von Thomas Stuchlik (Donnerstag, 10.01.2019 - 12:27 Uhr)
Das Spielen per Streaming wird immer professioneller. Neben bekannten Größen wie Sony, Microsoft und Google gibt es mit Shadow einen Anbieter, der euch gleich einen kompletten Rechner in der Cloud zur Verfügung stellt. Ein Erfahrungsbericht.
Große Hersteller experimentieren bereits fleißig mit Cloud Gaming: Sei es Sony mit PlayStation Now, Microsoft mit xCloud oder Google mit Project Stream (bisher nur in den USA). Ziel dieser Dienste ist es, Spiele per Streaming (und nicht per Download) in die heimischen vier Wände zu bringen – meist als kostenpflichtiges Abo. Der Vorteil: Die Games lassen sich auf diverse Endgeräte wie etwa ein Handy bringen und benötigen keine teure Gaming-Hardware.
Der Anbieter Shadow Tech geht beim Streaming noch einen Schritt weiter: Denn normalerweise erhaltet ihr eine Handvoll Spiele aus einer vorgegebenen Bibliothek. Bei Shadow dagegen erhaltet ihr einen komplett ausgestatteten PC – nur dass dieser nicht bei euch zu Hause steht, sondern in einem Rechenzentrum.
Mit einem Shadow-Abo erhaltet ihr Zugriff auf euren eigenen Rechner mitsamt dem Betriebssystem Windows 10. Die Technik dahinter funktioniert genauso wie bei anderen Diensten: Shadow empfängt eure Eingaben, verarbeitet diese und sendet euch Bild und Ton auf den heimischen Bildschirm.
Für euren virtuellen Rechner bekommt ihr einen Intel Xeon-Prozessor mit acht Kernen, 12 GB Arbeitsspeicher und eine P5000-Grafikeinheit, die vergleichbar mit einer Nvidia GTX 1080 ist. Dazu gesellen sich 256 GB Festplattenspeicher, eine Lizenz für Windows 10 sowie eine Download-Bandbreite von einem Gigabit. Kurzum ein nach derzeitigen Standards anständiger Gaming-PC, mit dem ihr natürlich auch allerlei Anwendungen wie Office, Bildbearbeitungsprogramme oder Videoschnitt-Software ausführen könnt.
Zugriff auf euren PC erhaltet ihr über die kostenlose Shadow-App, die es für Windows, Mac, Android, iOS (Beta) und Linux (Beta) gibt. Vorab konfiguriert ihr, welche Bandbreite ihr zur Verfügung stellen wollt (oder ihr setzt auf automatische Erkennung). Ebenso könnt ihr Shadow wahlweise im Fenster oder als Vollbild starten. Außerdem lässt sich das Color-Rendering ändern (falls Farben falsch dargestellt werden) oder die Auflösung wahlweise automatisch anpassen.
Bei unserem Praxistest hat sich die Übertragung mit fix eingestellten 40 Mbit oder höher als am besten erwiesen (anstatt automatischer Bandbreite). Zudem sollte unbedingt die Übertragung mit H265-Codec zugeschaltet werden. Nur damit bleibt die Grafik auch bei Bewegungen gleichbleibend scharf.
Nach dem Bootvorgang findet ihr euch in einer "Windows 10"-Umgebung wieder. Hier könnt ihr beliebig Programme und Spiele installieren. Dank Steam, Origin oder Uplay habt ihr Zugriff auf all eure PC-Spiele. Ihr müsst diese einfach neu herunterladen. Schön, dass selbst umfangreiche Downloads dank GBit-Leitung extrem schnell auf den Rechner geladen sind.
Auch schön: Es werden nicht nur Maus und Tastatur eures Rechners erkannt, sondern auch angeschlossene Gamepads. Beim Test funktionierten Spiele problemlos mit dem Controller der Xbox 360 sowie der Xbox One. Mittels Adapter auch per Funk. Angeschlossene Lenkräder wurden bisher jedoch nicht erkannt. Shadow unterstützt auch Mikrofone – jedoch noch im Beta-Stadium. So könnt ihr euch per Discord oder anderweitigem Voice-Chat unterhalten.
Ein wenig komplizierter (aber nicht unmöglich) wird es mit Disc-Laufwerken (falls ihr von CD installieren wollt). Deren Unterstützung befindet sich ebenso im Beta-Status. Ebenso möglich ist der Datenaustausch mittels USB-Stick. Doch in der Praxis empfiehlt es sich, Daten-Dienste wie Dropbox oder das in Windows vorinstallierte OneDrive von Microsoft zu verwenden. Auf diese Weise übertragt ihr nötigenfalls auch eure Spielstände.
