von Thomas Stuchlik (Montag, 15.04.2019 - 12:00 Uhr)
Aufbruchstimmung im Industriezeitalter: Mit klassischem Spielablauf und vielen Detailverbesserungen bricht das neue Anno in eine alte Epoche auf. Doch kann die 20 Jahre alte Aufbau-Reihe weiterhin begeistern?
Eine gefühlte Ewigkeit (oder genauer gesagt knapp vier Jahre lang) wurden Fans auf die Folter gespannt. Doch jetzt ist es da: Nach seinen futuristischen Vorgängern Anno 2205 und Anno 2070 kehrt das Aufbau-Epos wieder in die Vergangenheit zurück. Anno 1800 versetzt euch mitten in die industrielle Revolution und baut konsequent auf alte Serienstärken. Denn der Fan-Liebling Anno 1404 stand scheinbar Pate für das weiter verfeinerte Erfolgsrezept.
Wiederum ist das deutsche Studio Blue Byte für die Entwicklung verantwortlich. Selbige riefen bereits 2017 die "Anno Union" ins Leben – eine Initiative, bei der die Macher eng mit den Spielern kommunizierten. Fans durften mitbestimmen, welche Formen das neue Anno annehmen sollte. Deshalb wurde der neueste Teil bereits auf der gamescom 2017 enthüllt, was die Wartezeit auf das fertige Spiel wahrlich nicht einfacher machte. Doch das Däumchen-Drehen hat nun ein Ende!
Die Ausgangslage im neuen Anno 1800 bleibt altvertraut: Ihr beginnt (je nach Startbedingung) mit einer kleinen Ansiedlung oder gar nur einem Schiff, um daraus ein florierendes Handelsimperium zu erschaffen.
Aller Anfang ist gar nicht schwer: Ihr beginnt auf einer malerischen Insel mit einem Handelskontor, welches ihr mit selbst errichteten Gebäuden und Einrichtungen stetig erweitert. Zunächst baut ihr reihenweise Bauernhäuser als Unterkünfte für Bewohner. Ebenso kümmert ihr euch um erste Rohstoffe und platziert Holzfällerhütten, Sägewerke, Lehmgruben und Ziegelfabriken. Denn Bretter und Ziegel dienen als erstes Baumaterial für allerlei Produktionsstätten.
Schon zu Beginn solltet ihr auf eine durchdachte Infrastruktur setzen. Jedes Gebäude wird mittels Straßen (anfangs Feldwege, später Pflasterstraßen) verbunden. Haltet Warenwege kurz, um Rohstoffe effizienter weiter zu verarbeiten. Alternativ deponiert ihr den Kram in nahe gelegene Warenlager, welche verfügbare Ressourcen inselweit in allen anderen Lagern zur Verfügung stellen. Überzählige Güter könnt ihr auf dem Schiffsweg exportieren, Mangelware dürft ihr dagegen importieren. Entweder von anderen Inseln eures Imperiums (sofern vorhanden) oder von Mitspielern.
Gebäude errichtet ihr über das übersichtliche Baumenü am unteren Bildschirmrand. Wahlweise zeigt dieses das gewünschte Zielprodukt oder die Produktionskette an. Auf letztere kommt es besonders an. Serientypisch konstruiert ihr in Anno 1800 immer komplexere Verarbeitungszyklen.
Einfachere Produkte wie Schnaps, der die Zufriedenheit hebt, lassen sich in gerade mal zwei Schritten herstellen (Kartoffelhof und Schnapsbrennerei). Doch für Schiffskanonen braucht es beispielsweise schon eine Eisenmine, Köhlerei, Hochofen und eine Kanonengießerei. Die Geschütze nutzt ihr übrigens auch in der Schiffswerft zur Produktion von Fregatten oder Kanonenbooten. Für Fleischkonserven dagegen braucht es zum Beispiel eine Paprika- sowie Rinderfarm, Großküche, Eisenmine und zuletzt eine Konservenfabrik.
Je nach Produktion benötigt ihr auch entsprechende Fachkräfte. Deshalb unterteilt sich eure Bevölkerung in fünf Stufen, die sich erst mit Wachstum und Zufriedenheit freischalten. Bauern bewirtschaften die Felder, Arbeiter werkeln in Fabriken, Handwerker stellen höherwertige Waren her. Ingenieure sorgen für Dampfmotoren, Eisenbahnen und Elektrizität. Die fünfte und letzte Stufe bilden schließlich hochnäsige Investoren, die mit Luxusgütern handeln und satte Gewinne generieren können.
