von Michael Sonntag (Sonntag, 27.02.2022 - 09:00 Uhr)
Horizon: Forbidden West beendet eine lange Gaming-Durststrecke und bietet großes PS5-Kino in jeglicher Hinsicht. Dabei bewundere ich dieses Spiel nicht nur für seine faszinierende Welt und seine nervenaufreibenden Kämpfe, sondern gerade auch für seine Fähigkeit, besondere Orte zu schaffen, die viel Emotion und Atmosphäre versprühen. Hierbei denke ich vor allem an Aloys Heimatbasis.
Stets gefangen zwischen Hoffnung und Verzweiflung: Aloy wird in Horizon: Forbidden West auf ihre größte Probe gestellt und jagt der weltenrettenden Technik pausenlos hinterher. Und so schön die Welt auch ist, es fällt schwer, sie zu genießen, wenn das alles kurz vor dem Untergang steht. Genauso fühle ich mich auch ruhelos in Horizon: Forbidden West, renne von einem Dorf zum anderen, erfülle eine Quest nach der anderen. Doch dann passiert etwas Unerwartetes: Anstatt schon wieder losgeschickt zu werden, finden Aloy und ihre Gefährten eine alte Basis der vergangenen Zivilisation und quartieren sich dort ein.
Auch wenn ihnen ein großer Teil der Technik unverständlich bleibt, bringen sie ihre vorzeitlichen Waffen und Ausrüstungsgegenstände dort unter, was diesen Ort in eine interessante Epoche zwischen den Zeiten wirft. Und zum ersten Mal in Horizon: Forbidden West kehrt Ruhe ein, zum ersten Mal gibt es einen Ort, den man nicht nach zwei Stunden Questen für immer hinter sich lässt. Ich finde Basen in Videospielen äußerst interessant, egal ob es die Save Rooms in Resident Evil oder die Häuser in Skyrim sind, genauso wie das Schiff in Marvel's Guardians of the Galaxy. Sie bieten die Möglichkeit, sich auszuruhen und sich auf diese Welt einzulassen, vielleicht sogar ein wenig in ihr zu leben. In einem "Open World"-Spiel wie Horizon: Forbidden West hat die Basis eine ganz besondere Bedeutung für mich.
Der meiste Content in der Basis ist absolut optional, bietet dafür aber den Figuren viel mehr Tiefe. Ein Beispiel: Jeder Charakter richtet sich dort ein Zimmer ein und hinterlässt eine ganz individuelle Unterschrift (Nicht mit den Seelen-Einblicken in Life is Strange zu vergleichen, aber dennoch). In Aloys Zimmer, von ihren Freunden eingerichtet, steht eine Trainingsfigur und lagern Waffen. Zwar kann sie hier (gameplaytechnisch) nicht schlafen, aber zumindest ihren Anhänger verwahren. Und dieses Detail sagt so viel aus: Dass es noch so viel mehr gibt als die Rettung der Welt.
Die gleiche Möglichkeit wird den Mitstreitern geboten. Während immer die Gefahr besteht, dass Aloy oder die Missionen (oder wir) ihnen keine Aufmerksamkeit schenken, können wir mit ihnen in der Basis sprechen und nachfragen, wie sie das Eintauchen in die neue Welt verarbeiten. Hinzu kommt – und das ist großartig – , dass neue Mitstreiter einziehen können und nicht einfach verschwinden. Damit bleibt es nicht bei dem einen Gelegenheitsabenteuer, sondern dem Ganzen wird ein Wert beigemessen und eine Fortsetzung in Aussicht gestellt.
Abseits dessen kann Aloy hier auch Gegenstände herstellen und upgraden – und aus irgendeinem Grund tue ich das lieber hier als an einer x-beliebigen Werkbank dort draußen. Im Gegensatz zu allen Orten dort draußen, führt die Reise immer hierhin und startet auch hier. In den "Konferenzen" mit der KI Gaia werden die vergangenen Schritte resümiert und weitere beschlossen, es werden weitere Hintergründe analysiert und Details geklärt.
Es ist der Ort, zu dem alles hinführt und für den auch alles getan wird, nicht nur für Erfahrungspunkte oder neue Gegenstände. (Eine ähnliche Anziehungskraft hatte Assassin's Creed, wenn ich trotzdem gerne zum an sich unspektakulären Assassinenstützpunkt zurückkehrte, um mit Al Mualim ein philosophisches Gespräch zu führen und den nächsten Auftrag zu besprechen.) Es ist ein Anker in der großen und flüchtigen Spielwelt.
Die Basis in Horizon: Forbidden West schafft es, dass ich sie als Heimat wahrnehme. Ich kämpfe nicht für die austauschbaren NPCs der Nebenquests, aber für diesen Ort. Das macht die Welt lebendiger und glaubwürdiger als dutzende Aktivitäten. Ich sage nicht, dass jedes Spiel eine Basis bieten soll – aber eine Alternative zur Hetzjagd, einen Ort zum Runterkommen, einen Ort, an dem die Charaktere die Klamotten ihrer Abenteurerfunktion ablegen und für einen Moment "echte" Menschen sein können. Die Basis bleibt für mich der magischste Ort in Horizon: Forbidden West, weil er nicht das "Was" der Mission beantwortet, sondern das "Wofür".
Horizon: Forbidden West erschien am 18. Februar für PS4 und PS5 und schickt Aloy auf ihre größte Mission, die Welt vor Tech-Göttern und dem Untergang zu bewahren. Macht euch auf ins Abenteuer, aber nehmt euch auch eine Pause! Die Basis ist ein guter Ort dafür.
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