von Martin Hartmann (Dienstag, 17.03.2020 - 16:07 Uhr)
Schon wieder berichten Entwickler bei Naughty Dog von extremer Überarbeitung und unzähligen Überstunden. Einige wünschen sich sogar einen Flop des kommenden The Last of Us 2, um dem Studio zu zeigen, dass sich etwas ändern muss.
Hat Naughty Dog aus vergangenen Fehlern nicht gelernt? Es ist nicht das erste Mal, dass Stimmen laut werden, die die extremen Crunch-Phasen beim Uncharted-Entwickler verurteilen. Auch bei den Arbeiten an The Last of Us 2 soll es wieder Wochen oder sogar Monate gegeben haben, in denen Entwickler bis spät in die Nacht arbeiteten, und auf jegliches Privatleben verzichten mussten.
Einige von ihnen erzählten Kotaku-Redakteur Jason Schreier nun von ihren Erfahrungen bei Naughty Dog, und wie die Crunch-Times nicht nur ihre mentale Gesundheit, sondern auch ihr Leben in Gefahr brachten:
Die Geschichte habe sich vergangenen Monat ereignet. Einige Künstler hätten noch bis spät in die Nacht an ihrer neuen Kreation gearbeitet, als neben ihnen ein Metallrohr vom Himmel gefallen sein soll. Eine Gruppe Bauarbeiter sei unvorsichtig gewesen, sie hätten angenommen, es befände sich niemand mehr im Gebäude. Niemand sei verletzt worden, neue Sicherheitsmaßnahmen getroffen. Doch, wenn sich das so ereignet hat, wieso waren die Entwickler überhaupt noch dort?
Die Crunch-Times sind in der Games-Industrie zwar traurigerweise nicht unüblich, doch Naughty Dog scheint allem Anschein nach ein besonders schlimmer Fall zu sein. Das Studio habe den Anspruch, perfekte Spiele abzuliefern, „koste es was es wolle".
In den Crunch-Phasen könne das schon einmal zwölf oder mehr Stunden Arbeit am Tag bedeuten, auch an Wochenenden. Zwar würden die Entwickler nicht dazu gezwungen, Überstunden zu machen, doch es gebe das unausgesprochenes Gesetz, länger im Büro zu bleiben, weil alle es so machen.
Die Arbeitsbedingungen bei Naughty Dog sind inzwischen kein Geheimnis mehr. Das Studio suche sogar aktiv nach „Workaholics“, die zum Crunch bereit sind. Einige hätten damit auch kein Problem, immerhin könnten sie an einem der besten Spiele des Jahres mitarbeiten. Für viele sei der Druck auf Dauer jedoch zu viel.
Von den 20 Entwicklern, die in den Credits vom 2016 erschienenen Uncharted 4 genannt werden, arbeiten nur noch sechs bei Naughty Dog. Selbst Mitarbeiter, die dem Studio mehr als zehn Jahre lang die Treue hielten, entschlossen sich zu gehen. Ein Entwickler von The Last of Us 2 sagte Schreier dessen Bericht zufolge: „Ich kann so nicht weitermachen. Ich werde älter. Ich kann nicht die ganze Nacht arbeiten.“
Die vielen Kündigungen erschwerten die Arbeiten noch, heißt es. Neue Mitarbeiter müssten erst angelernt werden und nähmen den erfahrenen Entwicklern so noch mehr Zeit. Die Verschiebung des Spiels vom 21. Februar auf den 29. Mai habe die Lage ebenfalls verschlimmert. Drei Monate mehr Zeit bedeute für die Entwickler nur drei Monate mehr Crunch.
Einige Stimmen innerhalb des Studios wünschen sich laut des Berichts sogar einen Flop von The Last of Us 2. Nur so würde Naughty Dog verstehen, das es so nicht weitergehen könne. Das Projekt sei es einfach nicht wert, so viele Leute zu verlieren. Andernfalls würde die Zermürbung der Entwickler das Problem irgendwann von alleine lösen.
Naughty Dog, Rockstar Games und sogar der Publikumsliebling CD Projekt Red setzen auf Crunch-Times, um ihre detailverliebten und gewaltigen Spiele fertigzustellen. Wir Spieler gewöhnen uns an den hohen Standard, der uns präsentiert wird und lachen über die Spiele, bei denen es nicht klappt.
Wenn jedoch zu jedem größeren Release erneut Stimmen über schlechte Arbeitsbedingungen laut werden, müssen auch wir uns fragen, ob wir etwas ändern müssen. Spiele wie The Last of Us 2 einfach zu boykottieren, sendet zwar eine Nachricht, könnte den Entwicklern jedoch auch schaden. Nachdem sie bereits so viel Herzblut in ihr Projekt steckten, könnten sie so auch noch in finanzielle Schwierigkeiten geraten. Ein Anfang wäre es, die Spiele, so gut sie auch werden, nicht nur mit Lob zu überschütten. Stattdessen sollten wir uns ins Gedächtnis rufen und auch benennen, welchen Preis die Menschen zahlen mussten, die für unsere Unterhaltung arbeiten.
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