Passt auf, eure Bewohner nicht auszubeuten! Produktionen können zwar nach Bedarf erhöht werden, um Engpässe zu vermeiden, doch das steigert auch die Unzufriedenheit. Die Folge sind Streiks und Aufstände. Gewährt den Bewohnern deshalb Arbeitserleichterungen sowie Luxusgüter. Ein Wirtshaus am Eck reicht notfalls auch erstmal aus. Nicht zuletzt könnt ihr die allgemeine Stimmung mit geschönten Zeitungsartikeln aufhellen.
Maßgeblich prägt ihr das Stadtbild, das sich nach einigen Spielstunden vom landwirtschaftlichen Dorf zur Industrie-Metropole entwickelt. Erstmals dürft ihr auch Gebäude verschieben und müsst sie nicht wie vormals abreißen und neu bauen. Außerdem steht Stadtarchitekten der Blaupausen-Modus zur Verfügung. Damit bestimmt ihr bereits Bauplätze und den Aufbau von Vierteln und errichtet sie erst, sobald Geld und Rohstoffe zur Verfügung stehen.
Übrigens bereist ihr auch die neue Welt, oder besser gesagt: Südamerika. Als Kolonialherr baut ihr Ansiedlungen und Einfluss aus. Hier gibt es exotische Waren wie Bananen, Kautschuk und Kaffee, die auch in der alten Welt freudig erwartet werden. Außerdem existieren vor Ort andere Bevölkerungsstufen: Jornalero (Tagelöhner) und Obrero (Arbeiter). Die Abläufe sind bewusst weniger komplex gehalten. Denn den Spielmittelpunkt bildet weiterhin die Alte Welt.
Damit sich euer Imperium auf weitere Inseln ausbreiten kann, solltet ihr eure Schiffsflotte ausbauen. Sei es zum Transport, Handel oder dem Erkunden unbekannter Gefilde. Ebenso legt ihr Handelsrouten fest und erledigt auf ihnen Missionen. Denn öfters behelligen euch Bürger oder Konkurrenten mit Aufträgen, bei denen ihr bestimmte Waren liefert, einfache Seekämpfe bestreitet oder euch auch mal auf Wimmelbild-Suche nach ausgebüxten Tieren oder Saufbolden begebt.
Sichert außerdem eure Häfen mit Geschützen vor Angriffen vor Piraten und hinterlistigen Rivalen. Daneben entsendet ihr Schiffe auf eigenständige Missionen. Per "Multiple Choice"-Auswahl bestimmt ihr regelmäßig, was die Crew bei bestimmten Ereignissen und Gefahren tun soll.
Wie erwähnt bevölkert ihr nicht alleine die Spielwelt. Andere Computerspieler eignen sich genauso Inseln an und treiben Handel. Dank Diplomatie-Bildschirm könnt ihr die Konkurrenten umgarnen, mit ihnen Allianzen eingehen oder Kriege erklären. Jeder KI-Konkurrent besitzt dabei seine eigene Persönlichkeit und Spielweise - mal friedlich, mal kriegerisch.
In Anno 1800 herrscht wieder ein gemächliches Spieltempo ohne treibenden Zeitdruck vor. Dennoch wechselt ihr nötigenfalls zwischen drei Spielgeschwindigkeiten. Die Mausbedienung ist durchdacht, Menüs klar strukturiert. Per rechter Maustaste greift ihr außerdem auf ein ringförmiges Schnellmenü mit wichtigen Aktionen zu.
Drei Spiel-Modi stehen zur Verfügung. Die vierteilige Kampagne dient als Einführung in die komplexe Spielmechanik. Dennoch wird Serieneinsteigern eigenständige Einarbeitung abverlangt, denn Anno 1800 erklärt beileibe nicht alles.
Kenner stellen sich dagegen dem zeitfressenden Endlosspiel mit angepassten Bedingungen (Schwierigkeit, Zufallskarte, Fraktionen etc.) oder fordernden Online-Partien. Bei letzteren konkurrieren vier Online-Spieler um Macht, Geld und Ruhm. Übrigens ist auch ein Koop-Modus in Planung und folgt als kostenloser DLC.
Optisch beeindruckt die Aufbaustrategie mit wundervoll gestalteten Naturgebieten genauso wie mit hübsch animierten Fertigungsstätten. Da ihr die Grafikkulisse stufenlos drehen und zoomen könnt, dürft ihr auch das rege Treiben auf den Straßen verfolgen. Pferdekarren rumpeln über die Wege, Kinder spielen in den Gassen, Weizenfelder wogen im Wind. Gleichzeitig halten sich die Systemanforderungen in Grenzen. Auch auf älteren PCs genießt ihr hohen Detailgrad. Anno 1800 liefert eine bessere Performance als noch in der geschlossenen Beta vom Januar.
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