von Sanel Rihic (Mittwoch, 05.10.2022 - 12:40 Uhr)
Okay, mit dieser Spieleflut hat wohl niemand gerechnet. CD Projekt kündigt auf einen Schlag fünf Spiele aus dem The-Witcher-Universum, eine Fortsetzung zu Cyberpunk 2077 und sogar eine gänzlich neue IP an. Meine Freude hält sich jedoch in Grenzen. Denn CD Projekt macht den gleichen Fehler wie damals und enthüllt Spiele, die vielleicht sogar erst in einem Jahrzehnt erscheinen … oder möglicherweise nie? Ein Kommentar.
Wenn Cyberpunk 2077 eines richtig gemacht hat, dann im Detail aufzuzeigen, was man alles falsch machen kann. 2011 angekündigt, zu früh für meinen Geschmack, gefolgt von einem schicken CGI-Trailer, dann mehrere turbulente Jahre in Entwicklung und anschließend im denkbar schlechtesten Zustand veröffentlicht. So schlecht, dass einem Assassin’s Creed Unity vergleichsweise wie eine fehlerfreie Spielerfahrung vorkommt. Wenn ein Studio es nicht einmal schafft, zwei Spiele parallel zu entwickeln, wie soll dann DAS funktionieren?
Zunächst muss ich hier die Fakten einmal korrekt einordnen. CD Projekt arbeitet nicht an allen Spielen gleichzeitig; das Entwicklerstudio entwickelt nicht einmal an allen Spielen aktiv mit.
Fangen wir mit dem bisherigen Sorgenkind an: Cyberpunk 2077 erhält noch im kommenden Jahr seinen ersten und letzten Story-DLC, aber schon jetzt ist bekannt, dass mit Project Orion an einer Fortsetzung gearbeitet wird. Diese soll! (ist noch nicht) von CD Projekt Red North America entwickelt werden.
Die The-Witcher-Serie bekommt neben der bald erscheinenden Next-Gen-Version von The Witcher 3 weiteren Nachschub. Mit Project Polaris befindet sich aktuell das erste Spiel einer weiteren The-Witcher-Trilogie in der Vorproduktion. Die beiden Nachfolger sollen nach Release innerhalb von sechs Jahren erscheinen.
Dann gibt es noch Project Majoris, welches bald von einem Third-Party-Studio entwickelt und ebenfalls ein Open-World-Rollenspiel werden soll, sowie Project Sirius, das eine gänzlich andere Spielerfahrung mit Singleplayer und Multiplayer bieten soll und bereits in der Vorproduktion bei Molasses Flood ist, ein weiteres Studio in den USA.
Und ja, dann ist da noch ein völlig neues und eigenständiges Spiel namens Project Hadar in Arbeit. Dieses entsteht, anders als die beiden vorherigen Spiele, im Hause CD Projekt Red und befindet sich derzeit in der Konzeptphase. (Quelle: CD Projekt)
Mir schmerzen schon die Fingerknochen vom Abtippen. Es sind unheimlich viele Spiele, an die sich CD Projekt wagt. Doch schauen wir jetzt einmal, woran das Studio momentan aktiv arbeitet.
Am DLC für Cyberpunk 2077 sitzen über 350 Mitarbeiter dran, Project Polaris zählt mehr als 150 Entwickler, Project Sirius wird von über 60 CD-Projekt-Red-Entwicklern unterstützt und ein noch kleineres Team arbeitet schon an Project Hadar. Wie viele an The Witcher 3 für PS5 und Xbox Series arbeiten, ist nicht bekannt.
Das sind aber bereits mehrere Projekte, die CD Projekt nun clever managen muss. Und es wird noch viel mehr Arbeit, sobald die Cyberpunk-Erweiterung einmal fertig ist und die Entwicklung an der Fortsetzung beginnt.
Nach dem desaströsen Launch von Cyberpunk 2077 habe ich so meine Zweifel, dass das Studio so viele Projekte gleichzeitig organisieren und koordinieren kann. Und ich bin da nicht allein. Unter dem entsprechenden Tweet von CD Projekt teilen einige Nutzer die gleiche Sorge:
Schließlich sprechen wir hier von gerade einmal knapp 600 Entwicklern. Das Spiele-Unternehmen Ubisoft, das ebenfalls mit zahlreichen Projekten simultan jongliert, hat über 20.000 Mitarbeiter. (Quelle: Ubisoft) Und selbst da kommt gefühlt jedes zweite Spiel in einem schlechten Zustand auf den Markt.
Es ist schlicht viel zu früh gewesen, all diese Spiele anzukündigen. Klar, es gibt viele Fans, die gerade hyperventilieren und wahrscheinlich auf Trade24 Aktien des polnischen Videospielentwicklers kaufen. Mich lassen die Ankündigungen hingegen kalt, machen mich gar skeptisch.
Warum begeht CD Projekt also erneut den gleichen Fehler? In seiner Präsentation spricht das Studio davon, wachsen zu wollen, was mit den US-Studios bereits passiert ist. Und nicht nur CD Projekt selbst, aber auch seine IPs sollen wachsen und ausgeweitet werden, wie man bereits mehrfach bewiesen hat, zum Beispiel mit Cyberpunk: Edgerunners.
Aber wie will CD Projekt die Vielzahl an Spielen schaffen? Allein die Aussage, man plane nach dem Release von Project Polaris die beiden Nachfolger innerhalb von sechs Jahren herauszubringen, klingt fast schon unrealistisch – außer es kommt wieder zu Crunch-Arbeit und davon will man sich ausdrücklich entfernen.
Die Zuversicht kommt wohl vor allem durch den Engine-Wechsel. Mit der Unreal Engine 5 muss sich CD Projekt zumindest keine Gedanken mehr machen, eine eigene Engine permanent mitzuentwickeln.
Meine Befürchtungen bleiben aber bestehen. Nach der Cyberpunk-Katastrophe habe ich eher gedacht, dass man langsam und behutsam das Vertrauen vieler enttäuschter Fans wiederherstellen möchte. Mit dieser frühzeitigen Ankündigung geht CD Projekt aber ein gewaltiges Risiko ein, denn jetzt muss das Spiele-Unternehmen auch abliefern. Ich stelle mich bereits auf einige Verschiebungen ein. Im schlimmsten Fall kommt das eine oder andere Spiel vielleicht niemals heraus.
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