Eben nicht! Oder fast nicht. Mit besagten Einstellungen gibt es auf der Windows-Oberfläche keinerlei spürbare Verzögerung bei der Eingabe. Es ist nicht zu unterscheiden, ob da ein PC unter eurem Tisch agiert oder ein Server in Amsterdam. Eine minimale Latenz mag vorhanden sein, doch die ist mit einem örtlichen Rechner gleichermaßen gegeben.
Auch der Ping bleibt erfreulich niedrig (um die zehn Millisekunden im Test). Der Hersteller empfiehlt minimal eine DSL-Internet-Leitung von 25 Mbit. In der Praxis würden wir eher zu mindestens 50 Mbit raten. Außerdem solltet ihr möglichst per LAN-Kabel zum Router verdrahtet sein, denn im heimischen WLAN kann schnell die Bandbreite schwanken – beispielsweise am Handy. Und das wirkt sich direkt auf die Übertragungsqualität aus.
Je nach Setup versucht Shadow die niedrige Latenz auch im Spielbetrieb zu halten. Gerade bei hektischen Situationen kann deshalb schonmal die Bildqualität leiden. So kommt es kurzzeitig zu unschönen Fragmenten und ausgefranster Grafik. Deshalb laufen hektische Spielrunden wie zum Beispiel in Call of Duty nicht immer optimal über die Cloud.
Shadow unterstützt Auflösungen bis zu 4K bei maximal 60 Bildern pro Sekunde. Allerdings dürfen in Spielen auch höhere FPS-Raten zugeschaltet werden. Beim Test mit GTA 5 beispielsweise erhielten wir mit 120 Hz ein subjektiv flüssigeres Bild, obwohl Shadow nur 60 Bilder pro Sekunde ausgibt.
Selbiges Spiel verdeutlicht auch den Vorteil der H265-Option. Ohne diese bröselt die Grafikkulisse vor allem in der Ferne auseinander, mit dieser Option bleibt das Bild fast jederzeit scharf. Dabei glaubt man teilweise kaum, dass dies nur eine Bildübertragung ist. Das gilt auch beim Testspiel mit The Witcher 3 - Wild Hunt, das bei Ultra-Settings immer noch mit 60 Bildern pro Sekunde läuft. Die Bildqualität steigert sich hier natürlich noch, wenn man die Auflösung auf 1440p oder 2160p hochschraubt.
Forza Horizon 4 meckert beim Start wegen der installierten Server-Grafikkarte, läuft aber dennoch butterweich. Was bei unserem Test bei einigen Spielen auffällt, sind gelegentliche Mikroruckler. So als ob immer wieder einzelne Frames übersprungen werden. Das könnte laut Hersteller jedoch auch an unserem Internet-Anbieter (Vodafone) oder dem verwendeten Router liegen.
Auch auf einem iPad liefen Windows und die Spiele durchweg gut, auch wenn das WLAN für schwankende Bildqualität sorgte. Auch schön, dass ein per Bluetooth verbundendes Gamepad einwandfrei funktionierte.
Kommen wir zum größten Nachteil von Shadow: der Preis. Da der Dienst nicht nur eine Handvoll Games, sondern einen vollwertigen Windows-PC zur Verfügung stellt, wird es entsprechend höherpreisig. Ein einzelner Monat kostet 44,95 Euro. Je nach Abo-Länge wird es allerdings günstiger: Bei drei Monaten sind es 34,95 Euro im Monat, beim Jahres-Abo noch 29,95 Euro im Monat. Aktuell dauert die Aktivierung außerdem zwei bis vier Wochen (im Maximalfall).
Daneben lässt sich der recht knappe Festplattenspeicher erweitern. Denn die mageren 256 GB sind schnell voll. Auch da Windows bereits 20 GB davon veranschlagt.
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Es erstaunt mich immer wieder, wie gut Spiele per Streaming laufen können. Vor allem, wenn diese auf veralteter oder eigentlich inkompatibler Hardware laufen (Stichwort: Apple Mac). Mit der richtigen Leitung und korrekten Einstellungen ist die Bildqualität bestechend. Auch die befürchtete Latenz ist kaum spürbar.
Doch um die Eingangsfrage zu beantworten: Nein, Shadow ist kein echter Ersatz für einen echten Gamer-PC. Aber es ist eine gute Übergangslösung, wenn eure Hardware veraltet ist oder ihr auf anderen Plattformen oder an größeren Bildschirmen spielen wollt. Interessant: Der Hersteller plant mit Shadow Ghost bereits eine Streaming-Box, um den Dienst auch am großen TV zu betreiben.
Allerdings wird viele Spieler der hohe Monatspreis abschrecken. Auch eine kostenlose Probephase gibt es leider (noch?) nicht. Ebenso nervt der knappe Festplattenspeicher, der nur teuer erweitert werden kann. Dennoch ist Shadow eine ausgereifte Streaming-Lösung, die durch Vielseitigkeit besticht.
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