrig und eine seltsame Spannung lag in der Luft. Wir wussten, dass wir nicht einfach so ausloggen würden, doch die Brücke auf der wir standen, war zu klein für uns zwei. Ich schoss zuerst.

Michael schaffte es irgendwie, hinter mich zu kommen, während ich ihn panisch vor mir suchte. Und er deckte mich mit einem Schauer aus Molotov-Cocktails ein. Einen Moment lang dachte ich, er habe sich unsichtbar gemacht und ich wollte ihn des Cheatens bezichtigen. So wie ich am Boden hockte und nach Hilfe rief, wurde mir schmerzlich bewusst, dass ich einfach hinter mich hätte schauen sollen.

Und so endete die Heldenreise ...
Und so endete die Heldenreise ...

Denn genau dort stand er nun. Mit einem Protestschild in der Hand und hämisch lachend. Ein erlösender Streich mit der politischen Botschaft und mit mir war's vorbei. Wenn der Wiederaufbau der Zivilisation so aussehen sollte, kann die Zivilisation noch lange warten.

RIP: Die lustigsten Tode in Videospielen

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Der krönende Abschluss: Ein Freund von mir schickte mir eine Videoaufnahme zu. Ich hatte ihn versehntlich in den Gruppen-Chat eingeladen. Er saß irritiert vorm Fernseher und hörte sich unser chaotisches Gebrabbel an. Wer weiß, was der arme Kerl alles mithören musste ...

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