von Michael Sonntag (Samstag, 14.08.2021 - 09:00 Uhr)
Ich nerve gerne jeden Redakteur bei uns in der Redaktion und jeden Gamer in unser Community damit: Der für mich beste Multiplayer stammt von Ubisoft und zwar aus Assassin's Creed: Brotherhood. Man hat mir zwar verboten, sechzig Seiten über meine zehn Jahre zu schreiben, die ich schon mit diesem Spiel zubringe, aber vielleicht schaffe ich es auch mit einer einzigen, euch ebenfalls von meiner Leidenschaft zu überzeugen. Auch wenn ihre Tage leider gezählt sind ...
Lange Zeit wurde die Videospiellandschaft von Helden wie Link, Cloud Strife oder Kratos beherrscht, also Kriegern, die auf offenem Felde gegen ihre Feinde kämpfen. Assassin's Creed bot allerdings etwas Neues: Den stillen, heimlichen Schatten, der Stealth wieder sexy machte, nachdem Hitman und Splinter Cell aufgrund ihrer Komplexität vom Mainstream immer weiter verdrängt wurden. Und das war gleichzeitig auch von Anfang an mein Problem mit der "Assassin's Creed"-Reihe: Die Vorstellung, cool und heimlich zu sein, mündete irgendwie immer in ein stumpfes Rambo-Gemetzel, da die KI kein Fingerspitzengefühl brauchte und auch von einem Sack Kartoffeln hätte überrumpelt werden können.
Gibt es denn keine würdigen Herausforderer da draußen, die meine Heimlichkeit auf die Probe stellen können? Im Jahr 2010 fand ich sie dann endlich, im Multiplayer von Assassin's Creed: Brotherhood, der Spieler gegeneinander antreten lässt. Acht Assassinen, eine Map, und jeder muss sein Opfer unter dutzenden von Klonen entdecken und ausschalten, während er genauso von anderen Jägern gejagt wird. Zehn Minuten, die den Stresspegel immerzu auf die Spitze treiben, aber dennoch ein ruhiges und präzises Vorgehen erfordern, wenn man zu den Besten der Lobby gehören wollte. Mit einem Haken: Der Beste hat auch die meisten Verfolger – und damit auch den meisten Stress (und den meisten Spaß!)
Kennt ihr das? Eure Mutter meldete euch als Kind bei dutzenden Sportvereinen an, aber am Ende fühlt ihr euch doch nur im Schachverein wirklich wohl? So ähnlich erging es mir auch bei sämtlichen Multiplayer-Shootern. Aber Brotherhood erforderte nicht nur Feinmotorik, sondern dank aller einsetzbaren Fähigkeiten auch ein spezielles taktisches Vorgehen, in dem ich wirklich gut bin (Kleiner, aber feiner Twitch-Beweis). Sich verkleiden, spurlos verschwinden, auf den besten Kill warten, Leute in einen Hinterhalt locken – keine Runde ist wie die andere. Das ewige Assassinenparadies? Leider nicht. Nachdem AC: Revelations, AC3 und AC: Black Flag noch über Multiplayer verfügten – die sich allerdings auch immer weiter von der perfekten Brotherhood-Formel entfernten – wurde er in Unity noch zu Koop-Missionen umgewandelt und flog danach komplett raus.
Ubisoft hegt kein Interesse mehr an seinem Multiplayer-Konzept und damit ist das Schicksal dieses Genres auch auf lange Sicht besiegelt. Nach zehn Jahren ist es heute entweder unmöglich oder eine reine Glückssache (oder erfordert eine geduldige Absprache mit den letzten Assassinengilden auf Discord), eine volle Lobby für Brotherhood zu bekommen. Es bleibt für mich allerdings ein unglaubliches Erlebnis, das nur ein Stream auf Twitch ausreichte, um auf die letzten Fans zu treffen und in ihren Kreis aufgenommen zu werden (und sogar noch die eine oder andere Taktik von alten Meistern zu lernen – Grüße an dich, Dellpit). Das macht jede Runde heute umso wertvoller, da sie umso seltener ist.
Apropos selten: Die Suche nach Alternativen bleibt bis heute ergebnislos. Nischenspiele wie The Ship: Murder Party reichen an Ubisofts Formel nicht heran, Multiplayer wie in Hitman: Season 2 bleiben nicht lange am Leben und das Konzept von Hood: Outlaws & Legends war von Anfang unrealistisch, gibt den Spieler nicht genügend Einschränkungen und bräuchte zurzeit viel mehr Entwickler-Support. Ich habe keine Hoffnung, aber den unrealistischen Wunsch, dass Ubisoft den Multiplayer irgendwann als Remaster zurückholt (von mir aus auch als Free-2-Play-Konkurrenz zu CoD: Warzone - Haha), um ihm viele weitere Jahre zu geben. Das wird nicht passieren, aber ich bin bereits überaus dankbar für die zehn Jahre, die er mich jubeln und verzweifeln ließ. Ich weiß nur: Noch laufen die Server und in der letzten Partie werde ich dabei sein.
Es gibt kaum Multiplayer, die mir gefallen, die meinen Spielertyp so gut bedienen und fordern, wie Assassin's Creed: Brotherhood. Abseits dessen liefert er mir die Stealth-Erfahrung, die mir die Hauptspiele niemals gegeben haben. Ubisoft, danke für diese Erfahrungen! Ich könnte noch viel mehr erzählen, aber es ist Freitag und ich will nicht vom Chefredakteur in einen Heuhaufen gezogen werden.
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